Das Germanische Nationalmuseum von Nürnberg und Kronstadt (I)
25.02.10
Aus dem Briefwechsel mit den siebenbürgisch-sächsischen „Pflegern“/ Von Michael Kroner
Das Germanische Nationalmuseum (GNM) von Nürnberg wurde 1852 gegründet. Mit seinen 1,2 Millionen Objekten ist es ein Archiv der Geschichte und zugleich das größte kulturhistorische Museum Deutschlands. Die Ausstellungsfläche umfasst 25.000 Quadratmeter und dokumentiert die kulturgeschichtliche Entwicklung des deutschen Volkes von der Altsteinzeit bis zur Kunst und Kultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Bibliothek wiederum ist bestrebt, die gesamte Literatur zur deutschen Geschichte und Kultur zu sammeln. Die Bezeichnung „germanisch“ hat den Sinn von „gesamtdeutsch“, womit die Gründer das deutsche Volk in seiner Gesamtheit, also auch jene deutschen Stämme meinten, die außerhalb der damaligen deutschen Staaten, vor allem in der österreichischen Monarchie, dann aber auch in Russland und in Übersee lebten. Das Museum sollte demzufolge ein Werk aller deutschen Stämme, eine gesamtdeutsche Nationalanstalt und Stiftung sein. Der Museumsvorstand warb daher auch unter den Auslandsdeutschen um Mitglieder und Unterstützung. Diese Aufrufe fanden unter allen Auslandsdeutschen bei den Siebenbürger Sachsen den stärksten Widerhall, wobei Hermannstadt den Anfang machte.
In vorliegendem Beitrag soll kurz auf die Verbindungen Kronstadts zum GNM hingewiesen werden, wobei wir vor allem die Namen der Pfleger und Museumsmitglieder nennen wollen.
Bereits 1853 nahm der „Verein für siebenbürgische Landeskunde“ die Verbindung zum Nürnberger GNM auf, wurde dessen Mitglied, das er bis 1943 verblieb und gleichzeitig einen Schriftenaustausch vornahm. Erfreut erklärte der Gründer des Museums, Hans Freiherr von und zu Aufseß, im selben Jahr in einem Brief an Friedrich VII. von Dänemark, das GNM sei „schon in der Schweiz, ja bis zu den alten Sachsen in Siebenbürgen hinein sowie in Frankreich und in den Niederlanden“ auf Interesse gestoßen.
Nachdem 1856 Friedrich Schuler von Libloy in Hermannstadt eine Agentur des GNM gegründet hatte, initiierte er auch die Eröffnung solcher Agenturen in Kronstadt, Schäßburg, Mediasch und Bistritz und übernahm die Vertretung für ganz Siebenbürgen. Die Aufgabe der Agenturen (später nannten sie sich Pflegschaften) bestand darin, Mitglieder zu werben, deren Beiträge einzusammeln und dem Museum zu überweisen, Objekte für die Museumssammlung anzukaufen oder Spenden entgegen zu nehmen sowie die Sache des Museums zu vertreten und bekannt zu machen.
Das Archiv des GNM verwahrt den reichen Schriftwechsel mit den siebenbürgischen Pflegern. Während meiner zweijährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter des genannten Hauses hatte ich Gelegenheit, diesen Schriftwechsel einzusehen.
Die sächsischen Pfleger und Mitglieder des GNM betrachteten ihre Verbindung zur Nürnberger Institution als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volk und als Bekenntnis zur deutschen Kulturnation, von der man sich Unterstützung im Kampf zur Erhaltung des Deutschtums in Siebenbürgen versprach. Während Schuler in Hermannstadt 1859 mit 59 Mitgliedern einen Höhepunkt seiner Werbetätigkeit erreichte, wodurch Hermannstadt den achten Platz unter allen deutschen Städten einnahm, lief das Geschäft in Kronstadt sehr schwer an. Franz von Brennerberg, der 1857 die Kronstädter Agentur übernahm, meldete Ende des folgenden Jahre bloß 5 Mitglieder an – Franz von Brennerberg (Magistratsbeamter), Julius von Brennerberg (Rechtspraktikant), Joseph Dück (evangelischer Pfarrer), Samuel Schiel (Gymnasialdirektor), Georg Dück (Magistratsbeamter). Er gab seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass das „deutschnationale Streben“ der Nürnberger Anstalt, welches „sich für jeden Deutschfühlenden auch ohne Fürsprache selbst empfehle“, so wenig Anteilnahme gefunden habe. Auch 1868 waren es noch immer nur fünf Subskribenten. Daraufhin gab Brennerberg das Unterfangen auf und die Pflegschaft blieb bis 1871 vakant, als sie von Gymnasiallehrer Ludwig Korodi übernommen wurde. Korodi wurde wahrscheinlich während einer Deutschlandreise mit seiner Frau, die sie auch nach Nürnberg führte und wo sie Gast von Georg Karl Frommann, Bibliotheksvorstand des GNM, waren, angeworben. Daran knüpfte sich in den folgenden Jahren zwischen den Familien Frommann und Korodi eine innige Brieffreundschaft, von der sich eine reiche und interessante Korrespondenz erhalten hat.
Mit Korodi kam mehr Bewegung in die Werbeaktion für das GNM, obwohl auch er keinen spektakulären Anstieg erzielen konnte. Er schrieb 1871 an das Museum: „Viele Theilnehmer und hohe Beiträge konnte niemand in unserem Lande erwarten. Es liegt die Sache den Leuten zu fern und die Gegenleistung des Museums für die weniger idealistisch Gesinnten (das sind bei uns 999 Tausendstel) zu gering. Daß ich persönlich die Sache anders auffasse, glaube ich nicht versichern zu dürfen. Trotzdem habe ich die Subskriptionsliste mit bloß 5 Kreuzern ö.(sterreichischer) W.(ährung) eröffnet, weil ein höherer Beitrag die Leute abgeschreckt hätte und ich lieber mehr Teilnehmer, die jahrelang es bleiben, als wenige oder keine werben mochte.“ Dazu ist zu vermerken, dass es tatsächlich deutschnational gesinnter Personen bedurfte, denen die Verbindung zu einer Anstalt wie das GNM aus ideell-völkischen Überlegungen wichtig war, denn ein konkreter Nutzen war von einer Mitgliedschaft nicht zu erwarten. Ein solcher Kreis von Männern fand sich auch in Kronstadt.
(Fortsetzung folgt)
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