Ein „Heruntergekommener“ macht Karriere
29.07.10
Martin Müller beweist, dass man auch da als Unternehmer aufbauen kann
Vielleicht würde so mancher ehemalige Aussiedler wieder zurück in die Heimat kommen um da etwas aufzubauen, einen neuen Anfang zu wagen. Doch was würden seine Landsleute über einen solchen Menschen sagen, der „Oben“ aus ihrer Sicht nicht viel erreichen konnte und nun zurück kommt, um hier sein Glück zu versuchen? Leider gibt es auch solche Auffassungen und somit hört man so manch abwertende Einschätzung wie beispielsweise ein „Heruntergekommener“. Gäbe es nicht solche Meinungen, würden vielleicht mehr Rücksiedler als bisher verzeichnet werden, die nicht nur Pioniergeist an den Tag legen, sondern auch die Bindung zur Heimat nicht vergessen. Einen solchen „Heruntergekommenen“, gebräunt und entspannt, trafen wir an einem dieser Sommertage in seinem Touristenkomplex „Albota“ im Arpas-Tal am Fuße des Fogarascher Gebirges an. Martin Müller (Jahrgang 1957) stammt aus Mediasch und begann das Hochschulstudium in Temeswar. Doch schon nach dem ersten Jahr siedelte er 1978 aus, um das Informatikstudium dann in Karlsruhe abzuschließen. Den ersten Versuch, hier etwas aufzubauen, wagte er 1999 mit einer Mühle. Im gleichen Jahr bot sich die Gelegenheit, die hier befindliche Forellenzucht bei Arpa{ul de Sus zu erwerben, von der aus dem Diktatorenehepaar immer Nachschub an Fischen gesichert wurde, aber die nach der Wende in erbärmlichen Zustand gelangte. Dieses sollte nun auch ein privater Entspannungsort werden. Im gleichen Jahr gründete Müller in Hermannstadt die eigene Software-Firma Sobis Solutions GmbH, die Software für die Lokalverwaltungen sichert und heute landesweit zu den ersten fünf Fachunternehmen gehört.
Mit dem Ausbau der Forellenzucht dachte Martin Müller das Geschäft gemacht zu haben. Doch als er merkte, wie schwer es mit dem Absatz geht und dass ein Supermarkt ihm einen Preis anbot, bei dem er selbst kaum noch etwas verdient hätte, obwohl er in die Forellenzucht mächtig investiert hatte und eine gute Produktion erzielte, kam er zu der Schlussfolgerung, diese touristisch auszubauen und die hier bestehenden Naturschätze zu verwerten. Er errichtete eine Pension, ein Restaurant, die die Gäste nicht nur wegen der schönen Lage sondern auch für das Angebot und die Dienstleistungen anzogen. Seit 2004 besteht der jetzige Touristenkomplex Albota, der zu einem großen Anziehungspunkt für in- und ausländische Gäste wurde. Auch ging Martin Müller von der Erkenntnis aus, dass man im touristischen Bereich sich mit einem Touristikkomplex nur dann über Wasser halten kann, wenn dieser mindestens in der Größenordnung ist, um die Gäste eines Reisebusses aufnehmen zu können.
Heute umfasst dieser 42 modern ausgestattete Zimmer mit Bad. Der Betrieb ist durchgängig das ganze Jahr, 30 Angestellte sichern den guten Ablauf für Unterkunft, die Kost wird aus der eigenen Wirtschaft gesichert. Die Poieni]a-Farm befindet sich 17 km weiter und umfasst rund 1000 Schafe, Zuchtschweine, Kühe, Schwarzbüffel, Reit- und Zugpferde. In der eigenen Metzgerei und Käserei werden die Präparate hergestellt, und natürlich gehören die Forellen zum Hauptangebot, nicht nur in der hiesigen Gaststätte sondern auch im Hermania-Restaurant des gleichen Eigentümers in Hermannstadt. Zentral gelegen in der Kleine Erde-Straße (Strada Filarmonicii), ist dieses inzwischen auch zu einem Anlaufpunkt für Feinschmecker geworden.
Ein vielseitiges Freizeitangebot steht den Gästen in Albota zur Verfügung: Angeln, Reiten, Wandern bis auf den Kamm des Fogarascher Gebirges und den von da zu sehenden Albota- und Boteanu-Gipfeln (2507 m), Kinderspielplatz, Quadsfahrten, Schwimmbad, Jacuzzi, Sauna, Fitnesszentrum, aber auch Konferenzräume mit der erforderlichen modernen Ausstattung. Martin Müller, der auch in der Geschäftsführung der Deutschen Wirtschaftsklubs Hermannstadt und Siebenbürgen tätig ist, investiert weiterhin, um die Projekte auszubauen und das bestehende Angebot auszubessern. Auf der rechten Seite der Straße kaufte er weitere 300 ha Fläche, um einen Naturpark einzurichten. Und alles tat er bisher ohne europäische Gelder. Zwar hat er zwei Projekte - eines eingereicht, das andere in Ausarbeitung -, die noch keine endgültige Genehmigung erhalten haben.
Martin Müller ist nicht ein Wagnis eingegangen, er hat wirtschaftlich gedacht, hat Unternehmergeist gezeigt und durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch für seine Mitmenschen etwas getan. Nun kann er in seiner Heimat, aus der er weggezogen war, mit Stolz Geleistetes vorweisen, obwohl er weiterhin bescheiden in seinem Auftreten und realistisch bleibt.
Dieter Drotleff
Foto 1:
Vom Albota-Komplex bietet sich einem eine schöne Aussicht auf den Kamm des Fogarascher Gebirges.
Foto 2:
Martin Müller auf der Terrasse des Hotels.
Foto 3:
Kinderspielplatz und Gaststättenterrasse ziehen bei schönem Wetter an.
Fotos: der Verfasser
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