Autorisierte Gesangspädagogin der Richtung Martienssen-Lohmann für das Königreich Rumänien
19.09.25
Kronstädter Musikerinnen (XX): Sängerin, Pianistin und Musiklehrerin Elfriede Kühlbrandt (1912-1996)
Folge 20 der Artikelserie über Kronstädter Musikerinnen, einer Dokumentation aus dem Jahr 1943, ist ein autobiographischer Beitrag, dessen Typoskript die Überschrift „Prof. Elfriede Kühlbrandt geb. Gärtner / Mein Lebenslauf“ trägt. Elfriede Hilde Gärtner, die als Sängerin und Pianistin erfolgreich sowie als Musiklehrerin in Hermannstadt, Bistritz und Bayreuth tätig war, verstarb am 8. Januar 1996 in Bayreuth.
Am 21. April 1912 wurde ich in Kronstadt als Tochter des Oberingenieurs Adolf Gärtner und dessen Gattin, der Klavierlehrerin Elfriede Gärtner geb. Stenner (1), geboren. Ich besuchte die evang. deutsche Volks- u. Mittelschule, absolvierte die Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt unter Frl. Adele Zay (2) und anschließend das rumänische staatliche Mädchenlyzeum „Principesa Elena“ und erwarb mir das Reifezeugnis (Bakkalaureat). Das rumänische Mädchenlyzeum absolvierte ich in zwei Jahren, indem ich im 1. Jahre Quinta und Sexta und im 2. Jahr die Septima machte, die damals die letzte Klasse bildete. Die Quinta besuchte ich normal und lernte gleichzeitig den Sexta-Stoff privat, über den ich dann am Ende der Sommerferien eine Privatprüfung ablegte, die mich zum Eintritt in die Septima berechtigte.
Gleichzeitig mit meiner Schulausbildung legte ich auch den Grund zu meiner musikalischen Ausbildung. Bei meiner Mutter lernte ich vom 6. bis 16. Lebensjahr das Klavierspiel, nachher 3 Jahre hindurch bei Prof. Victor Bickerich und schließlich bei Egon Siegmund (3) in Berlin.
Im Herbst 1931 begann mein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musikerziehung in Berlin-Charlottenburg (damals Staatliche Akademie für Kirchen- und Schulmusik). Meine Professoren in den Hauptfächern waren folgende: für Klavier Prof. Hans Beltz (4), für Gesang Frau Prof. Franziska Martienssen-Lohmann (5) und Prof. Paul Lohmann (6), für Musiktheorie, Harmonielehre und Kompositionslehre Prof. Hans Chemin-Petit (7). 1935 legte ich dort an der Hochschule als erste Siebenbürgerin das Staatsexamen für das künstlerische Lehramt an höheren Schulen ab. Anschließend bildete ich mich bei meinen Hochschullehrern Prof. Paul Lohmann und Frau Prof. Franziska Martienssen-Lohmann im Gesang weiter aus und wurde von diesem Künstlerehepaar als Mitarbeiterin und Gesangspädagogin der Richtung Martienssen-Lohmann für das Königreich Rumänien autorisiert.
Öffentlich trat ich schon während meines Studiums in Berlin als Oratorien- und Liedersängerin auf, ebenso als Pianistin. So sang ich im Rahmen der Akademie gelegentlich der Berliner Uraufführung von Monteverdis „Odysseus“ die Penelope unter Leitung von Prof. Halbig (8). Ebenfalls im Rahmen der Akademie spielte ich in Konzerten das A-Dur Klavierkonzert von Joh. Seb. Bach, mit Orchesterbegleitung, die c-Moll Partita und mit einem Kollegen auf 2 Klavieren die Variationen von Brahms über ein Thema von Haydn.
Ein Ereignis während meines 4-jährigen Studiums in Berlin möchte ich nicht unerwähnt lassen. Das war ein Stipendium für die Wagner-Festspiele in Bayreuth. Und dieses Stipendium ermöglichte es mir, den „Ring der Nibelungen“ an geweihter Stätte und in Gegenwart des Führers (9) zu sehen und zu erleben.
Im Herbst 1935 führte mich mein Weg in meine Siebenbürger Heimat zurück. Vom Herbst 1935 bis Sommer 1938 bekleidete ich die Stelle der Musikprofessorin am ev. Deutschen Mädchenlyzeum zu Hermannstadt. Hier sang ich als Solistin des Hermannstädter Bach-Chores unter Prof. Franz Xaver Dressler (10) in verschiedenen Oratorien und Kirchenkonzerten die Altpartien. Auch in Bukarest und anderen Städten Siebenbürgens trat ich als Oratorien- und Liedersängerin vor die Öffentlichkeit.
Seit meiner Heirat mit Gymnasialprofessor Horst Kühlbrandt (11) im Sommer 1938 lebe ich in Bistritz, wo ich mich auch weiterhin als Gesang- und Klavierlehrerin und ausübende Künstlerin betätige.
Bistritz im Februar 1943
Prof. Elfriede Kühlbrandt-Gärtner
(Vorspann, redaktionelle Bearbeitung und Anmerkungen:
Wolfgang Wittstock)
Anmerkungen:
(1) Elfriede Gärtner geb. Stenner (1889-1980) war Folge V der Artikelserie „Kronstädter Musikerinnen“ (KR Nr. 8/27.02.2025) gewidmet.
(2) Adele Zay – siehe Folge IV, Anmerkung 4, der Artikelserie „Kronstädter Musikerinnen“ (KR Nr. 7/20.02.2025).
(3) Egon Siegmund – siehe Folge V, Anmerkung 7, der Artikelserie „Kronstädter Musikerinnen“ (KR Nr. 8/27.02.2025).
(4) Hans Beltz (1897-1977) war ein deutscher Pianist und Musikpädagoge; 1929 wurde er als Lehrer an die Staatliche Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin berufen.
(5) Franziska Martienssen-Lohmann (1887-1971) war eine deutsche Sängerin (Sopran) und Gesangspädagogin, in einer zweiter Ehe mit Paul Lohmann (siehe Anmerkung 6) verheiratet; 1930-1945 unterrichtete sie an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin; hinterließ eine schriftstellerisch-pädagogische Arbeit, die bis heute als Standardwerk der Gesangspädagogik gilt.
(6) Paul Lohmann (1894-1981) war ein deutscher Konzert- und Oratoriensänger sowie Gesangspädagoge; 1933 übernahm er seine erste Hochschulprofessur in Berlin.
(7) Hans Helmuth Chemin-Petit (1902-1981) war ein deutscher Komponist, Dirigent und Musikpädagoge; ab 1929 unterrichtete er an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin.
(8) Der Musikwissenschaftler Hermann Halbig (1890-1942) hatte eine Professur für Musikgeschichte und Gregorianik an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin.
(9) Mit „Führer“ ist Adolf Hitler, 1933-1945 deutscher Reichskanzler, gemeint; dass und wie Elfriede Kühlbrandt ihn im Zusammenhang mit den Wagner-Festspielen in Bayreuth erwähnt, zeigt an, dass sie noch im Jahr 1943, als sich bereits die Niederlage Hitler-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg abzeichnete, offensichtlich ein unkritisches Verhältnis zur nationalsozialistischen Ideologie, zum nationalsozialistischen Regime in Deutschland gehabt hat.
(10) Franz Xaver Dressler (1898-1981) wirkte mehr als ein halbes Jahrhundert als Stadtkantor und Organist an der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt; Dressler war auch langjähriger Leiter des Hermannstädter Bach-Chores, Komponist und Musikpädagoge.
(11) Elfriede Gärtner heiratete im Jahr 1938 in Kronstadt den Gymnasialprofessor Horst Kühlbrandt (1908-1998), einen Sohn des Lyrikers und Kunsthistorikers Ernst Kühlbrandt (1857-1933).
Ausübende Musikerin sowie Gesang- und Klavierlehrerin in Hermannstadt, Bistritz und Bayreuth: Elfriede Gärtner
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Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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