Ein Jahrhundert in und für Meschendorf
12.08.10
Altkurator Martin Werner anlässlich seines 100. Geburtstages geehrt
In Meschendorf wusste man Bescheid, warum am Sonntag ungewöhnlich viele Pkw und Besucher in dieser ruhigen, abgelegenen Ortschaft im Repser Ländchen aufgetaucht waren. „Ihr seid hier für den 'Alten'('mosul')!“. „Der Alte ('batrânul') ist gerade von zu Hause zur Kirche gegangen“, hieß es seitens rumänischer Dorfbewohner, als wir Sonntagvormittag ankamen und nach der Kirchenburg Ausschau hielten.
Dort sollte um elf Uhr ein Festgottesdienst für Altkurator Martin Werner abgehalten werden. Sein Geburtstag wurde bereits im engeren Rahmen am Stichtag (29. Juli) gefeiert, aber die Zahl derjenigen die Martin Werner persönlich beglückwünschen wollten war doch so groß, dass auf dieses Jubiläum auch am Sonntag erinnert werden sollte.
Martin Werner verdient es durchaus und das nicht nur weil er dieses stolze Alter erreicht hat.
Praktisch sein ganzes Leben hat er in seinem Heimatort verbracht und war da ein Vorbild in vielen Hinsichten: Er hat als Landwirt in der LPG, zuerst in der Viehzucht, dann im Obstgarten, hervorragende Arbeit geleistet und hat dafür auch eine Auszeichnung erhalten, die er heute stolz, zusammen mit seinen Medaillen als Kriegsveteran und Sanitäter im zweiten Weltkrieg, trägt. Martin Werner war und ist aber vor allem ein engagiertes und überzeugtes Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde. Auf ihn war stets Verlass als Mitglied des Presbyteriums, als Kirchenvater und zuletzt als Kurator. Nie hat er an eine Auswanderung gedacht. Hier sei er geboren, getauft, konfirmiert und getraut worden. Hier möchte er auch begraben werden, sagt er voller Überzeugung. Trotz seines hohen Alters (bei der letzten Auswanderungswelle war er bereits 80) ist Werner weiterhin pflichtbewusst und voller Überzeugung seinen Aufgaben als Kurator nachgekommen. Er sollte nun das Erbe seiner und der Meschendorfer Vorfahren verwalten und pflegen. Das hat er vorbildlich getan; für Pfarrer Siegmar Schmidt (der seit 14 Jahren von Reps aus auch Meschendorf nun als Kleinst-Diasporagemeinde mit nur vier Mitgliedern, betreut) war er Vorbild und Lehrer von dem er vieles zu lernen hat, was man als Stadtbewohner über das Leben am Lande wissen muss. Martin Werner war und ist auch „Reiseleiter“ für all jene die sich über die Vergangenheit Meschendorfs interessieren. Und selbstverständlich ist er eine wichtige „Dokumentationsquelle“ und Bezugsperson für volkskundliche und heimatgeschichtliche Forschungen.
Die Heimatsortsgemeinschaft (HOG) der Meschendorfer in Deutschland war am Festtag mit rund 40 Personen vertreten. Viele trugen ihre sächsische Volkstracht und alle beteiligten sich am Festgottesdienst in ihrer schönen, alten Kirche, die nun wieder sehr gut besetzt war. Der HOG-Vorsitzende Heinz Georg Dörner konnte neben den üblichen Geschenken und Glückwünschen Altkurator Werner auch eine besondere Überrraschung vorstellen: die alte Wegestein-Orgel, von der vor zwei Jahren wichtige Bestandteile (die Kondukten) gestohlen wurden, konnte dank ersten Reparaturarbeiten durch die Schweizer Orgelrestauratorin Barbara Dutli, wieder im Gottesdienst erklingen. An ihr spielte der Kronstädter Organist Steffen Schlandt, der zusammen mit dem Jugendbachchor nicht nur den musikalischen Rahmen des Gottesdienstes sicherte, sondern auch ein kleines Ständchen für den Jubilar bot. Dabei erklang auch Josef Michels Lied „Wer da bittet, der empfängt“. Martin Werner kann auf ein langes, aktives Leben zurückblicken. Ihm wünschen alle weiterhin vor allem Gesundheit und, wie Pfarrer Schmidt es treffend ausdrückte, „so viele Jahre, Monate und Tage, wie Gott sie ihm beschert hat“. Die Reihe der Gratulanten war dann auch beeindruckend: der deutsche Generalkonsul Thomas Gerlach, der Kronstädter Kreisforumsvorsitzende Wolfgang Wittstock der dem Gefeierten der auch Ehrenmitglied des Kronstädter Kreisforums ist, einen schönen Blumenstrauß und eine Flasche Wein überreichte, HOG-Vorsitzender Heinz Georg Dörner, der Meschendorfer Altpfarrer Hochmeister, für den Werner vorbildlich den Begriff „Kirchenvater“ personifiziert, Dipl.-Ing. Karl Hellwig, der Jugendbachchor durch seinen Dirigenten Steffen Schlandt, Kuratoren aus den Nachbargemeinden, Freunde und Bekannte, Dorfbewohner an Spitze mit dem Bodendorfer Bürgermeister Palasan. Eine weitere Überraschung war der Auftritt einer Blaskapelle bestehend aus Bläsern der Augsburger Kapelle. Martin Werner, ein großer Freund der Blasmusik, ließ es sich nicht nehmen, aus der Kirchenbank unter die Bläser zu treten, eine Klarinette in die Hand zu nehmen und sich so fotografieren zu lassen. Werner, der trotz schwachen Augen und nicht mehr so gut hörenden Ohren, geistig aber nach wie vor in guter Verfassung ist, dankte allen. Er tat dies zum Teil auch in Versform und drückte so seine Heimatverbundenheit aus, sowie seinen Dank an den Herrgott der ihm dieses schöne Alter beschert hat. Er selbst habe nie daran geträumt, hundert Jahre zu erreichen und so zu feiern. Für die Jugend kam ein Ratschlag der von ganzem Herz ausgesprochen wurde: sie solle die Jugend genießen, dieses sei die schönste Zeit des Lebens und, einmal verflogen, kehre sie nie wieder zurück.
Nach dem Festgottesdienst folgte das Mittagessen im Pfarrhof – so wie es nun seit 2004 jedes zweite Jahr anlässlich des Heimattreffens der ausgewanderten Meschendorfer in ihrer alten Heimat stattfindet. Werners Geburtstag war somit der willkommene Anlass zu solch einem inoffiziellen Heimattreffen, was dem Jubilar sicherlich sehr gefreut haben dürfte. Wir wünschen ihm sowie der Familie Stoian die ihn vorbildlich pflegt, Alles Gute in und für sein so teures Meschendorf.
Ralf Sudrigian
Foto 1: Gruppenbild mit dem hundertjährigen Altkurator Martin Werner. Zu den zahlreichen Gratulanten gehörten auch Generalkonsul Thomas Gerlach (zweiter von links, vordere Reihe); Dipl-Ing. Karl Hellwig (links, vordere Reihe) und Wolfgang Wittstock, Vorsitzender des Kronstädter Kreisforums (links, zweite Reihe).
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