„Die Erinnerung wach halten“
02.07.09
Seitens der Kronstädter Filiale des Vereins der ehemaligen politischen Häftlinge (AFDPR) schenkte der Filiale-Vorsitzende Octav Bjoza (gleichzeitig interimistischer AFDPR-Landesvorsitzender) der KR die deutschsprachige Ausgabe eines Gedenkalbums mit Fotografien der Denkmäler die an den antikommunitischen Widerstand in Rumänien erinnern. Die deutsche Ausgabe ist 2006 im Bukarester Ziua-Verlag erschienen, herausgegeben von AFDPR mit Unterstützung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Konrad-Adenauer-Stiftung, Außenstelle Bukarest.
Das Album stellt die Denkmäler (Gedenkstätten, Statuen, Büsten, Wegkreuze, Grabsteine) aus mehreren Landeskreisen vor. Im Vorwort des Albums betont Dr. Günter W. Dill, damaliger Leiter der Bukarester Außenstelle der Adenauer-Stiftung, die Bedeutung dieser Denkmäler als Teil einer Erinnerungskultur: „In diesem Sinne gewinnt auch hier (in Rumänien – Anm.d.Red.) die Errichtung, Pflege und publikumswirksame Dokumentation und Präsentation von Gedenkstätten, Mahnmalen und Ehrenfriedhöfen eine eminent wichtige Bedeutung für eine genuine Auseinandersetzung mit der jüngsten rumänischen Geschichte.“ Das Vergessenwollen, der Verzicht auf Auseinandersetzung mit der Vergangenheit („Schlussstrich-Haltung“) seien inakzeptabel selbst wenn hierzulande auch solche Tendenzen verzeichnet werden können. „Im Mainstream des Verschweigens und Verdrängens haben die rumänischen politischen Akteure nach 1989 ein besonders unrühmliches Beispiel geliefert“, lautet die kritische Beurteilung von Dill. Die deutschsprachige Ausgabe trägt dazu bei, ein weiteres gesamteuropäisches Anliegen zu fördern, nämlich das was der französische Politologe Alfred Grosser im Hinblick auf die Funktion der Erinnerung als „Verständnis für das Leiden der Anderen als Grundwert Europas“ nannte.
Der Band enthält auch eine Einleitung unterzeichnet vom inzwischen verstorbenen AFDP-Landesvorsitzenden Constantin Ticu Dumitrescu, sowie Kurzporträts zweier Symbolgestalten des antikommunistischen Widerstandes: Iuliu Maniu und Elisabeta Rizea. Abgebildet werden auch Fotos berüchtigter ehemaliger kommunistischer Haftanstalten sowie Entwürfe weiterer Denkmäler.
Von den im Kreis Kronstadt/Bra{ov bestehenden Denkmälern werden die Gedenktafeln an der Fassade des ehemaligen Militärgerichtes (heute Sitz der Kreispräfektur) vorgestellt, da Denkmal mit der ewigen Flamme gegenüber dem Dramentheater, das Mahnmal in der Calea Bucure{ti, das an die Kronstädter Arbeiterrevolte vom 15. November 1987 erinnert sowie das weiße Marmorkreuz beim Sâmb²ta-Kloster für die Widerstandskämpfer in dem Nordgebiet der Fogarascher Berge. Im Anschluss veröffentlichen wir, stellvertretend für die Denkmäler des antikommunitisches Widerstandes aus dem ganzen Land, die Einführung und Erläuterungen zu jenen die im Kreis Mure{ errichtet wurden.
Die Denkmäler im Kreis Mure{
Nach den von den Kommunisten gefälschten Wahlen vom 19. November 1946 bildete sich im C²limani-Gebirge eine antikommunistische Widerstandsgruppe. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderen Ioan Cengher, Doktor der Wirtschaftswissenschaften (geboren in S²calul de P²dure, Mure{), der für seine Heldentaten ausgezeichnete Hauptmann Alexandru Grigorescu (geboren in Ploie{ti) und der Student Ioan Ilie Gheorghiu (geboren in Constan]a). Im Juni 1948 wurden sie von der Securitate aus Târgu Mure{ verhaftet und am 29. Dezember 1948 nach R²stolni]a verschleppt, wo sie mit Stacheldraht gefesselt und bestialisch ermordet wurden. Um die Einwohner des Ortes, die sie schätzten und unterstützt hatten, abzuschrecken, wurden die Leichen auf einem Schlitten ins Zentrum der Gemeinde gebracht, dort auf den Boden geworfen und liegen gelassen. Schließlich wurden die schrecklich zugerichteten Leichen von den Securitate-Leuten in einem Erdloch verscharrt, aus dem die verbliebenen sterblichen Überreste 1995 exhumiert und nach christlichem Brauch auf einem zentralen Platz des Gemeindefriedhofs zur ewigen Ruhe gebettet wurden. Das zum Gedenken an diese heldenhaften Märtyrer errichtete Grabmal wurde am 1. Oktober 1995 im Beisein der AFDPR-Mitglieder aus Mure{, von Ortsansässigen und Vertretern der lokalen Behörden eingeweiht.
Gleich Hunderten von Untergrundgruppen im ganzen Land wurde im Kreis Mure{ im Jahre 1948 die „Gruppe der Gelben Hemden“ gegründet, der Schüler der städtischen Gymnasien angehörten. Als diese Gruppe 1949 verhaftet wurde, gelang es einem von ihnen, Ioan Andra{, Schüler des Industriegymnasiums, den Securitate-Leuten zu entkommen und unter dem Kugelhagel über den Mieresch zu schwimmen. Andra{ fand in Ib²ne{ti in einem alleinstehenden Haus am Rande des Waldes Unterschlupf und konnte sich dort bis 1951 verstecken – wurde dann aber verraten, bei einem Fluchtversuch im Wald erschossen und dort begraben. In seinem Versteck hatte sich während der ganzen Zeit Ioana F²rca{, die Tochter eines Dorfbewohners, um ihn gekümmert. Sie wurde deshalb von der Securitate festgenommen und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach ihrer Entlassung pflegte Ioana sein Grab bis 1997, als auf Ersuchen der AFDPR-Kreisorganisation Mure{ seine sterblichen Überreste auf den Dorffriedhof umgebettet wurden. Durch die Anstrengungen des AFDPR-Ortsverbandes Târgu Mure{ konnte das Grab von Ioan Andra{ mit einer Marmortafel geschmückt werden, die am 26. September 1999 im Beisein zahlreicher ehemaliger politischer Häftlinge und Bewohnern des Ortes feierlich enthüllt wurde.
Ebenfalls eine marmorne Gedenktafel von der AFDPR-Kreisorganisation Mure{ erhielt das Grabmal des antikommunistischen Kämpfers Ion }intaru in Târn²veni. Er wurde 1948 von Securitate-Leuten in Blaj während der Untersuchungshaft bestialisch umgebracht. Ein bezeichnendes Licht auf die Untersuchungsmethoden der Securitate wirft ein Leserbrief eines damaligen Mitgefangenen in der Zeitung „Infractorul de Alba Iulia“, in dem es u.a. heißt: „Mein Name ist Nicolae Fr²]il², Rentner, wohnhaft in Blaj, I.Micu-Klein-Str.50. Ich wurde von den Securitate-Angehörigen Ioan Corlea und Ilu M²rginean im Juni 1948 zusammen mit einer Gruppe von sieben Schülern aus den Gymnasien von Blaj verhaftet. Während der Befragungen wurden wir grausam geschlagen, bis wir in Ohnmacht fielen; und um uns wieder zur Besinnung zu bringen, schütteten sie kaltes Wasser auf uns. Die Schläge wiederholten sich täglich. Um uns Furcht einzujagen, brachten sie uns in ein Nebenzimmer, wo sie uns die Leiche von }intaru aus Târn²veni zeigten, die nackt und furchtbar zugerichtet da lag.“ Das waren nur einige der grausamen Securitate-Untersuchungsmethoden, denen sogar Jugendliche im Alter von 14 bis 15 Jahren ausgesetzt waren.
(R. Sudrigian)
Die Burg auf dem Kronstädter Schlossberg diente zeitweilig auch als kommunistische Haftanstalt.
Foto: AFDPR-Archiv
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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