"Danke für die wunderbaren Konzerte"
23.09.22
Laudatio von Bernhard Heigl anlässlich der Verleihung des "Apollonia-Hirscher- Preises" des Jahres 2021 an Frau Ingeborg Acker
Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Ehrengäste, liebe Canzonettisten!
Wir haben uns heute hier in diesem wunderbaren Garten in Rosenau versammel, um Ingeborg Acker zu ehren und ihr unsere Wertschätzung durch die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises zu zeigen, der seit dem Jahr 1999 an verdienstvolle Kronstädter Persönlichkeiten vom Demokratischen Forum der Deutschen in Kronstadt und der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland verliehen wird.
Erlauben sie mir die Laudatio auf Frau Acker mit einer Passage aus einer Mail aus dem Jahre 2018 zu beginnen, die mir im Laufe Recherchen für diese Rede untergekommen ist und die mich so beeindruckt hat, dass ich kurz der Ansicht war, keine Laudatio mehr verfassen zu müssen, da sie vieles von dem beinhaltet was diese Kronstädter Persönlichkeit und untrennbar mit ihr verbunden „Canzonetta“ ausmacht.
„Liebe Inge, während des Konzerts war mein Blick voller Nostalgie auf meinen Sohn gerichtet und viele Erinnerungen kamen hoch, zurück zu den letzten zehn Jahren, die er innerhalb der Canzonetta-Familie verbracht hat...“
Lassen sie uns nun einen kleine Zeitreise antreten um zu verstehen, wie es zu diesem Brief kam, warum „die Acker“ und Canzonetta so untrennbar miteinander verbunden sind und wie es Inge gelungen ist eine Gemeinschaft, ja eine Großfamilie von Canzonettisten aufzubauen.
Geboren am 1. April – ein Scherz, wie sie gerne betont – im Jahre 1957, war ihr die Musik sozusagen in die Wiege gelegt. Ihr Vater Walter war Mitglied der sehr aktiven Rosenauer sächsischen Blaskapelle, ihre Mutter Erna Maria sang im Kirchenchor und im deutschen Chor des städtischen Kulturhauses unter der Leitung von Gernot Wagner. Musik lag also von Anbeginn in der Luft. Die Grundschule und das Gymnasium besuchte sie in Rosenau und dort begann in der 1. Klasse auch ihre musikalische Ausbildung bei Robert Stolz – klassisch wie bei vielen Kindern, mit der so gerne unterschätzen Blockflöte. Es folgte ab der 2. Grundschulklasse der Unterricht an der Violine. Inge erzählte mir, dass sie großen Gefallen am Geigenunterricht hatte, es jedoch partout nicht leiden konnte die Geige von zuhause ins Kulturhaus zu schleppen. Somit wurde ihre Mutter kurzerhand als Geigenträgerin engagiert und die Sache nahm ihren Lauf.
Es mag momentan so erscheinen, als ob eine Karriere als Musikerin vorgezeichnet gewesen wäre, doch dem war nicht so, denn ihre eigentliche Leidenschaft war die Literatur und das Schreiben. Es folgte der Wechsel vom Gymnasium in Rosenau auf das Honterus-Lyzeum in Kronstadt im Jahre 1972 und das Zusammentreffen mit dem Deutschlehrer Bilz, der ihr Interesse für Literatur und das Schreiben erkannte und auch förderte. Doch dieser wanderte aus und sein Nachfolger konnte ihre Begeisterung nicht mit gleicher Intensität entfachen. Gleichzeitig sang Inge im so genannten „Kleinen Chor“ des Honterus-Lyzeums unter der Leitung von Kurt Philippi und ihr Interesse an weiterer musikalischer Ausbildung begann aufzukeimen. Auf den letzten einhundert Metern des Lyzeums begann sie sich für die Aufnahme in die damals existierende Organistenschule in Hermannstadt vorzubereiten.
Von Rosenau führte also ihr Weg über Kronstadt nach Hermannstadt, wo sie von Susanne Schlattner und Ernst Helmut Chrestel nachhaltig geprägt wurde. Ernst Helmut Chrestel, der Leiter der Organistenschule war es auch der Inges stimmliche Begabung erkannte und förderte. Der Chor der damaligen Organistenschule absolvierte Ausfahrten und Auftritte in vielen sächsischen Orten und unsere Preisträgerin begann sich als Oratoriensängerin hervorzutun. Angeregt von Ernst Chrestel begann sie weiterführenden Unterricht bei dem bekannten Oratoriensänger Szilaghy Zsolt in Sankt Georgen zu nehmen, der zu ihrem bedeutendsten Gesangslehrer werden sollte. Es folgten Auftritte bei verschiedenen Oratorien-Aufführungen in der Schwarzen Kirche unter der Leitung von Eckhardt Schlandt – dem Träger des Hirscher-Preises für das Jahr 2001 – und weiterhin in Hermannstadt unter der Leitung des bereits erwähnten Kurt Philippi.
Unsere kleine Zeitreise führt uns nun zurück nach Kronstadt. Im Jahre 1980 erfolgt ihre Anstellung bei der Honterusgemeinde unter dem damaligen Stadtpfarrer Mathias Pelger. Ein purer Zufall, wie sie mir sagte, dessen Auswirkungen auf unsere Gemeinschaft und das Musikleben von Kronstadt damals freilich noch nicht absehbar waren. Angestellt als Organistin der Honterusgemeinde mit einem Schwerpunkt auf die Kinder und Jugendarbeit beginnt es sich aber bereits abzuzeichnen, wohin unsere weitere Reise gehen wird. Neben der Orgelbegleitung der Gottesdienste in den vier Kirchen der Honterusgemeinde und später auch der Bartholomäer Gemeinde übernimmt sie auch einen kleinen Kinderchor, der die monatlichen Kinder- und Jugendgottesdienste regelmäßig begleitet.
Mitte der 1980er Jahre folgt die Familiengründung, Petra und Michael werden geboren und rückschauend erlaube ich mir hier zu behaupten, dass damit auch die Grundbausteine von Canzonetta das Licht der Welt erblickten.
Bevor wir jedoch auf Canzonetta zu sprechen kommen, sei noch darauf hingewiesen, dass Inge Acker beginnen mit dem Jahre 1991 als Solistin in Begleitung von Kronstädter Pianisten klassische Liedabende gestaltete und ihre Interpretationen von Schubert, Mozart, Brahms, Tschaikowsky etc. sie von Kronstadt nach Sathmar, Klausenburg, Ia?i, Reschitz, Temeswar, Bukarest und auch an die Schwarzmeerküste führten. Es folgten auch Kabarett- und Chansons-Abende, gestaltet in Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin und Universitätsprofessorin Carmen Puchianu, dem Pianisten Paul Cristian und ihrem Sohn Michael.
Doch nun ist es soweit, im Jahre 1994 treffen wir erstmals auf das Vokal- und Instrumental- Ensemble „Canzonetta“. Seinen Beginn nahm es im privaten Blockflötenunterricht und der Musikfrüherziehung für Kinder aus der Grundschulklasse ihrer Tochter, einem kleinen Grüppchen von fünf Kindern in einem Sitzkreis im Acker’schen Wohnzimmer auf der Hirschergasse. Dieser kleine Sitzkreis begann jedoch bald zu wachsen und ehe man sich versieht, hat man es mit einem „Grüppchen“ von 40 Kindern aus einem einzigen Jahrgang zu tun und bald folgte auch der erste Auftritt. Der erste große Auftritt von Canzonetta war die Grundschulabschlussfeier ihrer Tochter Petra im Jahre 1997.
An dieser Stelle sei es mir erlaubt auf die Altblockflötenduette mit der Schweizerin Sonja Kunz und die Blockflötenabende mit Hermann Binder und dessen Familie hinzuweisen, da diese noch Auswirkungen auf das Schaffen von Inge Acker und Canzonetta haben werden.
Sonja Kunz initiierte eine Instrumentenspende aus der Schweiz für Canzonetta und auch der Dachboden der Honterus-Schule erwies sich als reicher Instrumentenspender für das Ensemble. Mit den neuen Instrumenten taten sich auch neue Möglichkeiten auf. Man hatte Bass- und Tenorflöten zur Verfügung und Quartette konnten einstudiert werden. Frau Acker begann ihre unermüdliche Arbeit Renaissance Musik kindgerecht umzuschreiben, so auch die Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur von niemand geringerem als Wolfgang Amadeus Mozart. Den meisten unter uns vermutlich als „Eine kleine Nachtmusik“ bekannt.
Hier die unzähligen Auftritte von Ingeborg Acker mit Canzonetta aufzuzählen würde den Rahmen einer Laudatio ein wenig überstrapazieren, deshalb sei es mir erlaubt, nur auf ein paar Höhepunkte hinzuweisen. So zum Beispiel die Konzertreisen nach Österreich, Deutschland und in die Schweiz, der Auftritt zusammen mit Peter Maffay bei einem parlamentarischen Abend in Berlin, als es darum ging den deutschen Bundestagsmitgliedern die Wichtigkeit der finanziellen Unterstützung des muttersprachlichen Deutschunterrichts in Rumänien näherzubringen, das Weihnachtskonzert in der Deutschen Botschaft in Bukarest und noch viele andere.
Doch damit nicht genug, das Ensemble kann auch mehrere Fernsehproduktionen und CD-Aufnahmen vorweisen, auf die hier nur noch am Rande hingewiesen werden soll. Doch besonders möchte ich auf das Live-Konzert im Studiosaal von Radio Neumarkt hinweisen.
Bei derartigen Leistungen muss man sich nicht wundern, wenn einem Preise verliehen werden. So erhielt Canzonetta im Jahre 2011 den „Siebenbürgischen Jugendpreis“, der vom „Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendverband in Deutschland“ gemeinsam mit „Studium Transylvanicum“ verliehen wird. Im Jahr 2012 ersang und erspielte man sich den 1. Preis des auf Landesebene ausgetragenen Wettbewerbs „Art Brasov Estival“. Und schließlich erhielten Inge Acker und Canzonetta im Jahr ihres 25-jährigen Bestehens den „Georg Dehio“-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums östliches Europa.
Man sieht, es fällt schwer Inge Acker und Canzonetta auseinander zu halten, oder gar zu trennen.
Doch nun zu einem anderen Aspekt der Arbeit von Inge Acker, denn Canzonetta war in den 25 Jahren seines Bestehens mehr als „nur“ Musik und Musikunterricht! Ich darf Dr. Adrian L²c²tu{ zitieren: „Canzonetta ist eine alternative Schule, eine parallele Schule, ein gelungenes Experiment, wenn man bedenkt, dass dieses sich seit 25 Jahren bewährt und somit das Alter einer ganzen Generation erreicht hat.“
Ingeborg Ackers Engagement und unermüdlicher Einsatz hat eine eingeschworene Gemeinschaft geschaffen, deren Wirken weit über Canzonetta hinaus sichtbar ist. Canzonetta ist für mich persönlich ein wunderbares Beispiel, für das was Möglich ist, wenn die Gemeinschaft – Kirche, Schule, Forum, Lehrer, Eltern, Kinder – gemeinsam an einem Strang zieht. Inge hat mit Canzonetta ein Biotop geschaffen, in dem den Kindern neben der Musik auch die Werte der Gemeinschaft vermittelt wurden, ihnen Selbstvertrauen gegeben wurde, ihnen Geduld und der Wert von harter Arbeit beigebracht wurde und aus dem sie bestens vorbereitet auf ihren weiteren Lebensweg geschickt wurden.
Nur eine Anekdote sei mir zum Schluss gestattet, und glauben sie mir, derer gäbe es viele. Aber ich bin ihnen noch eine Erklärung schuldig. Der Tiger den sie hier sehen, dient nicht etwa zur Beruhigung meiner eigenen Nerven. Er ist Teil einer solchen Anekdote. Stellen sie sich vor, sind sind ein kleines Mädchen, Mitglied von Canzonetta und haben einen Auftritt auf einer großen Bühne in Deutschland vor sich. Hinzu kommt, dass dieser Auftritt just an ihrem Geburtstag stattfindet. Der Auftritt ist vollbracht, sie stehen auf der Bühne, das Scheinwerferlicht blendet ihre Augen und plötzlich beginnt das ganze Publikum im Saal ihnen ein Geburtstagsständchen zu singen, angeregt von Inge Acker natürlich. Und dann wird ihnen dieser Tiger als Geburtstagsgeschenk überreicht. Ein unvergessliches Erlebnis im Leben eines jungen Menschen.
Und jetzt ganz zum Schluss erlaube ich mir noch die letzten Zeilen der anfangs zitierten Mail einer „Canzonettisten-Mutter“ vorzulesen:
„ … Am 31.Dezember wird er 18 Jahre alt und ich spüre, dass nicht nur ich dazu beigetragen habe, dass er heute das ist, was er ist, sondern auch Du. Ich glaube ruhig sagen zu können, dass wir ihn in gewisser Weise gemeinsam erzogen haben und ich möchte Dir für alles danken, was Du ihm während dieser Jahre geschenkt hast. Ich danke Dir, dass Du ihm die deutsche Sprache beigebracht hast, keine leichte Sprache, die wir zuhause nicht sprechen. Er konnte sie so von Dir lernen, dass er heute ein 10-ner Schüler in Deutsch ist – und das ist nicht alles! Ich danke Dir, dass Du ihm Höflichkeit und Disziplin beigebracht hast. Von Dir hat er gelernt, dass hinter jedem Erfolg viel Arbeit, Opferbereitschaft und Geduld stecken. Das wird ihm im Leben viel helfen. Ich danke Dir, dass Du ihm geholfen hast, seine Schüchternheit zu überwinden, Vertrauen in sich selbst und in seine Fähigkeiten zu erlangen. Ich danke Dir, dass Du ihm die Chance gegeben hat, an Ferienlagern und Reisen im In- und Ausland Teil zu nehmen. So hatte er die Gelegenheit, wahre Freundschaften zu schließen, vielleicht sogar lebenslange. Sicher gibt es noch viele, viele Sachen, für die ich dankbar bin. Ich persönlich danke Dir für die vielen, wunderbaren Konzerte, die mir große Freude bereitet haben, die meinem Leben einen Sinn gegeben und erwirkt haben, dass ich mich mit aktuellem Geschehen verbunden fühle.“
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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