Ein kindergerechtes Leben
07.01.10
Verlassene Kinder finden in Weidenbach ein Zuhause
Der Weihnachtsmann war diesmal besonders reich in den Kinderheimen „Casa Prichindel“ und „Casa Livezii“ aus Weidenbach/Ghimbav. Ein neuer Kleinbus ist da! Der alte wurde verkauft und, mit finanzieller Unterstützung seitens der Stiftung „Medicor“ aus Liechtenstein, hat die Leitung der Weidenbacher Kinderheime ein neues Fahrzeug gekauft. Eine große Überraschung für die 24 Kinder und Jugendlichen, die hier in drei „Familiengruppen“ wohnen.
Weihnachten bedeutete aber nicht nur Geschenke, sondern auch Vorbereitungen. Jeder hatte seine Aufgabe: basteln, den Tisch und das Haus dekorieren, beim Kochen und Putzen mithelfen und selbstverständlich Weihnachtslieder üben. Zu Weihnachten ist hier immer viel los, genau wie in einer großen Familie.
Wie hat aber alles begonnen? Schon 1992 kam Sonja Kunz aus der Schweiz zum ersten Mal nach Rumänien, mit einem Auftrag des Roten Kreuzes, bezogen auf die staatlichen Kinderheime. Im November 1995 wurde der Baseler Verein zur Unterstützung Verlassener Kinder in Rumänien gegründet (www.abandonati.ch), der mit der gleichnamigen rumänischen Stiftung „Pentru Copii Abandonati“ zusammenarbeitet. Anfangs wurde auch mit der Interessengemeinschaft für rumänische Waisenkinder aus Heidelberg kollaboriert; seit 2000 aber hat der Baseler Verein die alleinige Verantwortung für die Weiterführung der Arbeit übernommen.
1996 wurde „Casa Prichindel“ eröffnet, zwei Jahre danach konnte schon das zweite Haus in Weidenbach gekauft und saniert werden. Pädagogin Sonja Kunz leitet die zwei Kinderheime und ist zuständig für die Erziehung und Betreuung der Kinder sowie für das Personal - insgesamt 20 Mitarbeiter, inklusive Psychologe, Sozialarbeiterinnen, Buchhalterin usw. Die Verwaltungsarbeit macht Sozialarbeiterin Maria Gavriliu.
Von allen Kindern, die hier wohnen, haben nur wenige regelmäßigen Kontakt zu ihren leiblichen Eltern. Aber in der „Casa Prichindel“ und in der „Casa Livezii“ fühlen sie sich wie zu Hause. Der Jüngste ist fünf, die Älteste ist dreiundzwanzig, und alle dürfen so lange hier bleiben, bis sie – vor allem beruflich - selbständig sind oder zu ihren leiblichen Familien zurückkehren können.
Sechs von den Kindern und Jugendlichen sind schwerkrank und auf viel Unterstützung, ärztliche Behandlung und Hilfe angewiesen: fünf davon haben eine Erbkrankheit und brauchen regelmäßig Bluttransfusionen, einer ist schwer herzkrank.
„Es könnte sein, dass wir uns in ein paar Jahren neu orientieren“, erklärt Sonja Kunz. „Die meisten sind jetzt Teenager und die jüngsten wachsen auch geschwind. Vielleicht werden wir in Zukunft nicht mehr als Kinderheim, sondern als Jugendheim funktionieren. Mein Fokus sind auf jeden Fall die jungen Bewohner unserer Häuser: sie sollen alle eine Chance auf ein kindergerechtes Leben und auf Bildung erhalten.“
Die Kinder besuchen öffentliche Schulen in Weidenbach, Zeiden und Kronstadt. Das Heim versucht auch ihre Freizeit interessant zu gestalten: je nach Wunsch besuchen sie Fuß- oder Basketballklubs, machen Kampfsport, Tanzunterricht oder lernen Musik. Das Töpferei-Atelier in der „Casa Prichindel“ befindet sich im Aufbau, denn das Modellieren mit Ton macht Spaß und fördert die Kreativität.
Die beiden Kinderhäuser schaffen die Stimmung, die Wärme und die Harmonie einer Familie. Die Bewohner der „Prichi“ und der „Livezii“ - beide Häuser sind traumhaft eingerichtet - verfügen nicht nur über viel Raum zum Spielen und Lernen, sondern erhalten vor allem menschenwürdige Lebensbedingungen und eine Chance auf Bildung.
In der Broschüre des Vereins heißt es: „Materielle Not und ungenügende soziale Sicherheit haben dazu geführt, zusätzlich Aufgaben zugunsten der Dorfbevölkerung zu übernehmen“. Eines der zusätzlichen Projekte ist die „Aufgabenhilfe“ - ein gemietetes Haus, in dem engagierte und geduldige Mitarbeiterinnen den Dorfkindern bei den Schulaufgaben helfen. Vor allem geht es hier um Schüler, denen es an grundlegenden Voraussetzungen für ihre Entfaltung fehlt oder die von ihren Familien zum Schulabbruch gezwungen werden. Das Projekt setzt sich zum Ziel, den zurzeit fünfzehn teilnehmenden unterprivilegierten Kindern die Freude am Lernen zu wecken.
Ein weiteres Projekt ist die „Sozialhilfe“ für Familien, die unter dem Existenzminimum leben. Diese werden mit Lebensmitteln, Kleidern und Schuhen unterstützt, oft wird auch finanzielle Hilfe (z.B. die Bezahlung von Mieten und Rechnungen) geleistet. In Zusammenarbeit mit dem Kinderheim „Samariteanul milos“ aus Weidenbach werden zurzeit insgesamt rund 40 Familien unterstützt. 2008 wurde auch ein Roma-Kindergarten in Dumbravita eröffnet.
„Oft konditionieren wir die Familien unter dem Motto 'Brot für Schule'. Wenn die Kinder nicht mehr in die Schule geschickt werden, brechen wir die Unterstützung ab. Dann kommen die Kinder bald wieder zur Schule“, sagt Sonja Kunz. „Ohne diese Strategien, die eigentlich auch als fragwürdig betrachtet werden könnten, funktioniert es aber nicht“.
Die Vorstandsmitglieder des Vereins aus der Schweiz haben alle familiäre oder berufliche Beziehungen zu Rumänien. Auch Sonja Kunz spricht jetzt fehlerfrei Rumänisch – sie hat die Sprache mit den Kleinen aus dem Heim gelernt. Die Kinder lernen hingegen Deutsch, manche gehen sogar in Kronstadt auf die deutsche Schule.
Die Projekte und die sozialen Einrichtungen werden durch Spendengelder finanziert, dank treuer Spender konnte auch die Wirtschaftskrise ohne Schwierigkeiten überwunden werden.
Christine Chiriac
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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