Burzenland vor Berufung des Deutschen Ordens besiedelt
10.06.10
Gespräch mit Dr. Harald Roth, Südosteuropa-Referent am Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam
Gleich zwei Bücher zur siebenbürgischen Geschichte wurden im Rahmen der deutschen Vortragsreihe in Kronstadt am 1. Juni l.J. vorgestellt. Dr. Harald Roth, Südosteuropa-Referent am Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam, präsentierte den Band „Städte im südlichen Siebenbürgen. Zehn kunsthistorische Rundgänge“ von Arne Franke mit eigenen historischen Einführungen, der im Verlag des genannten Deutschen Kulturforums erschienen ist. Anschließend sprach Thomas Sindilariu, Leiter des Archivs und der Bibliothek der Honterusgemeinde, über den Band „Das alte Kronstadt“ von George Michael Gottlieb von Herrmann, als erster Teil einer dreibändigen Geschichte der Stadt, der jetzt zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Vorher wurden die beiden Bücher auch dem rumänischen Publikum in dem Gedenkmuseum „Casa Muresenilor“ vorgestellt. Die Buchvorstellung wurde veranstaltet vom Deutschen Kulturforum östliches Europa aus Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Muresenilor-Museum, dem Kronstädter Ortsforum, dem Archiv und der Bibliothek der Honterusgemeinde, dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde. Dr. Harald Roth wurde 1965 in Schäßburg geboren, studierte Geschichte in München, Freiburg, Heidelberg, Seattle (USA) und wurde in München promoviert. Er war Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts und Leiter der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim um anschließend an dem Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam seine Tätigkeit fortzuführen. Bekannt ist der Historiker durch mehrere veröffentlichte oder von ihm herausgegebene Bände zur Geschichte Siebenbürgens u.a. „Kronstadt. Eine siebenbürgische Stadtgeschichte“ (1999), „Hermannstadt. Kleine Geschichte einer Stadt in Siebenbürgen“, gemeinsam mit Dr. Konrad Gündisch brachten sie den Band „Fünfkirchen/Pecs. Geschichte einer europäischen Kulturhauptstadt“ heraus. Wir nahmen die Gelegenheit seines kurzen hiesigen Aufenthaltes wahr, um einige Fragen an Dr. Harald Roth zu richten.
Sie sind als Referent am Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam für den Bereich Geschichte Südosteuropa tätig. Welches sind die Tätigkeitsbereiche dieser Institution?
Gegründet wurde das Deutsche Kulturforum östliches Europa im Jahre 2000 auf Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien in Potsdam. Dieses engagiert sich für die Auseinandersetzung mit der Geschichte jener Gebiete im östlichen Europa, in denen früher Deutsche gelebt haben und heute auch noch als Restgemeinschaften leben. Zudem versteht sich das Kulturforum als Vermittler zwischen Ost und West, zwischen Institutionen und Einzelinitiativen. Dieses organisiert Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Diskussionsveranstaltungen, Konzerte, hat eine reiche Verlagstätigkeit. Im Eigenverlag erscheinen historische Sachbücher, Bildbände, Begleitpublikationen zu den vom Forum organisierten Veranstaltungen und Ausstellungen. Dabei ist ein besonderes Anliegen des Forums, jüngere Menschen über das gemeinsame historische Erbe der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn zu informieren. Einer der Schwerpunkte im Kulturforum stellt Siebenbürgen dar. In diesem Sinne sind die veröffentlichten Führer zu den Kirchenburgen, sowie der über Hermannstadt und auch über Deutsch-Weißkirch anzuführen.
Speziell wird die siebenbürgische deutsche Geschichtsschreibung gegenwärtig vor allem von im Ausland lebenden Historikern vorgenommen. Wie schätzen Sie diese Tatsache ein?
Das ist insoweit manchmal eine schwierige Lage, weil die auswärtigen Historiker nicht immer den unmittelbaren Zugang zu den Quellen haben. Andererseits muss man das auch etwas relativieren, so viele Historiker sind es leider auch nicht. Die Quellennutzung ist in den letzten Jahren vor allem durch die modernen technischen Mittel, die einem zur Verfügung stehen, bedeutend besser geworden. Und was sich ebenfalls verbessert hat, ist die Zusammenarbeit und Offenheit zwischen den Historikern über Grenzen hinweg.
Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Arbeiten, die in den letzten Jahren zur Geschichte Siebenbürgens erschienen sind?
In den letzten Jahren ist eine ganze Reihe sehr guter Monographien erschienen. Die sind großteils in guten deutschen Verlagen aufgelegt worden, die Rezeption in Deutschland ist gut, denn Siebenbürgen ist heute kein unbekanntes Gebiet mehr. Dieses Interesse ist vorteilhaft und wird wahrscheinlich noch einige Zeit anhalten.
Heuer wird in Kronstadt, und nicht nur hier, das 775-jährige Jubiläum seit der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt begangen. Und nächstes Jahr werden, laut bisheriger Meinung, 800 Jahre seit der Besiedlung des Burzenlandes gefeiert. Gibt es diesbezüglich neue Erkenntnisse in der Geschichtsforschung?
Wenn es sich um die die
sjährige Jahresfeier handelt, 775 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt, gibt es überhaupt nichts zu beanstanden. Was die Jährung 2011 betrifft, kommt es darauf an, wie diese formuliert wird. Es handelt sich dabei um die Berufung des Deutschen Ordens durch den ungarischen König Andreas II. im Jahre 1211. Es sind nicht 800 Jahre seit der Ankunft deutscher Siedler. Das liegt viel weiter zurück. Gemäß den archäologischen Ausgrabungen hat diese Besiedlung zumindest punktuell schon ab der Mitte des 11. Jahrhunderts begonnen. Und wahrscheinlich sind auch die Anfänge von Kronstadt vor Ankunft des Ordens zu sehen. Also handelt es sich nicht um eine Besiedlung des Burzenlandes durch den Orden, sondern um dessen Berufung, um das Land gegen die heidnischen Kumanen zu verteidigen und diese zu missionieren.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Archiv und der Bibliothek der Honterusgemeinde?
Diesbezüglich gibt es viele Kooperationen und, ehrlich gesagt, würde es mich freuen wenn eine solch gute Zusammenarbeit auch mit anderen Fachinstitutionen bestehen würde.
An was arbeitet der Historiker Dr. Harald Roth gegenwärtig?
Soweit es mir die Zeit erlaubt bin ich im Augenblick besonderes mit der Geschichte Kronstadts beschäftigt. Vor dem Erscheinen befindet sich ein neuer Band, den ich verfasst habe, „Kronstadt in Siebenbürgen. Eine kleine Stadtgeschichte“. Im Unterschied zu dem 1999 von mir herausgegebenen Kronstadt-Buch geht dieser Band besonders auf die Geschichte ein, die Kulturgeschichte wird nur gestreift. Es handelt sich um eine Synthese vor allem der politischen Geschichte Kronstadts.
Als ehemaliger Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts und Leiter der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim, wie sehen Sie deren Zukunft?
Zurzeit sind wir alle damit befasst, das Siebenbürgen-Institut weiter in der Form arbeitsfähig zu erhalten wie in den letzten Jahren. Es ist nicht einfach, weil überall die Ressourcen fehlen, aber wir sind guten Mutes und werden weitermachen.
Wir danken Ihnen für diese Ausführungen.
Die Fragen stellte
Dieter Drotleff
Dr. Harald Roth während seines Vortrages im Festsaal des Kronstädter Forums.
Foto: Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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