Carl Ernst Schnell
06.09.24
Der letzte deutsche Bürgermeister Kronstadts in den Jahren 1911 bis 1926
Carl Ernst Schnell war der letzte deutsche Bürgermeister Kronstadts von den fünf (Johann Gött, Franz von Brennerberg, Karl Jakobi und Franz Hiemesch) nach dem österreich-ungarischen Ausgleich von 1867. Die 15 Jahre seiner Amtszeit waren historisch ereignisreiche Jahre. Unser fleißiger Historiker Gernot Nussbächer hat es natürlich nicht versäumt diese Jahre zu beschreiben und als Gelegenheit hat er das 150. Jubiläum im Jahr 2016, seit der Geburt von Karl Ernst Schnell genutzt. Keiner hätte das besser machen können als er, also lassen wir ihn zu Wort kommen.
„Zu den Jubiläen des Jahres 2016 gehört auch der 150. Geburtstag von Dr. Karl Ernst Schnell (1866 – 1939), dem letzten deutschen Bürgermeister von Kronstadt, einem der hervorragenden sächsischen Politiker im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Karl Ernst Schnell wurde geboren am 30. Januar 1866 in Kronstadt im Hause Roßmarkt Nr. 5 als Sohn des damaligen Vizenotärs, späteren Notärs und Stadthauptmanns Friedrich Schnell (1810 – 1900) und der Josefine geb. Hayn (1832 – 1901). Er war das jüngste Kind der Familie und hatte drei ältere Schwestern. In seiner Kindheit und Jugendzeit wohnte die Familie Schnell auf der Nordseite der oberen Schwarzgasse im Hause Nr. 408 (heute Nr. 7), neben dem Glockengießer Ephraim Andraschowski (Nr. 407/9). Karl Ernst Schnell besuchte das Honterusgymnasium, das er im Jahre 1884 absolvierte. Danach studierte er zuerst ein Jahr in Graz und anschließend drei Jahre in Budapest die Rechtswissenschaften.
Nach seiner Rückkehr nach Kronstadt war er 1888 – 1889 ‚innerer Mitarbeiter‘ der ‚Kronstädter Zeitung‘. Anschließend arbeitete er in der Advokaturskanzlei seines Vetters Karl Schnell. 1897 wurde er an der Universität Budapest zum Dr. Juris promoviert und legte 1901 die Advokatursprüfung ab.
Im Jahre 1899 gehörte er zu den Gründern der sächsischen ‚Nationalbank‘, die als Gegenstück zur ‚Kronstädter Allgemeinen Sparkasse‘ gegründet wurde und wurde ihr erster Vizepräsident. Nachdem die ‚Nationalbank‘ im Jahre 1905 anstelle des alten Hirscherhauses Ecke Purzengasse – Michael-Weiß-Gasse ihren neuen Sitz baute, bezog Schnell im gleichen Gebäude seine Wohnung und hatte auch dort seine Advokaturskanzlei. Nach 1920 forderte die Rumänische Nationalbank die Änderung des Namens in ‚Burzenländer Bank‘. Bis 1929 wohnte Dr. Schnell in diesem Gebäude, nachher blieb nur noch die Kanzlei dort. Im Jahre 1901 war Dr. Schnell aktiv an der Gründung der Molkereigenossenschaft beteiligt und bis 1911 ihr Obmann. Ihr Ziel war, die Milch der Burzenländer sächsischen Bauern für die Stadtbevölkerung zu verwerten. Ebenso wurde er 1905 Obmann des Revisionsverbandes der Genossenschaften des Kronstädter Komitates. Dr. Schnell gehörte auch zu den Gründern der ‚Hotel Krone A.G.‘ und war bis zu seinem Lebensende ihr Vizepräsident.
Im Mai 1911 wurde er auch zum Mitglied der ‚Sächsischen Nationsuniversität‘ gewählt. Seit 1897 war Dr. Schnell auch Mitglied der Stadtvertretung und seit 1907 im Ständigen Ausschuss der Stadtverwaltung tätig. So war es nur natürlich, dass nach dem Tode des Bürgermeisters Franz Hiemesch am 4. April 1911 – auf den er einen schönen Nachruf hielt – am 1. Juni 1911 Dr. Karl Ernst Schnell mit 123 von 147 Stimmen der Stadtvertreter zum Bürgermeister von Kronstadt gewählt wurde und dieses Amt anderthalb Jahrzehnte versah.
Als Bürgermeister hat Schnell verschiedene wichtige Initiativen ergriffen.
Als erstes bemühte er sich schon 1911 um die Errichtung eines städtischen Elektrizitätswerkes. Die Nichtverwirklichung dieses Vorhabens war auch der unmittelbare Grund seiner Abdankung als Bürgermeister Anfang des Jahres 1926.
Dann veranlasste Schnell die Ausarbeitung einer neuen Bauordnung und eines Stadtbebauungsplanes. Sein Plan, den freien Platz zwischen der Inneren Stadt und dem Schlossberg in einen Park umzugestalten, wurde auch erst später verwirklicht.
Ebenso bemühte er sich um die Anlegung eines Zentralfriedhofs im Burggrund, was wegen vieler Hindernisse leider nicht gelang.
Auch der Plan, zwischen Justizpalast und Postpalast ein städtisches Theater zu errichten, wurde wegen des Weltkrieges erst nach einem halben Jahrhundert an anderer Stelle verwirklicht. Nach der Kriegserklärung Rumäniens an die Mittelmächte am 27. August 1916 musste Schnell auf höheren Befehl Kronstadt verlassen und richtete in Budapest eine Behörde für die vielen Kronstädter Flüchtlinge ein. Die Akten dieser Behörde gelangten nach deren Auflösung ins Kronstädter Stadtarchiv. Nach dem Einmarsch der rumänischen Truppen in Kronstadt am 29. August 1916 setzten diese den Arzt Dr. Gheorghe Baiulescu als ersten rumänischen Bürgermeister ein, bis zur Schlacht um Kronstadt vom 5. bis 8. Oktober 1916, nach der sich die rumänischen Truppen wieder zurück ziehen mussten.
Am 17. Oktober 1916 war Dr. Karl Ernst Schnell wieder in Kronstadt und übernahm die Leitung der städtischen Verwaltung. Nach dem Tode des Kaisers und Königs Franz Joseph am 21. November 1916 folgte ihm König Karl IV., der am 30. Dezember gekrönt wurde. Dr. Karl Ernst Schnell war maßgeblich daran beteiligt, dass die Stadt Kronstadt damals die ihr gehörige Törzburg als Krönungsgeschenk bestimmte, die aber vorläufig weiter grundbücherliches Eigentum der Stadt Kronstadt blieb. Durch den Ausgang des Weltkrieges und die Abdankung des Königs wurde diese Schenkung hinfällig. Nach der Erklärung der Rumänischen Nationalversammlung vom 1. Dezember 1918 über die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien begrüßte Dr. Karl Ernst Schnell am 7. Dezember 1918 am Marktplatz die in Kronstadt einziehenden rumänischen Truppen im Namen der gesamten Stadtbevölkerung. Er blieb weiter Bürgermeister und arbeitete gut mit dem Rumänischen Nationalrat zusammen.
Zwei Jahre später war Schnell auch die treibende Kraft, dass die Stadt Kronstadt am 1. Dezember 1920 der Königin Maria von Rumänien die Törzburg schenkte, die nachher eine ihrer Lieblingsresidenzen wurde. Im Jahre 1923 regte der Bürgermeister Dr. Karl Ernst Schnell auch den Bau eines städtischen Schlachthauses an, das dann nach über einem Jahrzehnt errichtet wurde. Auch auf kirchlichem Gebiet war Dr. Schnell aktiv tätig. Von 1909 bis 1938 war er Mitglied des Presbyteriums und von 1918 – 1928 auch Gemeindekurator der Honterusgemeinde. Als solcher entwarf er auch 1926 das Lokalstatut der Kronstädter Honterusgemeinde.
Seit 1912 gehörte Dr. Schnell auch dem Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche an. Dr. Schnell ist es auch zu verdanken, dass das im Jahre 1898 zum Honterus-Jubiläum fertig gestellte monumentale Reformationsbild des Malers Fritz Schullerus (1866 – 1898) zuerst für das Kronstädter Rathaus – wo sich die dargestellte Szene abgespielt hatte – erworben wurde und danach in die Schwarze Kirche überführt wurde, wo es sich auch heute an der Ostseite des südlichen Seitenschiffes befindet. Im Jahre 1928, nach dem Tode von Adolf Schullerus (1864 – 1928), wurde Dr. Karl Ernst Schnell zum Vorsitzenden des deutsch-sächsichen Volksrates gewählt, der politischen Organisation der Siebenbürger Sachsen. Als solcher ist es sein Verdienst, dass der ursprünglich für den 21. Mai 1933 in Schäßburg geplante fünfte (und letzte) Sachsentag am 1. Oktober 1933 in Hermannstadt stattfinden konnte, nachdem die Störungsabsichten der NEDR (Nationale Erneuerungsbewegung der Deutschen in Rumänien) ausgeschaltet werden konnten. Das ‚Sächsische Volksprogramm‘ wurde vom Sachsentag beschlossen, aber nach seinem Abschluss dankte Schnell als Vorsitzender ab und zog sich von allen politischen Tätigkeiten zurück. Er beobachtete mit Besorgnis die unguten Entwicklungen in den nächsten Jahren.
Er begann seine Lebenserinnerungen zu schreiben, die im Jahre 1936 unter dem Titel „Aus meinem Leben. Erinnerungen aus alter und neuer Zeit“ von der Markusdruckerei in Kronstadt als Buch herausgebracht wurden. Als wichtiger Zeitzeuge hat Dr. Schnell da vieles festgehalten, das aus anderen Quellen nicht zu erfahren wäre. Im Jahre 1936 übergab Dr. Karl Ernst Schnell seine Rechtsanwaltskanzlei seinem Sohn Dr. Fritz Schnell und dessen Frau Dr. Annemarie Schnell (1903 – 1984), der ersten sächsischen Juristin.“
Soweit die Würdigung von Gernot Nussbächer.
Nun noch ein paar Worte über seine Familie.
Er heiratete am 27. Mai 1893 Anna Fink (1870 – 1946), die Tochter des Arztes Dr. Wilhelm Fink. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Meta (1894 – 1964), Otto (1895 - 1971), Ada (1898 - 1972) und Fritz (1901 – 1939).
Meta Schnell heiratet den Textilfachmann Theodor Rhein, und war die Großmutter von Gernot Nussbächers Frau Ada geb. Schiel. Otto Schnell war Diplomkaufmann und wurde Direktor der Zweigstelle Kronstadt der rumänischen Kreditbank..
Ada Schnell heiratet den Fabrikdirektor Hans Hintz und war seit 1953 die erste Leiterin des Siebebürgenheimes in Rimsting am Chiemsee.
Fritz Schnell war Rechtsanwalt in der gemeinsamen Kanzlei mit seiner Frau Annemarie.
Im Jahre 1938 konnte Carl Ernst Schnell noch die Geburt seiner ersten Urenkelin erleben, die auf den Namen seiner jüngeren Tochter getauft wurde und Gernots Frau wurde.
Nach kurzer Krankheit starb Dr. Karl Ernst Schnell am 21. April 1939, genau 250 Jahre nach dem Großen Brand von Kronstadt am 21. April 1689. Als Altkurator wurde er zuerst in der Schwarzen Kirche aufgebahrt und am 23. April 1939 in der Familiengruft B 38 am Innerstädtischen Friedhof, wo sowohl seine Eltern als auch Schwiegereltern liegen, beigesetzt.
Sein Freund Dr. Arthur Polonyi verfasste einen schönen Nachruf, der in der „Kronstädter Zeitung“ vom 23. April 1939 veröffentlicht wurde. Seine Frau Anna geb. Fink stirbt 7 Jahre später und wird auch in dieser Gruft bestattet.
Noch zu seinen Lebzeiten erhielt eine Straße auf der „Johannes-Wiese“ in der Blumenau den Namen „Dr. C. E. Schnell“ und trug ihn bis um das Jahr 1950. Danach wurde die Straße nach dem kurz vorher verstorbenen rumänischen Schriftsteller und Publizisten Nicolae D. Cocea (1880 – 1949) benannt und trägt diesen Namen auch heute noch.
Es wäre schön wenn auch heute eine Straße Kronstadts seinen Namen trüge.
Peter Simon
Foto: Dr. Carl Ernst Schnell, der Bürgermeister
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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