„Damit der Ton unbearbeitet klingt, muss man ihn sehr stark bearbeiten“
04.11.21
Interview Tonmeister Horațiu Bodocan
Die Absolventen des Honterus-Lyzeums arbeiten heute, in der ganzen Welt verstreut, in allen denkbaren Bereichen - unter ihnen sind Star-Musiker, Informatiker, Top-Manager, Politiker, Schriftsteller, anerkannte Ärzte oder Architekten. Ob in London, Abu-Dhabi, Wien, Berlin, New York, Bukarest oder Kronstadt - die meisten von ihnen denken gerne an ihre gemeinsame Schulzeit zurück. In der Karpatenrundschau werden wir in den nächsten Monaten einige der ehemaligen Honterianer vorstellen, die heute eine erfolgreiche Karriere haben. Falls Sie auch jemanden kennen, der das Honterus-Lyzeum absolviert hat und sich in seinem Bereich bemerkbar gemacht hat, können Sie uns gerne ihre Vorschläge auf kronstadt@adz.ro zusenden. Wir freuen uns auf jede Idee!
Musikfestivals, Live-Konzerte, musikalische Ereignisse, Konferenzen, Privatereignisse - für derartige Events sichert der ehemalige Honterianer Horațiu Bodocan in Kronstadt und landesweit Tonaufnahme und ihre Wiedergabe. Er bedient etliche Buttons auf großen Mischpults, stellt Dutzende Mikrofone für Orchester auf, nimmt Livekonzerte, wie auch CDs auf. Hora]iu war beim Papstbesuch in Blasendorf Co-Ingineur für Paula Seling, deren Toningenieur er ist, war für Bands wie Phoenix, Iris, oder Carla‘s Dreams Mischtonmeister HAT FÜR SIE GEMIXT, war Tonmeister bei Klaus Johannis’ Diskurs in Marasesti (August 2019) und für die rumänische Delegation der Telekom als der Dienst in Rumänien eingeführt wurde. Der begeisterte Musiker hat bereits als Jugendlicher sein eigenes Tonstudio im Keller seines Hauses aufgebaut und die Lieder seiner Band (Celest) aufgenommen. Viele Aufnahmen für andere Bands und Musiker folgten. Im KR-Interview erzählt der 41-jährige über seine Leidenschaft für Musik und Ton.
Wie hat deine Liebe für Musik begonnen?
Alles hat in der Grundschule begonnen, als ich eine Kassette mit Musik von Michael Jackson gehört habe. Die Musik war so toll, ich habe sie immer wieder gehört. In der fünften Klasse hab ich mit Kollegen meiner Schwester, die bereits in der 8. Klasse waren, im Hof des C-Gebäudes auf einem Kassettenrekorder Rockmusik gehört: Metallica, Iron Maiden, Scorpions, viele Bands. Ich war verzaubert. Auf der nagelneuen Gitarre meines Vaters, die er 15 Jahre lang unbenutzt gehalten hatte, habe ich gelernt zu spielen. Es folgten Kurse bei der Kunst Volksschule. Bei Privatstunden mit Marius Țiclea, dem besten Gitarrenspieler der 1990er Jahre, habe ich die Liebe für Elektrogitarre entwickelt. Später habe ich auch noch mit Victor Solomon, dem Gitarristen der kronstädter Band „Conexiuni” privat und auch dann auch Vieles alleine gelernt.
Musik war deine Leidenschaft.
Ja. Es reicht eine kurze Passage in einem Song, ein Instrument, ein Ton der den Apettit auf Musik weckt. Es ist ein Auslöser der dich stark beeinflussen kann, wie mich die Kasette mit Michael Jackson und Rock in der Kindheit.
Als Jugendlicher hattest du eine Band. Celest.
Ja, im Lyzeum haben zwei Freunde von mir und ich sie gegründet. Wir haben mehrere Auszeichnungen bei bedeutenden Festivals, wie beispielsweise Buz²u Silva Top 10 erhalten. Das waren wunderbare Zeiten. Im Keller hatte ich damals ein Home-Studio eingerichtet, in denen wir unsere Stücke aufnahmen. Meine Eltern haben einen Kredit von 600 Euro aufgenommen und einen Mixer und eine Soundkarte gekauft. Mit der Zeit haben wir Hi-Q, Ducu Ber]i oder auch Chor- und Kirchenmusik aufgenommen und mehrere Alben produziert. Noch im Lyzeum.
Gibt es die Band noch?
Wir haben sie nach dem Bakk aufgelöst. Jeder von uns ist an eine andere Uni gegangen, bekannte Bands haben uns eingeladen mit ihnen zu arbeiten. Wir waren 20 Jahre alt, ehrgeizig und verdienten nun unser erstes Geld.
Nach der Bakk-Prüfung hast du Firmen-Management studiert. Warum?
Ich wollte nicht zur Armee - damals galt noch die Wehrpflicht. So musste ich studieren. Mathe konnte ich noch, weil ich gerade die Bakk-Prüfung abgelegt hatte und Erdkunde war meine Stärke. Das Studium hat acht statt fünf Jahre lang gedauert, in denen ich weiterhin im Bereich Ton tätig war. Nach der Uni habe ich bei der rumänischen Filiale der Britischen SAE (The School of Audio Engineering/Die Schule für Tonmeister) eine zweijährige Ausbildung zum Toningenieur (Liveton) durchgeführt. In Rumänien gab es kein Angebot im Bereich. Das Studium hilft mir aber, da ich zwei Firmen besitze mit denen ich als Tonmeister aktiv bin aber auch professionelle Ausrüstung (Live und Aufnahmen) vermiete.
Wie ging es weiter?
Ich arbeite seit 2004 als Tonmeister. Damals benötigte die Band „Direc]ia 5” in der Schulerau einen Toningenieur samt Technik. Dem ersten Konzert folgten knappe 30 Konzerte zusammen landesweit. Ich habe viel gelernt, habe mich bei Workshops mit ausländischen Toningineuren immer weitergebildet. Seit 2020 bin ich Mitglied des RO Sound Team, der Elite der Soundingineure aus Rumänien.
Wie hörst du ein Musikstück?
Wir nennen das multilayer: das heißt, dass ich jedes einzelne Instrument sowie die Melodie heraushöre. Den Text höre ich mir fast niemals an, die Stimme, nur wenn sie schlecht ist.
Welches sind deine Aufgaben als Tomeister?
Die Arbeit eines Tonmeisters ist es zu wissen welche Mikrofone für das Ereignis nötig sind, wo genau diese hinstellt werden müssen, was man hören soll und letztendlich wie die Töne kombiniert werden sollen, damit das Publikum den Eindruck hat, dass die Musik natürlich klingt. Dahinter steht sehr viel Arbeit. Bei einer Philharmonie beispielsweise kann man sehr leicht den Ton beeinträchtigen. In einem Orchester sind 40 bis 50 Menschen. Zwei, drei davon kennen sich mit Technik aus, die anderen nicht. Sie sind verschiedenen Alters, manche gehen bald in Rente und spielen dementsprechend, junge Angestellte hauen voll rein. Das ist eine Herausforderung für mich.
Bei den Konzerten der Kronstädter Philharmonie beispielsweise, die diesen Sommer am Johannisplatz stattgefunden haben, war es wichtig den Musikern einen akustischen Komfort zu bieten. Sie spielen gewöhnlich im Saal, wo der Ton kontrolliert ist. Außen können sehr viele Störfaktoren auftreten: Wind, schwankende Luftfeuchtigkeit, der Hall der Wänder der Häuser, der Hall des Aro-Hotels mit seinen Glasfenstern. Somit muss der Tonmeister alle Töne dermaßen aufnehmen und weitergeben, dass alles tadellos klingt.
Welches sind die Etappen der Vorbereitung eines Konzerts?
Ich bereite morgens die Kabel vor, richte die Stative für die Mikros an den richtigen Platz. Bei der Probe höre ich was gespielt wird und stelle dementsprechend die Mikros. Dann folgt die Tonprobe. Damit der Ton sehr unbearbeitet klingen, muss man ihn eigentlich sehr stark bearbeiten. Weil die Mikros, Lautsprecher, die Außenfaktoren das beeinflussen, das Publikum aber nichts davon merken muss. All diese Töne werden dann zusammengebracht, damit es unbeeinträchtigt klingt.
Was macht einen guten Tonmeister aus?
Die Liebe zur Musik und Musikkenntnisse, sowie Spielen eines Instruments, am besten in einer Band. Letzteres ist entscheidend für die richtige Dosierung der Töne auf der Bühne. Auf der Bühne ist meist Aufruhr, jeder Musiker will im Lautsprecher etwas anderes hören. Es gibt Lautsprecher auf der Bühne, die zu den Musikern gerichtet sind, damit sie hören was die anderen spielen und sich danach richten. Der Tonmeister richtet für jeden Musiker einen separaten Ton ein und weiß genau wie jedes Mikro positioniert, jeder Lautsprecher klingen soll. Es ist aber zur Hälfte Psychologie, die Künstler dazu zu bringen dir zu vertrauen, dass du ihre Instrumente gut klingen lässt. Sobald man sich kennt, ist das kein Thema mehr.
Wie hat sich die Pandemie auf dich ausgewirkt?
In der Pandemie sind Live-Ereignisse ausgefallen, sodass ich wieder Aufnahmen mache. Außerdem gab es zahlreiche Events die live ausgestrahlt wurden und wo ein guter Ton nötig war. Ich arbeite u.a. mit der Philharmonie aus Kronstadt und aus Jassy zusammen, habe auch eine Zusammenarbeit mit der hiesigen Oper begonnen. Ich passe mich an.
Wolltest du diesen Beruf jemals aufgeben?
Nie. Auch wenn die ersten Jahre finanziell sehr schwierig waren, bis ich einen großen Kredit für professionelle Ausrüstung abdecken konnte und auch wenn viele Ereignisse in der Pandemie ausgefallen sind, habe ich immer Aufträge, zB. kleine Privatereignisse oder Konferenzen. Ich ziehe diese vor, weil ich die nötige Technik besitze. Für große Ereignisse, wo sehr viele Geräte nötig sind, arbeite ich mit Kollegen zusammen. Es hat keinen Sinn extrem teuere Geräte zu kaufen. Ich bin gut vernetzt, wir helfen einander aus.
Hast du überlegt Werkstätte zu halten?
Mit meinen Freunden bilden wir ab und an junge Leute aus mit denen wir später zusammenarbeiten. Es ist aber eine Arbeit die nur Begeisterte machen können. Sie findet oft nachts statt, etwa Konzerte in Clubs, oder an Wochenenden, wenn andere frei haben. Da muss man das sehr mögen.
Würdest du auch im Ausland arbeiten?
Ich hatte Angebote den Ton für Bands bei Konzerten zu sichern. Ich will aber nicht ständig unterwegs sein. Wenn du eine Familie hast, dann geht das nicht. Für ein Leben on tour musst du 20 Jahre jung sein, mit dem Bus von Stadt zu Stadt fahren und auftreten. Das ist jetzt nichts für mich.
Willst du wieder in einer Band spielen?
Ich würde sehr gerne. Die Kinder sind jetzt groß (anm. d. Reda. sein Sohn und die Kinder der anderen Bandmitglieder von Celest), sodass es zeitlich möglich wäre, aber irgendwie haben wir das vernachlässigt. Heuer haben wir sehr viel gearbeitet. In den drei Sommermonaten haben wir so viel wie in anderthalb Jahren gearbeitet, über 80 Aufträge. Gewöhnlich übernehmen wir etwa 70 Aufträge in einem Jahr, samt Events in den Klubs, die in der kalten Jahreszeit stattfinden. Ich habe schon Buchungen für das nächste Jahr. Es ist immer so.
Musst du absagen?
Ich versuche nie abzusagen, sondern Lösungen zu finden, falls ich schon gebucht bin. Ich bin in Kronstadt, wie auch landesweit gut vernetzt, wir helfen einander aus. MA REPET
Du bist Rocker, arbeitest aber auch mit Musikern verschiedener Genres zusammen. Gibt es ein Genre das du ganz und gar nicht magst und das du nicht aufnehmen oder wiedergeben würdest?
Manele-Musike werde ich nie aufnehmen oder wiedergeben.
Welche Ereignisse erfreuen dich am meisten?
Wenn große Rockbands live auftreten und ich für den Ton zuständig bis, ist das für mich der Gipfel.
Welche Erinnerungen hast du an deine Schuljahre?
Ich erinnere mich gerne an meine ehemaligen Kollegen. Die meisten sind in Deutschland, nur vier sind noch hier geblieben. Das Gymnasium war für mich die schönste Zeit, meine Einführung in die Rockmusik. Es war wunderbar.
Ich freue mich auch immer über das Honterusfest für Lehrer, das meine Mutter (Mathematiklehrerin am “Johannes Honterus”-Nationalkolleg), jährlich in unserem Garten veranstaltet.
Wieso bist du nicht auch ausgewandert?
Nach Beendigung der Schule habe ich überlegt auszuwandern, doch wenn alle auswandern, bleibt niemand mehr im Land. Jetzt bin ich zwar sehr enttäuscht von der politischen Klasse, aber auch sehr verwurzelt und würde nicht mehr wegziehen. Aber meinem Sohn wünsche ich er soll auswandern.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Auch bei Gesprächen über digitale Zusammenarbeit sind persönliche Treffen wie hier im Spiegelsaal des DFDR in Hermannstadt wichtig. Foto: Günther Melzer
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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