Das Kloster der Heiligen Corona und die Anfänge von Kronstadt (1203-1235)
16.09.10
Die Klosteranlage der Prämonstratenser in der Inneren Stadt (II)
Endlos lang kann das Warten auf den ersten Sonnenstrahl an einem heiteren, dafür aber klirrend kalten Januarvormittag in der Inneren Stadt von Kronstadt sein. Auf dem gesamten heutigen Stadtgebiet gibt es eigentlich nur klimatisch angenehmere Orte, an denen man sich ansiedeln möchte als die Innere Stadt, also als den Bereich des Tales, der am längsten im Schatten der Zinne steht – selbst die Obere Vorstadt ist sonniger!
Während sich die Konzentration des städtischen Lebens auf die heutige Innere Stadt im Kontext der Türkengefahr und Stadtbefestigung im 15. Jahrhundert recht gut rekonstruieren lässt, sind wir geneigt im Entstehen mehrerer Siedlungskerne auf dem Stadtgebiet von Kronstadt im frühen 13. Jahrhundert eine indirekte Folge der Anwesenheit der Prämonstratenser zu erkennen.
Doch wie lässt sich der Ort lokalisieren, an dem sich das Kloster der Prämonstratenser Nonnen auf dem Kronstädter Stadtgebiet befand? Bereits Alfred Prox hat teils in Zusammenarbeit mit Arnold Huttmann vor genau einem Viertel Jahrhundert nachgewiesen, dass die Ostung der sächsischen Kirchen im Burzenland keine zufällige ist (ZfSL 8-9/1985-86). Lediglich zwei der mittelalterlichen Burzenländer Kirchen sind mit ihrer Längsachse nach der Grundregel zur Orientierung von Kirchenbauten auf den Aequinoktialpunkt ausgerichtet, also auf jenen Punkt am Horizont, an dem die Sonne zur Tag- und Nachtgleiche im 13. Jahrhundert aufging. Für den Großteil, 9 Stück, konnte Prox feststellen, dass sie auf die Stelle am Horizont orientiert waren, an der am Tage des Kirchenpatrons in der Gründungszeit die Sonne aufging. Für die Schwarze Kirche beziehungsweise ihre gleichorientierten Vorgängerbauten ist das der Tag der Heiligen Corona (14. Mai) mit einer Abweichung von weniger als 2°!
Der Kronstädter Stadtingenieur der Zeitspanne 1906-1940 und Siedlungsforscher, Gustav Treiber, hatte die Erwähnung von 1235 nicht rechtzeitig kennen gelernt, um sie in seine Überlegungen zur Kronstädter Siedlungsgeschichte einzubauen. Für die Entschlüsselung der urkundenarmen Frühzeit von Kronstadt war er mit Nachdruck für die Heranziehung des Stadtplanes als „Urkunde“ eingetreten. Grundüberlegung ist hierbei, dass die räumliche Aufteilung der verschiedenen städtischen Funktionen und das Parzellengefüge kein zufälliges ist und über lange Zeiträume unverändert bleibt. Daraus lassen sich die Entwicklungsetappen einer Stadt ablesen. Gernot Nussbächer hat wohl ausgehend vom Zusammentreffen am nicht ausgeführten Nordturm der Schwarzen Kirche der Achsen, die von der Purzengasse und der Klostergasse ausgemacht werden, hier den Nullpunkt von Corona ausgemacht und sternförmig ausgebaut (KR vom 18. März 2006). Wir können ihm nur bis zum festgestellten Zusammentreffen von Purzengasse und Klostergasse im Bereich des heutigen Rossmarktes folgen. Der Verlauf der Straßen in diesem Bereich wird von einem Viereck bestimmt, das heute die folgenden Straßen umfasst: Rossmarkt, Breiter Bach, Waisenhausgasse, Schulgässchen und auf der Nordseite der Schwarzen Kirche endet. Innerhalb dieses Areals befand sich die Klosteranlage, die auf der Südseite der ersten Kirche zu finden ist. Um das beschriebene Viereck herum, mussten die Wege angelegt werden, selbst wenn sie zunächst nur Trampelpfade waren.
Im Kontext der Etablierung Kronstadts als Stadt im 14. Jahrhundert ist die Zurückdrängung der klösterlichen Anlagen beziehungsweise das Auftauchen von Kronstädter Plebanen (Stadtpfarrern) ab 1336 zu sehen, was den Beginn der Inneren Stadt als eigenständige Pfarrgemeinde markiert. Lediglich im Bereich des heutigen C-Gebäudes der Honterusschule und des alten Alumnats der Schule in der Gegend des Breiten Bachs ist in den Quellen ab 1388 von einer Katharinen-Kapelle und dem Katharinenhof, wo steuerpflichtige Laienschwestern, sogenannte Beginen, wohnten, die Rede, die zudem unter der Aufsicht der Zisterzienser standen. Die verhältnismäßig gute dokumentarische Lage zu diesem Segment des klösterlichen Bereichs führte, seitdem sich Paul Binder in der Zeitschrift Cumidava 1969 eingehender mit der Ersterwähnung von Corona 1235 auseinandergesetzt hatte, dazu im Beginenhof, also dem Katharinenhof mit zugehöriger Kapelle, die eigentliche Klosteranlage der Prämonstratenser zu erkennen. Dieser Interpretationsrichtung unterläuft die Tatsache, dass ein Beginenhof strukturell gesehen ein vorgelagerter Anbau eines Klosters ist. Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis auf die Zisterzienser, die nach dem Mongolensturm von 1241/42 im gesamten Burzenland das Erbe der Prämonstratenser angetreten haben dürften.
Der Vorgängerbau der Schwarzen Kirche, der bei Ausgrabungen im Inneren der Kirche 1937 nachgewiesen werden konnte, ist als die alte Klosterkirche der heiligen Corona oder als ein Nachfolgebau, der bereits der Hl. Maria geweiht war, einzuordnen. Freilich wären hierzu, wie Agnes Bálint jüngst beklagt hat (Ars Transilvaniae, 29/2009), umfassendere archäologische Zeugnisse wünschenswert. Die Platzierung der prämonstratensischen Klosteranlage lässt sich jedoch auch unabhängig davon aufgrund der ostungsgestützten Identifizierung der Klosterkirche in der westlichen Hälfte der Gesamtanlage der Schwarzen Kirche sowie dem Straßenverlauf auf der Südseite der Kirche rekonstruieren. Zur Veranschaulichung haben wir das klösterliche Areal durch ein fett gezeichnetes Viereck um eine verkleinert dargestellte Schwarze Kirche im Stadtplan von Gustav Treiber, der den Entwicklungsverlauf der Stadt bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wiedergibt, festgehalten. Wenn man in die Betrachtung die Gewohnheiten beim Klosterbau mit einbezieht, so wird zunächst klar, dass im eingezeichneten Viereck auch unbebaute Flächen, etwa Gärten anzutreffen waren, etwa in dem Quadrat, wo später Honterus die Schulbibliothek errichtete. Ferner sind Kreuzgang, Refektorium, die Wohnzellen der Nonnen sowie die wirtschaftlichen Gebäude im Bereich zwischen Kirche und heutigem Stadtpfarrhaus unter Einschluss des letzteren und mit einer westlichen Ausdehnung unter möglicher Einbeziehung des B-Gebäudes der Honterusschule zu verorten. Archäologische Grabungen in diesem Bereich des Kirchhofes sowie die baugeschichtliche Untersuchung des Stadtpfarrhauses stellen das größte Desiderat hinsichtlich der Frühgeschichte von Kronstadt dar. Die Verwendung von rotem Sandstein bei Türstöcken im alten Erd- und Kellergeschoß des Stadtpfarrhauses weisen auf das hohe Alter von Teilen der Immobilie hin. In diesen Kontext gehört auch die Tatsache, dass bei Leitungsverlegungsarbeiten der Firma „Electrica“ im Jahre 2006 etwa auf halber Entfernung zwischen A-Gebäude und Chor der Schwarzen Kirche ein Mauerfundament zu sehen war, das senkrecht auf den Chor zuzulaufen schien – möglicherweise die nördliche Mauer des Klosterbereiches?
Für die Ortswahl des Klosters sind zwei Faktoren als entscheidend einzustufen: Abgeschiedenheit und die Regulierbarkeit des Wasserlaufes im Zinnental.
Trotz ihres Engagements in Pfarrgemeinden waren die Prämonstratenser kontemplativ ausgerichtet. Daher suchten sie zwar die Nähe, aber nicht die Zugehörigkeit zu Siedlungen. Die Langgasse gibt den Verlauf einer alten Straße wieder, die auf der Höhe des heutigen Stadtparks nach Osten abbog. Ihre Nähe mied das Kloster ebenso wie die einer möglicherweise noch bestehenden Siedlung in der heutigen Oberen Vorstadt, die auf eine noch archäologisch zu belegende Burg auf dem Berg Goritza hin orientiert war. Ebenso für die Zeit bis zum 12. Jahrhundert ist als Burgstandort der archäologisch desgleichen noch nicht dokumentierte jedoch aus toponymastischer Sicht als Burg-Wort gebotene Rattenberg in Betracht zu ziehen. Beide Bergkuppen liegen aufeinanderfolgend westlich des Zinnensattels. Der Stadtplan von Kronstadt aus dem Jahr 1874 weist zudem auf dem Rattenberg eine Ortsbezeichnung „Bei den vier Brünnchen“ aus.
(Fortsetzung folgt)
Thomas Sindilariu
Foto: Kronstadt um 1650, nach Gustav Treiber, fett eingezeichnet - das Klosterareal.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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