Der in die Honterusgemeinde heimgekehrte Kelch
28.01.10
Ein Beispiel für die hervorragende Kronstädter Goldschmiedekunst/ von Erwin Hellmann
Ältere Mitglieder unserer Kirchengemeinden werden sich mit Trauer erinnern, dass am 26.03.1971 die historisch und künstlerisch wertvollsten Goldschmiedearbeiten, Kelche, Abendmahlskannen und anderes mehr, aus dem Besitz unserer Kirchengemeinden von dem Kunstmuseum der Sozialistischen Republik Rumänien eingezogen wurden. Es war keine Enteignung, die Eigentümer hatten aber keinen Zugriff mehr auf ihren Besitz. Zur Begründung dieser Aktion diente der Vorwand, es solle ein zentrales Museum für Goldschmiedearbeiten errichtet werden. In Klammer sei vermerkt, dass die Einrichtung dieses Museums nie in Angriff genommen worden ist, es hat, wenn man die Zeitumstände in Betracht zieht, wahrscheinlich auch nie die Absicht dazu bestanden. Es war nur eine Tarnung, um sich in den Besitz dieser wertvollen Gegenstände zu setzten.
Sofort nach der politischen Wende von 1989 hat sich die Honterusgemeinde und der Kirchenbezirk Kronstadt intensiv um die Rückgabe dieser Gegenstände bemühte. Trotz aller Interventionen bei drei Kulturministern (Spiess, Theodorescu, Caramitru) gab es nur leere Versprechungen. Erst am 25.11.2008 gelang es, die Vasa Sacra der Honterusgemeinde aus Bukarest zurückzuholen. Es handelt sich dabei um folgende Gegenstände: Eine wertvolle Abendmahlskanne, einen reich verzierten Kelch, zwei Oblatendosen und drei Siegel.
Wir wollen den erwähnten Kelch näher betrachten, er ist ein sehr schönes Beispiel für die hoch entwickelte sächsische Goldschmiedekunst in Siebenbürgen und speziell in Kronstadt.
Der Stilform nach gehört er der späten Gotik an, wie die schlanke Form der Cupa und die reichen Verzierungen bezeugen. Der Kelch setzt sich aus der Cupa, dem sie haltenden Körbchen und dem Fuß zusammen. Die Cupa ist ein glattes, silbernes, feuervergoldetes Gefäß. Das Körbchen besteht aus gegossenen, getriebenen und filigranen Elementen die zusammengelötet und im Feuer vergoldet sind. Der Fuß setzt sich aus einem sechseckigen prismatischem Zwischenstück, dem reich verzierten Nodus, noch einem, dem obigen gleichen Zwischenstück und dem eigentlichen Fuß zusammen. Dieser ist sechsseitig und führt in schön geschwungener Linie zu der Standplatte über. Auch diese Teile sind reich verziert und vergoldet. Körbchen, Nodus und Standplatte sind noch durch kunstvoll gefasste Halbedelsteine geschmückt.
An diesem Kelch kann man die gesamte Technik der Goldschmiedekunst bewundern: Treibarbeit, das heißt aus einem dünnen Material (Blech) mit Hammer und Punzen (verschiedenartigen Stempeln) geformte Teile, Gussarbeit, Filigranarbeit (dünne Drähte, die mit perlenartigen Körnern besetzt sind), Löten, Vergolden und Fassen der (Halb)Edelsteine.
Es ist uns Heutigen kaum vorstellbar, welch aufwändige Arbeiten das waren. Um ein solches Stück herzustellen wurde viel Zeit, Geduld und Geschicklichkeit gebraucht. Dazu kam die Gefahr, das teure Material zu verderben, vor allem bei dem Vergolden, das im Feuer geschah, war höchste Aufmerksamkeit gefordert, denn es war praktisch unmöglich das Gold von einer fehlerhaften Vergoldung zurückzugewinnen.
Betrachten wir nun die einzelnen Teile des Kelches genauer.
Zu der Cupa ist wenig zu sagen, sie wirkt durch ihre edle Form und besitzt keinerlei Schmuck.
Dafür ist das Körbchen um so reicher gestaltet. Es ist in durchbrochener Arbeit, Filigran mit Gussteilen und getriebenen Teilen verbunden, gestaltet. Der obere Rand ist ein glatter, runder Reif, auf dem gegossene Teile mit lilienförmigen Verzierungen angebracht sind. Darunter ist ein aus mehreren Drähten zusammengedrehtes Filigran, an das sich reich verzierte florale Gebilde anschließen. Sechs aus ähnlichem Filigran bestehende Begrenzungen teilen das Körbchen in sechs Felder. Drei der Felder enthalten eine Kreuzigungsszene. In die floralen Motive der übrigen drei Felder sind kleine Figuren und Köpfe eingearbeitet. In vier Reihen sind verschieden große, verschiedenfarbige runde und quadratische Halbedelsteine angebracht.
Das Körbchen ruht auf einem sechseckigen, prismatischen Zwischenstück, das mit Gravuren verziert ist. Symmetrisch dazu ist unterhalb des Nodus noch einmal ein Zwischenstück angeordnet.
Der Nodus ist von abgerundeter sechsseitiger Form, mit reichen floralen Verzierungen und mit achteckigen, quadratischen und runden Halbedelsteinen besetzt.
Der Fuß ist wieder sehr reich geschmückt, unterhalb des Zwischenstückes befinden sich auf den sechs Seiten Heiligenfiguren. Auch hier sind die Kanten mit Filigran hervorgehoben. Das Filigran begrenzt auch den Übergang zur Standplatte, die wieder aus durchbrochenen floralen Motiven zusammengesetzt ist, mit quadratischen Halbedelsteinen besetzt. In den floralen Motiven erkennt man Fantasiegestalten, Köpfe und Grotesken.
Dieser Kelch ist nur ein Beispiel welche Werte sich seiner Zeit in unsern Kirchengemeinden befunden haben. Kühlbrandt berichtet, dass am 10.November 1544 ein Inventar des Kirchenschatzes in Gegenwart des Stadtrichters Fuchs, der Stadtpfarrers Johannes Honterus und aller Ratsherrn aufgenommen wurde. In diesem Inventar erscheinen unter anderem 32 (!) Kelche und Patenen, mehrere Kruzifixe, Monstranzen, Leuchter, Rauchfässer und anderes Gerät, dazu noch Votivgaben in Form von Standbildern und Händen usw. Dieser Schatz wog 387½ Mark. Leider wird nicht angegeben ob es sich dabei um die Kölnische oder Wiener Mark handelte (WM 281 g; CM 234 g). Wenn wir, was nahe liegt, die Wiener Mark annehmen, dann wog der Kirchenschatz der „Marienkirche“ in Kronstadt rund 109 kg. Silber. Das war ein bedeutender Wert.
Die von dem Rat übernommenen Wertgegenstände wurden im Rathaus deponiert und wenn die Stadt „protokollarische Verpflichtungen“, (heute nennt man so etwas weniger schön Bestechung), nachkommen musste, um bei Hof und hohen Würdenträgern ihre Anliegen zu vertreten, wurden entsprechende Gegenstände zusammen mit wertvollen Teppichen verschenkt. (Wir erinnern: Kronstadt unterhielt in Ofen ein Lager mit Teppichen und Goldschmiedearbeiten, um sie bei Bedarf an die richtige Stelle bei der Hand zu haben). Es wurden sowohl vorrätige Gegenstände, vor allem Kelche und Kannen verschenkt, als auch aus dem Material der eingeschmolzenen, nicht als Geschenk geeigneten, neue hergestellt.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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