Das Kloster der Heiligen Corona und die Anfänge von Kronstadt (1203-1235)
09.09.10
Das verpasste 800-jährige Gründungsjubiläum von Kronstadt (I)
Es scheint eine Grundregel der Geschichte zu sein, dass da, wo es am spannendsten ist, der Mangel an verlässlichen Informationen am größten ist. Die größte Zuverlässigkeit in den Augen des Historikers haben die Urkunden. Solche fehlen für den mittelalterlichen Siedlungsbeginn von Kronstadt eine ganze Weile lang. Erst ab 1342 sind in den Urkunden auch Bürger von Corona nachgewiesen. Ab wann sich die Einwohner auf dem heutigen Stadtgebiet von Kronstadt rein rechtlich als Bürger bezeichnen konnten und wo sie zu dem Zeitpunkt wohnten – etwa in der so genannten Altstadt – muss erst einmal offen bleiben.
Für das Jahr 1235 wissen wir jedenfalls, dass der Prämonstratenserabt Friedericus von Hamborn die in der kumanischen Diözese befindlichen Ordensniederlassungen in Hermannstadt und Kronstadt aufgesucht hat. Wichtig für den Gesamtkontext ist hierbei, dass die lateinische Namensform „Corona“ verwendet wird, die Nennung vor der grundlegenden Zäsur erfolgte, die der Mongoleneinfall von 1241/42 für das gesamte Königreich Ungarn bedeutete, und, historiographisch, dass die Kenntnis um diese Erstnennung von Kronstadt verhältnismäßig jung ist. Karl Reinerth hatte 1966 darauf in der Zeitschrift für Kirchengeschichte hingewiesen. Wie den Korrespondenzen von Erich Jekelius, Gustav Treiber, Albert Eichhorn und Alfred Prox, also derjenigen Persönlichkeiten, die über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus das Burzenländer Sächsische Museum maßgeblich geprägt hatten, zu entnehmen ist, löste diese lateinischsprachige Neuigkeit große Erleichterung aus. Sie ist nur zu verstehen, wenn man sich die zunächst slawisch-sowjetischen und dann rumänisch-nationalkommunistischen historiographischen Ansprüche der Nachkriegszeit vergegenwärtigt. Siehe dazu die wegen mangelnder „political correctness“ nach nationalkommunistischem Verständnis gescheiterten öffentlichen Feierlichkeiten des Datums 1235 im Jahre 1985 (Gernot Nussbächer in der KR vom 11. Februar 2010). Ein besonders willfähriges Instrument historischer Ideologie ist traditionell die Archäologie gewesen. So ist etwa dem 1968 von Ioan Popa unternommenen Versuch, die keramischen Fundstücke auf dem Kronstädter Stadtgebiet einer zahlreichen rumänischen Bevölkerung für das 9.-12. Jahrhundert zuzuordnen, wenig Glauben zu schenken, da er eine andersethnische Zuordnung nicht einmal theoretisch in Betracht zieht (Cumidava 2/1968). Zuverlässige archäologische Grabungen, die sich sine ira et studio der Aufklärung der Siedlungsgeschichte von Kronstadt verschrieben haben, sind seit den Zeiten des Burzenländer Sächsischen Museums nicht mehr unternommen worden. Das Fehlen dieses historischen Hilfsmittels macht sich auch bei dem Versuch der Klärung der mittelalterlichen Siedlungsgeschichte von Kronstadt schmerzhaft bemerkbar.
Erschwerend kommt ferner hinzu, dass es sich bei der Erwähnung von 1235 lediglich um eine Nennung in einem Visitationsbericht handelt. Wir haben es also nicht mit einer klassischen Urkunde zu tun, aus der über die meist anzutreffende Vorgeschichte eines zumeist rechtlichen Problems, über die Art der Problemregelung bis hin zur Zeugenreihe mit ihren aussagekräftigen Ämtern sehr viel mehr an Information gezogen werden kann, als es aus jener simplen Nennung von 1235 möglich ist. Aus der Urkunde von 1342, die im Archiv der Honterusgemeinde aufbewahrt wird, können wir etwa bereits entnehmen, dass es einen judex von Corona gibt, also einen Kronstädter Stadtrichter, der zugleich, cives, also Bürger der Stadt ist.
Ein Blick in die umfangreiche Kronstädter Chronistik zeigt, dass es hierin eine verblüffende Einigkeit bezüglich des Gründungsdatums von Kronstadt mit dem Jahr 1203 gibt. Die kurze Episode des Deutschen Ordens im Burzenland (1211-1225) war übrigens vor Ort im Kronstädter historischen Bewusstsein bis in die Aufklärungszeit, also für die Zeitspanne von über einem halben Jahrtausend in totale Vergessenheit geraten! Dies lässt aufhorchen, da in Kronstadt ein vergleichsweise stärkeres historisches Bewusstsein anzutreffen war und ist als anderenorts in Siebenbürgen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts drängte der Deutsche Orden dafür aufgrund seiner hohen Tauglichkeit für das zunehmend deutsch-nationale Bewusstsein der Siebenbürger Sachsen in den Vordergrund der örtlichen historischen Identität, was bis tief ins 20. Jahrhundert nachwirkte. Zuletzt versuchte Gernot Nussbächer chronistische Überlieferung und Ordensberufung in Einklang zu bringen, indem er 1213 als Gründungsdatum der Stadt durch den Orden vorschlug und die Jahresangabe 1203 als einen Kopistenfehler einzustufen suchte (Aus Urkunden und Chroniken Bd. 1, 1981).
Was an archäologischen Arbeiten für die Gründungszeit von Kronstadt fehlt, liegt dank Radu Popa und Adrian Ioni]² für Marienburg bereits vor. Die Bestattungsart und die Münzfunde in den Gräbern sind klare Indizien dafür, dass mit westlichen Siedlern im Burzenland mehrere Jahrzehnte vor Berufung des Deutschen Ordens gerechnet werden muss (Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde (ZfSL) 19/1996; Marienburg, Bukarest 2004). Wieso sollten diese nicht auch auf dem Stadtgebiet des heutigen Kronstadts anzutreffen sein?
Der Orden der Prämonstratenser gleicht in vielen Punkten der Ausrichtung der Zisterzienser, was nicht zuletzt auch das Aufgehen des ersteren in letzterem um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Siebenbürgen erklärt. Beide Orden gelten als stille Begleiter des großräumigen Phänomens der Deutschen Ostsiedlung, die den gesamten mittelosteuropäischen Raum umfasste und in deren Rahmen Siebenbürgen den südöstlichsten Ausläufer bildete. Trotz der geringen urkundlichen Spuren, die auf das Wirken der Orden in dieser Phase hinweisen, konnte ihr Einfluss beträchtlich sein. In diesen Kontext gehört auch die Tatsache, dass der Deutsche Orden nicht nur ein Bund von Rittern war, sondern sich desgleichen als geistiger Orden verstand. Es bestand aber ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen dem Deutschen Orden und jenem der Prämonstratenser. Während letztere durch das Beispiel eines christlichen Lebens friedlich ins Umfeld zu wirken suchten, waren die Ritter, allein schon zur Befriedigung ihres kriegerischen Standesbewusstseins auf Schwertmission aus, was im Falle der Kumanen auch urkundlich nachgewiesen ist. Der Niedergang der Prämonstratenser in Siebenbürgen zur Mitte des 13. Jahrhunderts hin und die grundlegende Andersartigkeit gegenüber dem Deutschen Orden machen es äußerst unwahrscheinlich, dass die Prämonstratenser erst in der Zeitspanne 1211-1235 nach Kronstadt gelangten. Zudem war Konkurrenz in geistlicher Hinsicht nicht das, was der Deutsche Orden in seinem Territorium zu fördern suchte. In der Zusammenschau dieser Eckpunkte erscheint der Zeitpunkt des Eintreffens der Prämonstratenser in Kronstadt um das Jahr 1200 als am wahrscheinlichsten. Wie Harald Roth nachweisen konnte, ist in dieser Zeit der seltene Kult der Hl. Corona im Raum Aachen anzutreffen. Reinerth weist bereits darauf hin, dass es in der Aachener Gegend um 1200 zu Aufhebungen von Doppelklöstern bei den Prämonstratensern kam, was meist auf die Vertreibung der Nonnen hinaus lief – wir sehen darin einen Hinweis auf die regionale Herkunft der ersten Kronstädter. Der Chronik, die lapidar festhält, „1203 wird Kronstadt erbauet“, ist somit eine hohe Treffsicherheit bezüglich des Gründungsdatums der Stadt beizumessen.
Für uns wie den Leser dieser Zeilen mag es eine Enttäuschung sein, nun feststellen zu müssen, dass Kronstadt bereits vor sieben Jahren seinen 800sten Geburtstag hätte feiern können. Es lässt sich nun jedoch nichts mehr daran ändern, dass erst die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ersterwähnung von 1235 zur Erhärtung des Datums 1203 als Gründungszeitpunkt von Corona geführt hat.
Überhaupt geben die Urkunden, die um die Anwesenheit des Deutschen Ordens im Burzenland entstanden sind, herzlich wenig zur Siedlungsgeschichte der Region her. Sie beleuchten vielmehr das spannungsreiche Verhältnis des Ordens zum katholischen Bischof von Siebenbürgen und dem König von Ungarn. Mit Hilfe des Papstes sollte eine möglichst selbständige bis unabhängige Position errungen werden, da sich aufgrund der Existenz eines lateinischen Kaiserreiches in Konstantinopel seit dem Vierten Kreuzzug 1204 die einmalige Chance zur westkirchlichen Vereinnahmung der gesamten Balkanhalbinsel bot.
Thomas Sindilariu
(Fortsetzung folgt)
Der Hl. Norbert (1082-1134), Gründer des Prämonstratenserordens, auch Norbertiner genannt. Darstellung aus der Norbertsvita (um 1140): Der Hl. Augustinus überreicht Norbert seine Ordensregel
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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