Die Architekten Albert Schuller und Günther Schuller, Vater und Sohn (I)
23.12.22
Abert Schuller, Architekt, 1877-1948, ein Leben im Dienste der Gemeinschaft
Eine der markantesten Persönlichkeiten der sächsischen Bevölkerung des alten Kronstadt war Albert Schuller. Sein Wirken in der Heimatstadt deckt sich fast genau mit den Grenzen der ersten Jahrhunderthälfte.
Im Jahre 1903 kehrt er vom Studium in die Heimat zurück. Mit seinen hervorragenden Prüfungsergebnissen an der Baugewerbefachschule in Budapest und an der Technischen Hochschule in München hätte er draußen, in der weiten Welt, eine viel einträglichere berufliche Tätigkeit entfalten können, als in der Stadt an der damaligen Landesgrenze am Karpatensaum.
Er starb am 27. Oktober 1948. Der Abend eines hellen, unter glücklicher Entfaltung reicher geistiger und künstlerischer Fähigkeiten vollgelebten Daseins, war getrübt durch die Auswüchse der dreißiger Jahre, durch den Verlust eines Sohnes und den schweren Arbeitsunfall eines anderen Sohnes, beides Folgen des Krieges.
Im öffentlichen Leben seiner Vaterstadt spielte Albert Schuller Jahrzehnte hindurch eine führende Rolle. Er gehörte zu den nicht allzu häufigen Menschen, denen mit großer geistiger Begabung auch eine gesunde Vitalität geschenkt wurde. Lebenswille und gesunder Optimismus spiegeln sich in der großen Familie, mit der er sich umgab. Fünf Söhne und zwei Töchter waren ihm geschenkt, zu einer Zeit, als man vor allem bei den sächsischen Intellektuellen längst zum Zweikindersystem übergegangen war.
In wichtigen öffentlichen Angelegenheiten war sehr oft er es, der mit klarem Kopf und sicherer Hand aus dem zweiten Glied die Entscheidungen herbeiführte. Das hohe Verantwortungsbewusstsein für die Gesamtheit, das seiner Generation noch weitgehend eigen war, zeichnet ihn im besonderen Maße aus. Im persönlichen Verkehr und froher Tafelrunde war er ein ideenreicher, oft humorvoll anregender Gesellschafter, souverän in seiner Loyalität. Stets war er mit Erfolg bestrebt, das geistige Niveau der Aussprache zu heben und nicht in die Trivialität des Alltags sinken zu lassen.
Die Maler Friedrich Mieß, Arthur Coulin, Hans Eder, Fritz Kimm, der Schriftsteller Erwin Wittstock oder der Komponist und Dirigent Paul Richter suchten in diesem Kreis Anregung, fanden freundschaftliche Aufnahme und Förderung.
In der Zeit um die Jahrhundertwende bemühte sich eine Reihe von jungen Männern, in die stickige Provinzatmosphäre des siebenbürgisch-deutschen Bürgertums einen frischen Zug zu bringen. Allen voran Adolf Meschendörfer. Rückständigkeiten von Jahren und Jahrzehnten mussten aufgeholt werden. Bemerkenswert aber ist, dass das gerade für die Baukunst zunächst nicht zutraf.
Die erste Phase der Baukunst des neuen Jahrhunderts erscheint als Jugendstil: Betonung der stark stilisierten pflanzlichen und abstrakten Ornamente kennzeichnen ihn. Schon im ersten Jahrzehnt aber wenden sich die bedeutendsten Vertreter des Jugendstils von ihm ab und werden Wortführer einer neuen Sachlichkeit im Bauen und Gestalten.
Im südlichen Siebenbürgen war Albert Schuller der Bahnbrecher der neuen fortschrittlichen Baugesinnung. Sein künstlerischer Geschmack und sein Fachwissen sind auf der Höhe der Zeit. In seinen früheren Bauten, z.B. dem Hause in der Katharinengasse / str. C-tin Brâncoveanu 25, im Gebäude der Burzenländer Bank, Purzengasse und dem Hotel Krone, sind Elemente des Jugendstils deutlich erkennbar. Schon früh ordnet sich aber bei Schuller das Dekorative dem Konstruktiven unter. Der Baukörper erhält durch gutausgewogene Gliederung und durch die Linie und Form der Dächer lebendige Bewegtheit. Stets wird die örtliche Tradition und die Umgebung im Auge behalten.
Mit dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Jugendstil überholt. Das Zeitalter der funktionsgerechten Architektur des XX. Jahrhunderts hatte begonnen. Sie lehnte jede Anknüpfung an historische Stile ab und bevorzugte klare, kubische Formen mit großen Fensterfronten.
Schuller geht mit der Zeit, ohne seine eigene Art je zu verleugnen. Er baut am Ende der zwanziger Jahre auch moderne Industrieanlagen, darunter bei glücklicher Ausgewogenheit der Baukörper die Werkanlage der Firma Nivea. Er erfüllt die schwierige Aufgabe, einen modernen Kindergarten zwischen zwei historische Stadttore zu stellen. Auch das heute in ganz Europa so aktuelle Problem der Sanierung und Modernisierung von Altstadthäusern findet bei Schuller vorbildliche Lösungen (Treppenanlage und Wintergarten im Hause Waisenhausgasse / str. Poarta Schei nr.25). Mit dem seinerzeit so glücklich gelösten Problem des Hotelbaues neuerlich konfrontiert, gestaltet er mit feinem Einfühlungsvermögen das Höhenheim in der Schulerau in die umgebende Natur. Er bereichert schließlich das Baubild unserer Stadt, angeregt durch die gleichen klimatischen Bedingungen, mit einem neuen Landhaustyp nach dem Vorbild der alpenländischen Bergbauernhäuser in Tirol und Bayern: mächtiges, weitvorspringendes Satteldach, lange Balkone, gediegene Ausführung, alles klar und blitzsauber (z. B. das Haus Dup? lni?te 12).
Besonders kennzeichnend ist noch für Albert Schulter, dass zu seiner künstlerischen Begabung ein ausgeprägtes Interesse und Talent für technische Fragen tritt. Er berechnete sich die kompliziertesten Stahlbetonkonstruktionen für seine Projekte selbst, obwohl diese während seiner Studienzeit noch nicht gelehrt wurden. In diesen Zusammenhang gehört auch die Sicherung des schwer bedrohten Chores der Schwarzen Kirche durch ein sehr klug erdachtes und projektiertes gelenkiges Kettenpolygon (1925), das durch die schweren Erdbeben von 1940 und 1977 auf die Probe gestellt, diese glänzend bestand. 1937 bis 1943, während der vorletzten Restaurierungsperiode der Schwarzen Kirche, war Albert Schuller als Obmann des Bauzuschusses tätig.
So rundet sich das Bild eines nach vielen Richtungen begabten und tätigen Mannes, dem alle, die ihn kannten, ein ehrendes Andenken bewahren. Als Architekt aber ist ihm ein Platz in der Baugeschichte der Stadt am Fuße der Zinne für alle Zeiten gesichert.Dr.Otmar Richter (Karpatenrundschau Nr. 52/30.12.1977)
Peter Simon
(Fortsetzung folgt)
Das Porträtbild von Albert Schuller ist ein Foto von Oskar Netoliczka (1897-1970) aus der Sammlung von Konrad Klein.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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