Die „Benzinvergiftung“ (IV)
03.03.10
Eine LieBiss-Geschichte / Von Walter Gottfried Seidner
Was stand näher, als etwas an dem Motorrad zu „präparieren“, so dachten die drei Verschmähten. Sie hatten von andern erfahren, wie man einem Motorradfahrer am besten beikommen könne. Schlechte Beispiele sprechen sich schnell herum. Die drei abgeblitzten Anbeter waren jetzt keine Rivalen mehr; sie waren Brüder im Feldzug gegen Georg Wenrich. Demnach ließen sie an einem herbstlichen Sonntag das Brautpaar mit den Eltern zur Kirche gehen – das Paar sollte zum dritten Mal ausgerufen werden -, dann sprangen sie über den Bodenzaun, gingen durch den Garten in den Hof und traten zu der blitzblanken „Gruiß Mäid“. Sie schraubten den Deckel vom Benzintank ab – und jeder ließ je einen Würfelzucker in den Benzintank fallen. Dann wurde er schleunigst verschlossen - und es ging durch den Garten und über den Bodenzaun zurück auf die Wiese.
Niemand hat etwas bemerkt.
Am frühen Nachmittag fuhr Georg los. Er kam aber nur bis zur Borbely-Mühle in Gerjeschthal. Dort versagte das Benzin seinen Dienst. Es zerstäubte nicht mehr und selbst wenn es zerstäubte, zündete der Funke nicht mehr. Der Zucker hatte seine Heimtücke entfaltet. Trotz der guten Ölung drängte er sich in Form von Karamell zwischen die Kolbenringe. Und aus war es mit der Weiterfahrt. Der abgekühlte Motor war erst recht nicht mehr anzutreten, so als stemmte sich etwas gegen den Anwurf.
Da saß er nun fest, ohne zu ahnen weshalb.
Hier in Gerjeschthal wohnte der junge Pfarrer Meder, der die Verlobung zelebriert hatte. Zu ihm ging er hoch, denn Meder wohnte gegenüber der Schule, unterhalb des Kirchturms. Das Motorrad hatte Georg bei der Mühle abgestellt.
Pfarrer Meder empfing ihn freundlich. Er wusste auch sofort, welchen der Mechaniker er anzusteuern habe. Bei Otto Striffler fand er indes niemand zu Hause. Die Nachbarn gaben Bescheid: Seine Frau ist noch im Weinberg und Otto ist auf die Jagd gegangen mit dem Direktor der Staatsfarm, dessen Chauffeur er eigentlich sei. Blieb noch der Miron Cretzu. Zu ihm in die Neugasse gingen sie nun. Man nannte ihn auch den rumänischen Sachsen, weil man bei ihm alles fand, was man an Werkzeug und Hausgerät benötigte. Er kannte sich auch bei allen Maschinen aus. Er wartete die Motoren der Staatsfarm genauso gewissenhaft wie die Ackergeräte und Traktoren der Kollektivwirtschaft.
Zu ihm wurde der Feuerstuhl herangeschoben.
Er beugte sich über das Motorrad, lobte seine Fertigung, sah nach, ob die Zündung in Ordnung, und ob genügend Benzin im Tank vorhanden war. Freilich, die „Panne der Dummen“ wollte Georg nicht auf sich sitzen lassen. Er griff das Gefährt bei den Hörnern und schüttelt es, dass es im Inneren nur so „schwoppelte“.
Was man so durchsehen konnte, war bald überprüft. Kein noch so dürftiges Ergebnis! Es ging in den späten Nachmittag und der Zug nach Ludusch würde bald vorbeifahren. Georg musste das Motorrad bei Miron zurücklassen und mit der Bahn ins Niederland fahren. Die Nachricht über die unterbrochene Fahrt kam mit dem Postauto nach Lorzendorf, und der erste, der sie erfuhr, war Fabi Hanni, der Freund des Postmeisters.
Am nächsten Morgen kam Pfarrer Meder mit Otto Striffler zu Miron Cretzu in die geräumige Werkstadt und sie nahmen als erstes das Kolbengehäuse auseinander.
Und sie wären auch jetzt kaum weiter gekommen, wäre der Fabi Hanni nicht auf seinem „Simsonettel“ angeradelt gekommen. Er verlangte, den Pfarrer unter vier Augen zu sprechen.
Und er beichtete seine Untat von gestern - für seinen Teil, versteht sich. Die andern beiden Missetäter verschwieg er. Minichi war freilich seine zweite Kusine und wie der Rumäne sagt: das Blut wird nicht zu Wasser. Der Pfarrer las ihm zwar die Leviten; doch war er zugleich froh, dass er wenigstens wusste, warum das Gefährt den Geist aufgegeben hatte. Die beiden Mechaniker waren indes auch schon selbst draufgekommen, wo der Hase im Pfeffer lag; sie ließen eine Schimpfkanonade los auf denjenigen, der den Zuckeranschlag verübt hatte. Hätte sich der Fabi Hanni ihnen und nicht dem Pfarrer offenbart, sie hätten ihm wohl die Ohren langgezogen. So konnte Fabi Hanni ungerügt davonkommen.
Miron und Otto wuschen nun den Zylinder, den Kolben und die Ringe mit Brennspiritus, entfernten dadurch die dünne Karamellschicht, die dennoch dick genug war, das Vorankommen zu verhindern. Auch das Benzin musste ausgetauscht werden. Otto ließ das alte Benzin abfließen, füllte es in einen Plastikkanister, weil er damit später die Kugellager zu waschen gedachte. Gutes Benzin hatte der Chauffeur des Direktors der Staatsfarm immer auf Lager.
Ein Anruf in Maidenbach und Georg Wenrich konnte seine „Gruiß Mäid“ abholen. Er kam mit der Bahn und nahm das Gefährt in Empfang. Schnell noch einen Abstecher nach Lorzendorf zur Braut und Georg konnte auch schon seine Heimreise „antreten“. Er fuhr wie der geölte Blitz. In dreieinhalb Stunden war er zu Hause.
Die Hochzeit an Mariae Lichtmess hatte es auch in sich. Zum Glück, der Winter war mild. Man fuhr ins Niederland mit einer sogenannten Kombüse, die man von der Kollektivwirtschaft geliehen hatte. Sie wurde von einem Trecker gezogen, dessen Fahrer kein anderer war als Fabi Hanni.
(Fortsetzung folgt)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]