Der Geschmack der Kindheit
30.12.21
Zu: „Am Herd meiner Oma. Familienrezepte aus Siebenbürgen“ von Rainer Klutsch
Der INSPIRATIO-Souvenirladen gegenüber der Schwarzen Kirche ist die beste Adresse, wenn man auf der Suche nach einem Geschenk ist, das sowohl dem Käufer als auch dem Empfänger Freude bereitet. Es ist fast unmöglich, dass man den Laden mit leeren Händen verlässt. Die wohl begehrteste Neuerscheinung in der Vorweihnachtszeit war ein großes Kochbuch mit wunderschönen Fotografien.
Es heißt „Am Herd meiner Oma. Familienrezepte aus Siebenbürgen“ und ist vor Kurzem im ars vivendi-Verlag erschienen. Autor ist der in Stuttgart lebende Rainer Klutsch, dessen Familie aus Weidenbach stammt. Hier hat seine Großmutter Edith
bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland im Jahr 1971 gelebt. In Leonberg bei Stuttgart hat sie ein neues Leben angefangen und ihre Enkel großgezogen.Das Wichtigste, was sie aus Siebenbürgen mitgenommen hatte, war ihre Familie. Von ihr hat der Enkel Rainer die Leidenschaft fürs Kochen geerbt. Sie wusste, das Kleine und Einfache zu schätzen. Von dieser Perspektive wird auch heute der Kochstil von Rainer Klutsch geprägt.
Wenige, aber hochwertige Zutaten
Klutsch, geboren 1972, lebt als Lifestyle- und Entertainment-Koch in Stuttgart. Dem Publikum aus Deutschland ist er durch seine Auftritte in den Fernseh-Formaten „ARD-Buffet“, „Kaffee oder Tee“ (SWR) und „The Taste“ (SAT 1) bekannt. In Stuttgart betreibt er „kitchen on fire“, ein Catering-Unternehmen, das Kochkurse, Großveranstaltungen und Schnitzel-Abende anbietet. Er war Inhaber eines Restaurants im Zentrum Stuttgarts, das leider wegen der Pandemie schließen musste. Wer glaubt, dass man in seinem ersten Kochbuch raffinierte und ausgefallene Rezepte findet, liegt falsch. „Das Wort „exotisch“ kannte meine Oma gar nicht. Trotzdem aber gerade deswegen kochte sie mit wenigen, aber hochwertigen Zutaten die besten Gerichte. Sie verfolgte schon damals das, was man heute unter Slow Food und nachhaltigem Konsum versteht: nichts wegwerfen, Reste verwerten und aus dem schöpfen, was einem vor Ort und saisonal zur Verfügung steht. (…) Oma Edith, die 2019 mit 97 Jahren gestorben ist, kochte mit Liebe und viel Zeit – es hätte sie sicher gefreut, wenn sie ihre Grundsätze mit diesem Kochbuch verewigt gesehen hätte.“
Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Die Großmutter von Klutsch hat „saisonal und regional“ gekocht. Also besteht das Kochbuch aus vier Teilen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. „Im Sommer wurde auf das zugegriffen, was Felder, Gemüsebeete, Obstbäume und- sträucher im Garten an Köstlichkeiten hervorbrachten, im Winter spielte die Speisekammer mit eingelegten und lagerfähigen Lebensmitteln eine große Rolle“. In der Einleitung erklärt Klutsch, dass in den Speisekammern der Siebenbürger Sachsen das ganze Jahr über Eingelegtes und Wurzelgemüse gelagert wurde und stellt die Zutaten vor, die die Essenz der Siebenbürger Küche darstellen: Knoblauch, Zwiebeln, Bauchspeck, Schweineschmalz, Sauerkraut, eingelegtes Gemüse, eingelegtes Obst, Kartoffeln, Marmeladen, Kompotte, Mehl und Eier.
Im Frühling verarbeitete man die Reste der Vorratshaltung aus dem Winter mit den wenigen frischen Zutaten die man bereits im Garten ernten konnte. Im Kapitel, das dieser Jahreszeit gewidmet ist, findet man unter anderen die Rezepte für Lauchcremesuppe, Brennesselsalat mit Spiegelei und Salzkartoffeln, Langos mit Gurkenquark oder Baumstriezel, die man mit Hilfe von leeren Getränkedosen herstellen kann. Im Kapitel „Sommer“ liest man über die siebenbürgisch-sächsische Hochzeitsbräuche und erfährt mehr über Vinete-Salat, Mitsch (Mititei), Zwetschgenknödel oder Hanklich. Der Herbst kommt mit geschmortem Essig-Kürbis, Kümmelsuppe, Paprikagulasch und Klausenburger Kraut und für den Winter gibt es Rezepte für Krautwickel, Fleckenfleisch mit Palukes oder Buchteln.
Rezepte und Geschichten
„Am Herd meiner Oma“ kauft man gerne als Geschenk, aber auch für sich selbst. Das Besondere an diesem Buch sind nicht nur die köstlichen Rezepte, die hier vorgestellt werden, sondern auch die Tatsache, dass fast jedes Rezept von einer Geschichte begleitet wird. „Wenn es ein Gericht gab, bei dem Gier, Hast und Konkurrenzdenken am familiären Esstisch vorherrschten, dann waren es die Klettiten. Es gab jedes Mal unter uns Brüdern ein Wettessen, wer am meisten schaffte- was natürlich weit über unseren Hunger hinausging. Meine Mutter schaute jedes Mal fassungslos zu und schüttelte den Kopf“.
Auch gibt es zwischen den Rezepten Informationen zu der Geschichte der Siebenbürger Sachsen und auch zur eigenen Familiengeschichte von Klutsch. Ebenfalls findet man neben aktuellen Fotografien mit Landschaften aus Siebenbürgen und mit den Gerichten auch alte schwarz-weiße Familienfotos: die Familie im Garten aus Weidenbach beim Baumstriezelbacken, Leute auf einem Ball, Kinder beim Spielen. Die andere Besonderheit ist: beim Durchblättern der Rezepte steigt manchmal ein wunderbarer Geruch auf. Es ist der Geruch der Mahlzeiten aus der Kindheit.
Am Herd meiner Oma -Familienrezepte aus Siebenbürgen
Rezepte: Rainer Klutsch
Fotos: Stephanie Trenz
Text und Konzept: Denise Maurer
240 Seiten, Hardcover
150 Lei (im Inspiratio-Laden)/ 26 Euro (D) / 26,90 (A)
ISBN 978-3-7472-0247-0
arsvivendi.com/Am-Herd-meiner-Oma
Elise Wilk
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