Die Überraschung im Bucheinband
10.09.09
Neue Erkenntnisse über die Anfänge der Hermannstädter Druckerei
Wie bereits vor einigen Jahren bekannt war, befand sich die erste Druckerei Siebenbürgens in Hermannstadt. Hier wurde im Jahre 1529 eine Lateinische Grammatik des Hermannstädter Schulrektors Thomas Gemmarius gedruckt, die im Jahre 1659 noch in der Hermannstädter Schulbibliothek vorhanden war.
Der zweite bekannte Hermannstädter Druck war das Pestbüchlein des Arztes Sebastian Pauschner, das Magister Lukas Trapoldinus im Jahre 1530 in Hermannstadt druckte und das nur in einer vollständigen Abschrift aus der Zeit um 1710 erhalten geblieben ist. Lukas Trappoldner war von 1531 - 1545 Hermannstädter Stadtnotar, wurde 1546 Rektor der Hermannstädter Schule und starb als Ratsherr im Jahre 1547.
Der dritte bisher bekannt gewesene Hermannstädter Druck ist der im Jahre 1544 vom Hermannstädter rumänischen Stadtschreiber und Dolmetscher Philippus Pictor oder Filip Moldoveanul gedruckte Katechismus, das erste Druckwerk in rumänischer Sprache, von dem aber bisher kein Exemplar bekannt wurde.
Vor kurzem hat ein junger Forscher Zsolt Simon aus Neumarkt am Mieresch eine schon fünfzig Jahre zurückliegende Entdeckung aus der dortigen Teleki-Dokumentarbibliothek vorgestellt, die aber bisher unausgewertet war, und neues Licht auf die Anfänge des Hermannstädter und somit auch des Siebenbürger Buchdrucks wirft.
Etwa im Jahre 1959 fand der Bibliograph Endre Bustya im Einband eines alten restaurierungsbedürftigen Buches unter anderem mehrere als Makulatur zum Kartonersatz verwendete bedruckte Blätter, die Bruchstücke von drei Einblattdrucken sind.
Der wichtigste davon ist ein Kalender für die beweglichen kirchlichen Feste in den Jahren 1525 - 1575 mit einer aufschlußreichen lateinischen Widmung der Drucker an den Hermannstädter Rat, datiert Hermannstadt, am 9. Januar 1525. (Der Verfasser hat die eigentlich eindeutige Datierung „nona" mit den Nonen des römischen Kalenders verwechselt, die jedoch im Ablativ mit der Form „Nonis" gebraucht werden, und so den Druck für den 5. Januar 1525 datiert.) Hermannstädter Königsrichter war damals Marcus Pemfflinger, Bürgermeister Mathias Armbruster, Stadthann Johannes Rod und Stadtnotar Georg Reichersdorffer.
Als Drucker zeichnen „Magister Lucas Trapoldianus ac (=und) Valentinus Corvinus presbiter, Calcographi Cibinienses". Der Ausdruck „Chalkographus" kommt aus dem Griechischen, „chalkos" ist der Kupfer,“grapho" bedeutet „ich schreibe", also wortwörtlich „Kupferschreiber".
Der aus Kronstadt gebürtige Forscher Klaus Popa hat festgestellt, daß Lukas Trapoldinus in den Jahren 1519 - 1520 in Köln studiert hatte und dort den akademischen Titel eines Magisters erworben hatte, danach im Dominikaner-Konvent von Bistritz wirkte und im Jahre 1525 Lehrer am neugegründeten „Studium generale" in Hermannstadt war.
Von Valentinus Corvinus Presbiter wissen wir, daß er Kapellanus oder Hilfsgeistlicher in Hermannstadt war und am 29. November 1524 und am 17. Januar 1525 vor dem Hermannstädter Kapitelsgericht einen Prozeß gegen Simon Thayß führte.
Der Kalender führt in der obersten Zeile den Titel „NOUUS ANNUS JUBILEUS" und hat einen Druckspiegel von 205 mm Breite und 268 mm Höhe, ist also etwas kleiner als ein modernes A4-Format.
Unterhalb des Titels steht die ausführliche Widmung an den Hermannstädter Rat als Neujahrsgeschenk. Bemerkenswert ist die schöne Initiale G (vom Worte „Gratum")
Darunter folgt die Überschrift „Tabula festorum mobilium ad quinquaginta annos duratura" (Tafel der beweglichen Feste auf fünfzig Jahre dauernd, eigentlich sind es 51 Jahre).
In 18 Rubriken stehen dann jeweils das Jahr, die Indiktion, die Goldene Zahl, der Sonntagsbuchstabe und weiter die verschiedenen kirchlichen beweglichen Feste von Septuagesimä bis Advent. Die Titel der Rubriken stehen an ihrem unteren Ende. und zwar senkrecht zum eigentlichen Text.
Das zweite Hermannstädter Druckwerk ist auch ein Einblattdruck und enthält mehrere religiöse Texte: Vater unser, Gegrüßt seist du, Maria, die zehn Gebote, Magnificat, Veni sancte spiritus, Salve regina. Es hat einen Druckspiegel von etwa 177 x 243 mm, ist also etwas größer als das das heutige A5-Format. Der Text wird von Zierleisten umgeben, die Kopfleiste zeigt ein Brustbild Gottes mit erhobener rechter Hand und einer Weltkugel in der Linken. Der obere Teil des Druckes enthält deutsche Texte, der untere solche in lateinischer Sprache. Am Anfang der Texte stehen die schönen Initialen U (von Uater) und M (von Magnificat).
Wir bringen im Kasten die buchstabengetreue Wiedergabe des Vaterunsers:
Uater vnser der du pist in himeln, Geheiligt vuerd dein nam.
Zu kom vns dein reich, dein vill geschech: als im himel
vnd in erd. Unser teglich prot gib vns heut. Und v(er)gib vns
vns(er) schuld: als v(e)n vuir v(er)geben vnsern schuldigeren. Und
(fu)er vns nicht in versuchung. Sunder erlosz vns von vbel. Amen
Der dritte Hermannstädter Einblattdruck ist der kleinste, sein Druckspiegel beträgt etwa 177 x 114 mm und ist somit etwas größer als das heutige A6-Format. Er enthält, von Zierleisten umgeben, das Glaubensbekenntnis in deutscher Sprache, das von Martin Luther auch in seinen Kleinen Katechismus von 1529 aufgenommen wurde. Die Kopfleiste enthält in der Mitte zwei runde Medaillons mit Landschaften, der Mitte zu Stadtansichten. Es ist nicht bekannt, ob diese Kopfleisten und der ganze Buchdruckzierrat inländischer oder ausländischer Herkunft ist, jedenfalls wurde er in keiner andern Druckerei des mittelalterlichen Ungarns gebraucht.
Wir haben somit nunmehr handgreifliche Beweise dafür, daß die Hermannstädter Druckerei die erste in Siebenbürgen war und die ersten Drucke in lateinischer und deutscher Sprache im Jahre 1525 herausgebracht hat, auch wenn sie von bescheidenem Umfang und nur Einblattdrucke sind. Die verwendeten Zierraten sind jedoch von europäischem Niveau.
Noch sind die Forschungen über diese ersten bekannten Hermannstädter Drucke nicht abgeschlossen. Wer weiß, in welchen alten Buchdeckeln noch weitere Erzeugnisse der Hermannstädter und/oder anderer Druckereien ihren Dornröschenschlaf halten?
Der Forscher Zsolt Simon hat seine bisherigen Forschungsergebnisse in zwei umfangreichen Abhandlungen im Jahrbuch des Klausenburger Geschichte-Institutes „George Bari]iu" für das Jahr 2007 sowie im ersten Heft für 2009 der Budapester Zeitschrift „Magyar Könyvszemle" (Ungarische Bücherschau) veröffentlicht. Auf diesen Arbeiten fußen unsere obigen Ausführungen, die in einigen Punkten auch eigene Beiträge und Meinungen bringen. Von dort ist auch die Abbildung übernommen.
Gernot Nussbächer
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]