Die Pest und Kronstadt
28.04.11
Der „Schwarze Tod“ verbreitete im Mittelalter europaweit unermessliche Not
Im Mittelalter war die Pest der Schrecken schlechthin. Es gab praktische kein Mittel zu ihrer Bekämpfung. Nur die vollständige Isolierung der betroffenen Ortschaften und Gebiete bot einen relativen Schutz. Es ist heute kaum vorstellbar, was es damals hieß, wenn in einer Ortschaft die Pest ausbrach. Und diese Seuche hat bis in unsere Tage nichts von ihrer Virulenz verloren. Bis in die jüngste Vergangenheit gab und gibt es immer wieder weltweit verheerende Epidemien, wenn auch Europa seit dem 18. Jahrhundert, mit einer Ausnahme im zweiten Weltkrieg, davon verschont blieb.
Geschichtliches
Es ist nicht nachweisbar, dass die Seuchen, die im Altertum „pestis“ (Seuche) genannt wurden, wirklich die heute bekannte Pest waren.
Sicher ist, dass es die Pest war, die im 6. Jahrhundert zu der Zeit des Kaisers Justinian, von Konstantinopel aus den ganzen Mittelmeerraum bis nach Irland ergriffen hat. Es ist umstritten, ob sie von Indien oder Schwarzafrika aus Europa verheerte.
In Konstantinopel wütete die Pest von 541 bis 544, dann 557 und 570 und im Folgenden kam sie in einem 12-jährigen Zyklus bis 770 zum Ausbruch, dann verschwand sie aus Europa für fast 600 Jahre.
Am Ende des 13. Jahrhundert scheint sie durch die Mongolen aus Innerasien an die Grenzen Europas gebracht worden zu sein.
Um 1350 bricht der „Schwarze Tod“ mit unvorstellbarer Virulenz aus, ganz Europa, bis Irland und Norwegen, wird von ihr erfasst. Die Menschen stehen ihr völlig hilflos ausgeliefert da. Ganze Landstriche werden entvölkert, dadurch bricht das wirtschaftliche Leben zusammen, es entstehen Hungersnöte, Teuerungen, Mangel an Arbeitskräften mit allen deren Folgen. Die Seuche wird als Gottesstrafe verstanden, was zu religiösen Exzessen, Judenverfolgungen und rechtlicher Unsicherheit führt. Damals kommen die „Pestheilige“ Rochus und Sebastian zu Ehren. Man nimmt an, dass es in Europa ~ 25 Mio. Pestopfer gegeben habe, das ist ein Viertel der damaligen Bevölkerung.
Allerdings war nicht ganz Europa betroffen, einige Gegenden blieben verschont. Es ist nicht sicher, ob der „Schwarze Tod“ auch Siebenbürgen erfasst hat, die ersten Nachrichten über die Pest in Siebenbürgen erhalten wir aus den Wandchroniken die es in verschiedenen Kirchen (Kronstadt, Hermannstadt) gab, aus späterer Zeit.
Konstantinopel bleibt für Europa der gefährlichste Herd der Seuche.
Um die Ausbreitung und Einschleppung nach Venedig zu unterbinden, werden die Quarantäne und der „Pestbrief“ eingeführt. Der Pestbrief sollte dem Besitzer bescheinigen, dass er gesundheitlich ungefährlich ist. Aus dieser zuerst rein medizinischen Bescheinigung entsteht in späteren Zeiten der uns allen wohlbekannte, aber wenig beliebte Pass.
Als erster bringt der zu seiner Zeit bekannte und berühmte französische Feldchirurg und Arzt Ambroise Paré (1510 – 1590) die Pest mit den Ratten als den Verbreitern der Seuche, in Verbindung.
Trotzdem Alexander Yersin 1890 in Indochina den Erreger entdeckte und die Übertragung von dem Wirtstier, meistens einem Nager (Ratten, Eichkätzchen usw.) durch Flöhe geklärt wurde, kam und kommt es bis heute immer wieder zu größeren oder kleineren Pestepidemien, da sich der Bazillus in vielen Wildtieren erhält. Der Kaukasus, China, Südostasien, die Mongolei, Ostafrika, Mittel- und Südamerika und der Südwesten der USA sind besonders befallen, hier gibt es immer wieder Ausbrüche der Pest, wie 2003 in Algerien, 2005 und 2006 im Kongo, 2008 auf Madagaskar und Uganda. In den USA gibt es jährlich um die 20 Pestkranke. In Europa gab es die letzte Pestepidemie während des 2. Weltkrieges.
Die Pest in Kronstadt.
In „Zur Geschichte der Sanitätsverhältnisse in Kronstadt“ von Dr. Eduard Gusbeth, den „Quellen zur Geschichte der Stadt Brassó“ Bd. 1, sowie in „Das alte und neue Kronstadt“ von G. M. G. Herrmann finden wir zu diesem Thema viele Informationen, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen.
Gusbeth zeigt 16 Quellen an, in dem 1. Band der „Quellen“ gibt es 64 Eintragungen bezüglich der Pest, Herrmann bringt ausführliche Berichte über die Pestepidemien von 1717 – 1720 und 1755 - 1756 die auch bei Gusbeth auszugsweise wiedergegeben sind.
Über die letzten Epidemien von 1813 – 1814 und 1818 – 1829 berichtet Gusbeth ausführlich.
Wenn wir die Häufigkeit der Erwähnung einer Pestepidemie auch als Zeichen ihres Ausmaßes annehmen, dann müssen die Epidemien der Jahre 1480 (5 Eintragungen); 1495 (5 Eintragungen); 1572 (7 Eintragungen) besonders arg gewesen sein.
1454 erscheint die Pest mit zwei Eintragungen das erste mal in den „Quellen“.
Im folgenden die Beschreibung der Pestepidemie von 1718 – 1720 (nach G.M.G. Herrmann „Das alte und das neue Kronstadt“, 2010):
Schon 1716 gibt es Pestfälle in Mediasch, dem Repser Stuhl und in Hermannstadt. Am 1. September 1718 gibt es den ersten Fall in Kronstadt bei einem Orgelbauer, dann stellt man immer mehr Krankheitsfälle fest, bei denen blaue Flecke und/oder Beulen auftraten, so dass es über die Natur der Krankheit keinen Zweifel mehr geben konnte. Kinder und Frauen waren besonders anfällig. Die Krankheit brach mit Schauer und Frost aus, dem bald Fieber, Kopf- und Seitenschmerzen, Erbrechen, Mattigkeit und Ohnmacht folgten. Bei manchen traten schon am ersten oder zweiten Tag Beulen in den Leisten oder unter in den Achseln auf, manchmal auch am Hals, hie und da Karbunkel oder auch nur schwarze Flecke, die aber nicht weniger tödlich waren. Bei den wenigen Überlebenden, dauerte die Genesung manchmal lange, in andern Fällen konnten sie schon am 3. oder 4. Tage das Bett verlassen.
Nun wurden die notwendigen Maßnahmen ergriffen. Da die meisten Mitglieder des Magistrates auf das Land geflohen waren, wurde unter dem Vorsitz von Senator Michael Fronius ein Direktorium eingesetzt, dem noch der Stadtphysikus Dr. Johann Albrich (der später auch ein Opfer der Seuche wurde), Marktrichter Simon Christoph und der Sekretär Andreas Tartler angehörten.
Andrea Bogner wurde zum Pestprediger in der Stadt ernannt dazu ein Student (Schüler des Honterusgymnasiums) in Bartholomae. Diese wurden von dem Dekan Johann Drauth am 23. September 1718 in der Vesper ordiniert. Zu der Behandlung der Kranken wurde ein aus Wien gekommener Feldscher und ein Kronstädter Balbier bestimmt. Auf dem (Markt)Platz wurde eine Wachtstube für 20 Bürger, die Reservisten genannt wurden, gebaut. Diese mussten täglich 3 mal jedes Haus besichtigen, die Anzahl der Kranken und Toten feststellen und dem Direktorium melden. Für die Beerdigungen wurden 12 Totengräber bestellt, die in einem dazu bestimmten Haus untergebracht wurden. Die Pesttoten wurden bei der Johanniskirche, später im Schlosserzwinger, beigesetzt. Ein Schlosser musste die Tore der Häuser, in denen Kranke waren, mit einem Schloss verriegeln. Es wurden in die Tore Öffnungen gemacht, durch die den Hausbewohnern von den Reservisten Lebensmittel gereicht wurden. Die Häuser mit Toten wurden durch Kreuze bezeichnet, für jeden Toten ein Kreuz.
Die Seuche nahm immer mehr zu, so dass auch der Kommandant de Tige flüchtete. Nun wurden nicht nur die Stadttore sondern auch die Kirchentüren verschlossen und alle Versammlungen verboten. Das ganze Wirtschaftsleben, Handwerk und Handel kamen zum Stillstand. Mangel und Hunger rissen ein. Mehr Arme starben den Hungertod als an der Pest. Überall in den Gassen und auf Plätzen lagen entkräftige Gestalten und schrieen nach Brot.
Durch den Unverstand, vor allem der jungen Leute, die sich nicht an die Ausgangssperre hielten, sondern noch Spiele veranstalteten, stieg die Zahl der Toten noch mehr an. Erst 1719 ging die Seuche zurück, so dass es im April nur noch drei Pesttote gab. Allerdings, dieses war nur eine Verschnaufpause, mit der Zeit wurden auch die meisten Orte im Bezirk heimgesucht, so dass diejenigen, die sich aufs Land geflüchtet hatten, nun in die Stadt zurückkommen mussten, was neue Krankheits- und Todesfälle verursachte. Im Juli gab es 304, im August 436 Tote in der inneren Stadt. Hier schaltet Herrmann einen Nachruf auf seinen Großvater ein, der auch ein Opfer der Pest geworden war.
In den letzten zwei Monaten 1719 gab die Seuche nach, am 7. Januar 1720 wurden die Stadttore wieder geöffnet, das Leben normalisierte sich.
Genaue Zahlen der Pestopfer waren schwer zu erhalten, vor allem wenn man bedenkt, dass viele ihre Toten heimlich in ihrem Hof oder Garten begruben um nicht „eingesperrt“ zu werden.
Bei der Betrachtung dieser Zahlen, ist es erschreckend, dass die Kinder 37 % der Todesfälle ausmachten, gefolgt von den Jugendlichen mit 27 %, den Frauen mit 18,5 % und die Männer mit „nur“ 17,5%.
Interessant ist auch eine andere Statistik:
In der Stadt mit den Vorstädten waren 25,48 % der Toten, in den sächsischen Gemeinden 32,77 %, in den ungarischen 24.74 % und in den rumänischen 17,01% zu beklagen
Nun wenden wir uns den zwei Epidemien des 19. Jahrhunderts zu (nach Gusbeth).
1813 wurde durch einen Maurer, Teutschbier, der am Burghals wohnte, infizierte Wolle aus der Walachei nach Hause gebracht. Bald erkrankten die Familienmitglieder und eine befreundete Familie Singa in den Biengärten, die fast alle starben. Die Krankheit verbreitete sich in den Vorstädten, ohne in die Innere Stadt vorzudringen. Es wurden Pestspitäler in der Oberen Vorstadt in dem Gebäude, das als „Petkutz“ bekannt ist und in dem sich heute das staatliche Altenheim befindet und in der Blumenau eingerichtet. Ein Militärkordon wurde gezogen, doch konnte der Fortgang der Seuche nicht gehindert werden. Sie trat in den Biengärten, Petersberg, am Obertömösch, in Türkes, Bacsfalu, Nussbach auf. In den Vorstädten gab es 205 Fälle mit 139 Toten, auf dem Lande 41 Fälle und 35 Tote. Zu beachten ist der große Unterschied der Sterberate in der Stadt (67,8 %) und auf dem Lande (85,4%).
Die letzte Pestepidemie in Kronstadt begann 1828 als eine Frau aus Bukarest von einer Nachbarin, die später an der Pest starb, Sachen nach Kronstadt in das katholische Armenhaus (neben dem Theater) brachte. Obwohl sie 10 Tage auf Obertömösch in Kontumaz war, trat am 29. Oktober in dem Armenhaus der erste Fall von Pest bei einer gewissen Anna Enyedi auf, die am 31. Oktober starb. Von hier aus wurde das Haus von Morscher infiziert, sonst gab es keine andere Fälle.
Sofort wurde eine „authentische Sanitäts-Commission“ in Zeiden unter Bruckenthal gebildet. Am 31. November (ein Lapsus von Gubeth) trat Stabsarzt Latzel, Major Petress und der Landesprotomedicus v. Ferenczi dazu. Diese verhängte am 4. Dezember die Sperre. Um diese gründlich durchführen zu können, wurden für die Kordonsmannschaft 52 Erdhütten in entsprechender Entfernung von einander gebaut. Der Sanitätskordon begann bei der Dârste und umschloss die Stadt in weitem Bogen von Osten nach Westen bis Rosenau. Es wurden 4 Kompanien des 62. Linieninfanterieregimentes und eine Abteilung des 2. Szekler Grenzregimentes unter dem Kommando des Brigadiers v. Villata eingesetzt. In Marienburg wurde ein Spital für die Kordonmannschaft eingerichtet, in Petersberg eine Feldbäckerei. Dazu wurden am Ende der oberen Vorstadt noch 16 Häuser als Kontumaz eingerichtet.
In Kronstadt selbst wurden die zwei befallenen Häuser gesperrt und am 21. November das Lazarett am Schlossberg eröffnet und die Kranken aus dem katholischen Armenhaus und dem Morscherischen Haus hintransferiert. Jeder der mit den Kranken Kontakt gehabt hatte, musste 28 Tage auf dem Schlossberg in Quarantäne verbringen, die von der Krankheit genesenen sogar 40 Tage. Hier waren zwischen dem 29. November 1828 und dem 28. März 1829 41 Personen interniert.
Die Bilanz dieser Epidemie ist folgende:
Erkrankt Gestorben Genesen
Im kath. Armenhaus (39 Bewohner) 21 14 7
Im Morscherschen Haus 6 4 2
Im Lazarett 1 1 0
Insgesamt 28 19 9
Auch hier war die Sterberate sehr hoch: 67.86 %
Am 14. Dezember gab es den letzten Todesfall, die Sperre wurde am 30 Dezember aufgehoben.
Es sind hier nur dürre Tatsachen berichtet, wie viel menschliche Not und Leiden dahinter stehen, können wir nur ahnen.
Erwin Hellmann
Foto 1:
Bevölkerungsverluste durch die Pest in Mitteleuropa während des 30 Jährigen Krieges(aus VASOLD 2003), www.yersiniapestis.info/geschichte.html
Foto 2:
Pieter Bruegel der Ältere, „Triumph des Todes", um 1562 (Detail).
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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