Die Architekten Albert Schuller und Günther Schuller, Vater und Sohn (II)
30.12.22
Günther Schuller, Architekt und Denkmalpfleger, 1904-1995
Der Kronstädter Architekt Günther Schuller wurde am 10. Oktober 1904 als ältester Sohn des Architekten Albert Schuller (1877 - 1948) geboren. Er besuchte das Honterusgymnasium in Kronstadt und von 1923 - 1929 studierte er an der Technischen Hochschule in München. Anschließend war er in Kronstadt im Projektierungsbüro seines Vaters tätig. In den Jahren 1941 - 1944 nahm er am Weltkrieg teil und war von 1945 - 1948 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Dort verlor er durch einen Arbeitsunfall den rechten Arm. Nach seiner Heimkehr lernte er mit eisernem Willen und aus Liebe zu seinem Beruf, mit dem linken Arm zu arbeiten und konnte so weiter als Architekt wirken. In den Jahren 1948 - 1962 war er Baustellenleiter, u.a., bei der Restaurierung des alten "Generalsquartiers" am Marktplatz (1956- 1958) und des "Kaufhauses" (1961 – 1962). Danach war Architekt Günther Schuller von 1963 bis 1968 Abteilungsleiter bei der Direktion für Systematisierung, Architektur und Projektierung von Bauten.
In den Jahren 1969 - 1970 war er Baustellenleiter bei den vom Stadtvolksrat durchgeführten Restaurierungen von Baudenkmälern. Seit dem Jahre 1970 war er hauptsächlich bei der Restaurierung der Schwarzen Kirche beteiligt, leitete aber auch die Restaurierung des Katharinentors (1971 - 1974), des Weißen Turms (1974 - 1975), der Graftbastei (1976) sowie von anderen Abschnitten der mittelalterlichen Befestigungen von Kronstadt.
Nach dem Erdbeben vom 4. März 1977 widmete sich Günther Schuller der Behebung der dadurch verursachten Schäden vor allem an Baudenkmälern in Kronstadt (altes Rathaus) und Umgebung (die Kirchen in Rothbach und Brenndorf).
Im Jahre 1983 verlieh die Freiherr von Stein-Stiftung aus Hamburg an Günther Schuller den Herderpreis. In der Laudatio heißt es: "So widmete er sich, ausgestattet mit profunder Kenntnis der Baugeschichte und handwerklicher Techniken wie auch mit künstlerischer Begabung, der Erhaltung und Erneuerung zahlreicher Baudenkmäler Kronstadts. Es handelte sich hierbei sowohl um Profan- als auch um Sakralbauten, aber auch um Straßen- und Platzräume als wichtige Gestaltungselemente des Städtebaus. Seine jahrzehntelange beharrliche Arbeit, einvernehmlich mit dem Stadtarchitekten von Kronstadt betrieben, fand im Laufe der Zeit zunehmend Unterstützung und Förderung durch die Direktion für Denkmalpflege in Bukarest und damit auch verdiente öffentliche Anerkennung in seiner Heimat. Mit der Auszeichnung des Herrn Schuller durch den Herderpreis bezeugen wir unsere Hochachtung vor der menschlichen und fachlichen Leistung, die er in mannigfacher Weise als Architekt in Kronstadt erbracht hat."
In vielen Lichtbildvorträgen und Presseartikeln hat Architekt Günther Schuller die öffentliche Meinung zugunsten der gefährdeten Baudenkmäler zu beeinflussen versucht, was ihm in vielen Fällen auch gelang.
Nach der Wende von 1989 war Günther Schuller der Initiator der Gründung des Verbandes der Russland Deportierten im Kreis Kronstadt. Ebenso erreichte er als Mitglied der städtischen Kommission für Straßenbenennungen, das 1991 in 14 Fällen die Straßen die Namen von verdienstvollen deutschen Persönlichkeiten erhielten, wie z. B. Johannes-Honterus-Hof, Stephan-Ludwig-Roth-Gasse, Paul-Richter-Gasse, Johann-Benkner-Gasse, Valentin-Wagner-Gasse, Michael-Weiß-Gasse oder Apollonia-Hirscher-Gasse.
Nicht unerwähnt sei die künstlerische Tätigkeit von Günther Schuller als Maler. Im Jahre 1970 schuf er ein gelungenes Bild des mittelalterlichen Kronstadts, das als Postkarte in Tausenden von Exemplaren verkauft wurde und der Erlös wurde für die Restaurierung der Schwarzen Kirche verwendet. Weiter verdanken wir ihm Bilder der Schwarzen Kirche, des Schlosses am Kronstädter Schlossberg sowie eine Rekonstruktion der Braschovia-Burg auf der Zinne.
In den letzten Jahren seines Lebens sammelte Günther Schuller Material für ein Werk mit dem Titel "Kronstadt. Kaleidoskop einer Stadt im Südosten 1211 - 1988". Es enthält zahlreiche Aufsätze von ihm selbst und von anderen Verfassern über die Schwarze Kirche und über andere Kronstädter Baudenkmäler und ihre Geschichte sowie ihre Restaurierungen, über Kronstädter Persönlichkeiten und auch autobiographisches Material, da Günther Schuller jahrzehntelang vielseitig sehr aktiv war. Das Buch ist ein schönes Zeugnis der Heimatliebe und -verbundenheit von Günther Schuller. Leider hat er das Erscheinen des Bandes nicht mehr erlebt, da er an den Spätfolgen eines Sturzes am 14. Juli 1995 starb und auf dem Martinsberger Friedhof begraben wurde.
Der Band wurde im Jahre 1998 in Hermannstadt gedruckt und soll wegen seinem hohen dokumentarischen Wert für die Geschichte von Kronstadt auch ins Rumänische übersetzt werden. In diesem Buch schreibt er über seinen Vater Albert Schuller: „Die ungeschriebene Führung jenes Kreises lag in den Händen des Architekten Albert Schuller, der durch geschickt in die Debatte geworfene Themen und durch scheinbaren Widerspruch immer wieder dafür sorgte, dass die Gespräche nicht in gewöhnlichen Zonen abliefen, dass sich der Gedankenflug um geistige Nöte der deutschen einheimischen Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft bewegte und wie man wieder mal Schwung hineinbringen könnte. Die Wahlen in die verschiedenen Körperschaften bekamen neuen Sinn unter seiner Devise Nicht mehr Beziehung und Verwandtschaft, sondern die Leistung allein hat zu entscheiden“.
So kann man sagen, dass Albert Schuller der moralische Urheber in einem dieser Treffen am „Donnerstagabend“ in der „Krone“, der Heizung der Schwarzen Kirche war, wenn auch das Geld dafür von dem Fabrikanten Samuel Schiel kam.
Später hat dann sein Sohn Günther die Betreuung der Renovierungsaktionen an der Schwarzen Kirche übernommen und bis in die letzten Jahre seines Lebens als Presbyter, wie auch sein Vater, gepflegt.
Peter Simon
Architekt Günther Schuller. Foto: Konrad Klein
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