„Ein erstaunliches Erbe“
09.04.09
„Sasii despre ei însisi/Siebenbürger Sachsen über sich selbst“ im Volkskundemuseum vorgestellt
In einem Buch verewigt zu werden, das wünschen sich wohl viele. Den wenigen in Deutsch-Weißkirch/Viscri und Meschendorf/Me{endorf noch anzutreffenden Siebenbürger Sachsen ist das gelungen. Sie dürften darüber stolz sein aber auch traurig. Denn es handelt sich um eine Welt, ihre Welt, die es nun nur noch in historischen Fotos und in Dokumentationen wie diesen Band gibt. 1990, als es klar war, dass die Auswanderungswelle der Siebenbürger Sachsen nicht aufzuhalten war, startete auch das Kronstädter Volkskundemuseum, unter Leitung der Direktorin Ligia Fulga, eine Rettungsaktion, um das festzuhalten, was unwiederbringlich verloren zu gehen schien: das Leben der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaften mit seinem Brauchtum. Übrig blieben die Kirchenburgen, das typische Straßenbild, die Häuser und Höfe ... und die Erinnerungen an Kronenfeste, Fasching, Nachbarschaften, Hochzeiten, Blasmusik .
Solche Erinnerungen sind nun in Interviews in dem ersten rumänisch-deutschen Band „Sa{ii despre ein în{i{i/Die Siebenbürger Sachsen über sich selbst“ festgehalten. Sie wurden zwischen 1990 und 2005 zum Großteil auf Sächsisch geführt, mit jenen die nun als Zeitzeugen gelten können, hauptsächlich mit „Dagebliebenen“ aber, dank E-Mail, auch mit Ausgewanderten. Es geht dabei um das Alltagsleben in der Familie und in der Gemeinde beginnend mit der Zwischenkriegszeit, den Jahren des Kommunismus und bis zur Nachwendezeit. Es geht um den Jahreslauf mit den landwirtschaftlichen Arbeiten, mit den Feiertagen, es handelt über den Lebenslauf von Taufe, Konfirmation bis Hochzeit und Begräbnis – sehr vieles in Verbindung zu ihrer evangelischen Kirche. Diese „oral history“ (mündliche Überlieferung) enthält Überzeugungen, Meinungen, Selbsteinschätzungen der Befragten. Alles ist nun, dank der Übersetzung von Prof. Horst Schuller, auch den rumänischen Forschern zugänglich.
Bei der Buchvorstellung die im Volkskundemuseum am 30. März stattfand, wurde in den Ansprachen der eingeladenen Gäste auf den besonderen Wert dieser Neuerscheinung hingewiesen. Prof. Ioan Opri{ sprach über ein „erstaunliches Erbe“ das nun sozusagen „in Verwaltung“ denjenigen überlassen wurde, mit denen die Sachsen zusammengelebt haben, in der Hoffnung, dass dieses Erbe auch erhalten werden kann. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Dr. Christoph Machat, Leiter des deutschen Projektes zur Dokumentation des siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes (1991-1999), hub hervor, wie wichtig es sei, dass rumänische Fachleute nun die Stafette übernehmen können. Der unter Leitung von Dr. Fulga herausgebrachte Band verdiene es auch ins Englische, Französische und Spanische übersetzt zu werden um international bekannt zu werden. Prof. Silviu Angelescu, Direktor des Instituts für Kunstgeschichte der Rumänischen Akademie, bezeichnete den Band als „Porträt einer Kultur“ und wies auf die doppelte Spaltung hin der die Träger dieser Kultur ausgesetzt waren/sind: hier (Siebenbürgen/Rumänien) und dort (Deutschland); jetzt (Gegenwart) und damals (die jüngere Vergangenheit – vor der Auswanderung, vor dem Kommunismus). Prof. Dan Lungu, Direktor des Landesinstituts für Baudenkmäler, ging auf die Einzigartigkeit der Siebenbürger Sachsen ein, die in relativ geringer Zahl beeindruckend viele Bauten errichtet haben, die nicht nur nützlich waren sondern auch schön sind, wobei auch das Leben zwischen diesen Mauern als Modell für Rumänien, für Europa gelten könnte. Horst Klusch fand lobende Worte für die Art und Weise wie das Kronstädter Museum das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut wiedergibt und verwertet: zuerst durch eine gelungene Ausstellung, nun durch diesen Band, dem hoffentlich weitere folgen werden. Caroline Fernolend, als Gemeinderätin in Bodendorf und Vizepräsidentin von „Mihai Eminescu Trust“ die treibende Kraft für den Erhalt und die Wiederbelebung des sächsischen Kulturerbes in Deutsch-Weißkirch, äußerte ihre Hoffnung, dass es stets Leute geben werde, die dieses Erbe zu schätzen und bewahren wissen, vor allem jene, die damit direkt in Kontakt kommen. Dafür sei es notwendig, dass in diesen Dörfern eine neue Gemeinschaft entstehe – ein Unternehmen das ohne die Einbeziehung der Roma (die in Weißkirch aber auch anderenorts inzwischen die Mehrheitsbevölkerung bilden) nicht gelingen kann. In diesem Sinne sei es dann sicher, nicht nur in der Vergangenheit über Sachsen und ihre Kultur zu sprechen.
Dr. Ligia Fulga erinnerte daran, dass der Band das Ergebnis einer Gruppenarbeit sei: von den sächsischen Dorfbewohnern und von Ortrun Morgen (Schweischer/Fi{²r) die nützliche Ergänzungen einbrachte, bis zu den Forschern und Fotografen (Arpad Udvari und Nicolae Panaite), von den Freunden in Deutschland (Konrad Gündisch, Michael Markel, Erika Fernolend, Annemarie Werner, Horst Schuller) bis zu den Mitarbeitern des Verlags „Transilvania Expres“ der den Band herausbrachte. Für jene die uns in der Zwischenzeit verlassen haben und die nicht mehr das Ergebnis ihrer Mitarbeit erleben konnte, wurde eine stille Gedenkminute gehalten.
Der Band der mit Unterstützung des Kreisrates Kronstadt erschien, kann beim Kronstädter Volkskundemuseum zum Preis von 50 Lei gekauft werden. Falls die notwendige Finanzierung vorliegt, sollen weitere Bände erscheinen (z.B. über Dörfer im Harbachtal für die es ebenfalls eine vollständige Dokumentation gibt).
Ralf Sudrigian
Foto Dr. Ligia Fulga, Prof. Ioan Opris, Prof. Silviu Angelescu, Dr. Christoph Machat und Prof. Dan Lungu (v.l.n.r.) bei der Buchvorstellung im Volkskundemuseum. Foto: der Verfasser
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
25.04.25
Exponate des österreichischen Künstlers Michael Höpfner und Gedicht von Svetlana Cârstean dazu in Kronstadt zu sehen
[mehr...]
25.04.25
Oana Crîngasu und ihr Projekt „Somartin 65“ in Martinsberg
[mehr...]
25.04.25
Aus den Erinnerungen eines Kronstädter Hornisten/ von Diethard Knopp
[mehr...]