Die Große Glocke der Schwarzen Kirche
02.04.09
Die Große Glocke der Schwarzen Kirche wird 150 Jahre alt (II)
Erinnerungen eines ehemaligen Läuthauptmanns / Von Gernot Nussbächer
Über die neuere Geschichte der Großen Glocke haben wir auch schon im Jahre 2007 berichtet, als der Klöppelanker zerbrach und ein neuer eingesetzt werden mußte (KR Nr. 30 und Nr. 33/2007).
Heute wollen wir noch kurz in die Zeit vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert zurückblenden. Nach dem Jahre 1948 war im heutigen B-Gebäude des Honterus-Lyzeums eine rumänische Eisenbahnerschule untergebracht. Der damalige Küster Adolf Zakel (1899 -1974), der auch für das Läuten zuständig war, bildete aus den jungen Eisenbahnern eine Läutebrigade, da damals die Große Glocke von acht Männern gezogen werden mußte.
In der Konfirmandengeneration des Jahres 1955 reifte dann der Entschluß, das Glockenläuten selbst zu übernehmen und am 14. Januar 1955 wurde die "Sächsische Läutebrigade zum Läuten der Großen Glocke der Schwarzen Kirche in Kronstadt" gebildet, in Erinnerung an den 14. Januar 1937, als die Bewegung "Für unsere Schwarze Kirche" zur Restaurierung des Gotteshauses gegründet wurde. Die drei "Läuthauptleute" der ersten Schülergeneration waren Jürgen Haffner, Dieter Schobel und Gernot Nussbächer.
Die Aktion funktionierte gut und brachte den Läutern auch ein kleines Taschengeld.
Bei der Konfirmation am 22. Mai 1955 am Sonntag Exaudi - als es genau hundert Konfirmanden gab - wurde die Große Glocke allein mehr als eine halbe Stunde lang während der Einsegnung geläutet, das war wohl das längste Läuten, weil später immer weniger Konfirmanden waren.
Das schwächste Läuten war vielleicht das vor dem Neujahrgottesdienst am 1. Januar 1956. Am 31. Dezember 1955 um Mitternacht war die Glockenstube voll von Läutern und Besuchern, als das neue Jahr eingeläutet wurde. Für den Neujahrsgottesdienst um
10 Uhr vormittags waren auch genügend Läuter mobilisiert worden, aber um halb zehn Uhr waren sage und schreibe sechs Läuter erschienen, die andern hatten nach ihrer Sylvesterfeier noch nicht ausgeschlafen. Je einen Läuter brauchte es für die Mittlere und für die Kleine Glocke, für die Große Glocke blieben wir nur vier - statt acht! Beim Vorläuten konnten uns die zwei noch helfen, die Glocke in Schwung zu bringen, damit sie rechtzeitig anschlug. Aber dann mußten wir die zehn Uhrschläge auf die Große Glocke abwarten, bis wir nur zu viert beginnen konnten, die Glocke wieder in Bewegung zu bringen - auf jeder Seite etwa hundert Kilogramm "Lebendgewicht" zum Ziehen für fast sechs Tonnen, und das ohne Kugellager! Natürlich dauerte es schier endlos, bis der Klöppel endlich anschlug, und auch das nur schwach. Die Leute unten wußten freilich nicht, warum die Große Glocke nicht wie erwartet erklang und daß wir oben viel zu wenige waren, es gab damals noch kein Telefon am Turm und Handy schon gar nicht. Nachher bekamen wir Vorwürfe, aber wir hatten doch das Bestmögliche gemacht.
Die nächsten etwa fünfzehn Generationen setzten die von uns begonnene Aktion fort, bis im Jahre 1970 das elektrische Läutwerk eingeführt wurde, auch um den immer wieder auftretenden Personalmangel an Läutern zu beheben. Aber alle Läuter denken gerne an die damalige Zeit zurück und wie erhebend es war, die größte Glocke Siebenbürgens läuten zu dürfen.
Bis zum Jahre 1970 wurde die Große Glocke beim Läuten von acht Männern gezogen.
Damals wurde ein elektrisches Läutewerk eingeführt. Es besteht aus drei Läutemaschinen - für jede Glocke eine -, die von den Herforder Elektromotorenwerken hergestellt wurden, zwei Anschlagwerken - für die Große und für die Mittlere Glocke - sowie einer Funkuhr.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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