Ein lebendiges Dorf
15.08.25
Kinder und Jugendliche erkundeten bei Sommerschule im Haferland das sächsische Kulturerbe
„Das ist Emil, der hier im Topf kocht”, erklärt Caroline Fernolend drei jungen Stadtmenschen in ihrer Küche in Deutsch-Weißkirch. Sie lernen von ihr, klare Hühnersuppe zu kochen. „Mit dieser Suppe hat meine Mutter seine Königliche Hoheit König Charles bei dessen ersten Besuch hier beeindruckt, und diese koche auch ich immer, wenn besondere Gäste in unser Dorf kommen”. Das Rezept teilt sie mit den Jugendlichen. Dafür müssen sie allerdings mithelfen: Gemüse aus dem Garten ernten, es waschen, schälen, schneiden und ins Wasser hinzufügen, in dem der Hahn kocht. Auch luftige, große Grießknödel lernen Carmen, eine 17-jährige Schülerin vom Brukenthal-Nationalkolleg aus Hermannstadt, Hugo (13) und Marcus (17) vom Honterus-Nationalkolleg aus Kronstadt zuzubereiten.
Sie sind nicht etwa bei einem Kochkurs, sondern bei einer Sommerschule im Rahmen der Kulturwoche Haferland, einem beliebten kulturellen und ethnografischen Festival, in dessen Zentrum die siebenbürgisch-sächsischen Traditionen stehen. Das Treffen mit der Vorsitzenden der Stiftung Mihai Eminescu Trust (MET) ist eine der Aufgaben, die sie bei einer Schatzsuche im UNESCO-Dorf durchführen müssen. Denn so entdeckten sie nicht nur die Frau, die zur Weltberühmtheit von Deutsch-Weißkirch stark beigetragen hat. Sie lernten auch etwas über die Bedeutung des siebebürgisch-sächsischen Kulturerbes.
Kulturelle Sommerschule
Zehn Schülerinnen und Schüler von deutschsprachigen Schulen aus Kronstadt, Hermannstadt und Bukarest waren zwischen dem 28. Juli und dem 2. August in Deutsch-Weißkirch unterwegs. Anhand konkreter Aufgaben im Rahmen eines mehrtägigen Schatzsuchspiels erkundeten sie, in Gruppen aufgeteilt, das Kulturerbe, die Natur und das traditionelle Handwerk des Dorfes.
Bei Treffen mit Dorfbewohnern, Besuchen in der Kirchenburg, Museen und mehreren Häusern erkundeten sie, wie Deutsch-Weißkirch durch den Einsatz der Dorfbewohner, insbesondere durch Caroline Fernolend und ihrer Mutter, Sara Dootz, gerettet wurde und welche Rolle König Charles für den Erhalt der Authentizität des Dorf und der Gegend hatte. Ihre Eindrücke haben sie in kurzen Filmen, Gedichten, Zeichnungen oder Tonaufnahmen festgehalten. In ihrem kreativen Prozess wurden sie von Mentoren unterstützt, die vor Jahren selbst einmal bei Schülerzeitungen mitgewirkt haben.
„Ich habe gelernt, wie wichtig eine Kläranlage für die Gesundheit des Dorfes ist”, sagt Horea, einer der Teilnehmer. Medeea ist beeindruckt von den Grundschülern im Dorf, die jeden Montag und Freitag im Garten die Kräuter und das angebaute Gemüse pflegen und somit ein Handwerk erlernen. Und Arina freut sich, während dieser Woche einen Kurzfilm geschnitten zu haben. Dass sie für eine Minute und vier Sekunden den ganzen Tag gesichtet und geschnitten hat, überraschte sowohl sie als auch ihre Kollegin.
„Die Teilnehmer haben diese Tage sehr vieles gelernt. Nicht nur aus den zahlreichen und vielfältigen Aufgaben, die man ihnen stellte, sondern auch im Rahmen der Workshops, die wir betreut haben. Redaktionelle Arbeit, Interviewführung und -bearbeitung, Synthese und vor allem Teamarbeit wurden integriert“, erklärt Bianca Știubea, Mentorin für kreatives Schreiben, die in Israel unterrichtet. Auch lernten die leidenschaftlichen junge Kameraleute über die Anwendung der Einstellungen, Filmschnitt und Techniken für eine gute Atmosphäre am Drehort.
2000+, die virtuelle Schülerzeitschrift
Das Projekt des Vereins Mons Rufinus, das von der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds (AFCN) mitfinanziert und in Partnerschaft mit der Stiftung MET und der Michael Schmidt Stiftung - Haferland veranstaltet wurde, hat aber auch ein anderes Ziel: die Gründung einer nationalen Schülerredaktion namens „2000+”. Diese soll junge Leute von deutschen Schulen in Kronstadt, Hermannstadt und Bukarest motivieren und unterstützen, ihre Gedanken und Interessen schriftlich – in Form von Artikeln, Gedichten oder Zeichnungen – oder auch als Podcast oder Film festzuhalten. Die kreativen Produkte werden zu einer modernen virtuellen Zeitschrift, die auf einer Plattform veröffentlicht wird. Die zehn Jugendlichen, die an der Sommerschule teilgenommen haben, werden ihre Kollegen in der Schule einladen, an der Zeitschrift mitzumachen, sodass im Winter bereits die erste Auflage der virtuellen Zeitschrift öffentlich gemacht werden kann.
Die verbotene Schülerzeitschrift
Robert Schwartz, ehemals Chefredakteur der rumänischen Abteilung der Deutschen Welle in Berlin, der die Sommerschule gemeinsam mit Anca Berlogea Boariu, Filmemacherin und Regisseurin leitet, hat einen ganz genauen Grund, um dieses Projekt gestartet zu haben. Beide haben als Schüler der Deutschen Schule Bukarest selbst Artikel verfasst und veröffentlicht. Doch die Zeitschrift, in der sie sich ausdrücken konnten, wurde 1980 verboten. Die Redaktionsmitglieder von „Revista 2000” hielten jedoch bis 1987 weiterhin Redaktionssitzungen ab und schrieben Texte.
2024 fand Schwartz die unveröffentlichten Texte in einer blauen Plastiktüte in seinem Elternhaus in Hermannstadt. „Ich hatte sie mit nach Deutschland genommen. Danach lag sie jahrelang im Keller meiner Schwester. Nun habe ich sie in Hermannstadt wiedergefunden. Die Beiträge warteten darauf, veröffentlicht zu werden”, erklärt der Journalist begeistert. „Viele der Autorinnen und Autoren sind heute in der ganzen Welt verstreut, sind bedeutende Ärzte, Universitätsprofessoren, Künstler und Journalisten geworden. Wir haben uns online wiedergefunden und werden unsere Texte dieses Jahr, rund 40 Jahre seit sie geschrieben wurden, endlich veröffentlicht sehen.
Darum kümmern sich die Schüler aus der Sommerschule in Deutsch-Weißkirch. Sie haben die Texte gelayoutet und Zeichnungen dazu entworfen. Zudem entwickeln sie selbst die Internet-Plattform für die Publikation aus den 1980er Jahren und für deren modernisierte Fassung, 2000+. Beim Lesen der alten Texte waren viele der Jugendlichen erstaunt über deren Aktualität und Tiefsinnigkeit und fanden Inspiration für weitere Beiträge, an denen sie in den kommenden Monaten arbeiten können.
Laura Căpățână- Juller
Die Sommerschule in Deutsch-Weißkirch war eine Wiederentdeckung einer wichtigen Seite der rumänischen Schülerpresse und soll die Tradition des freien und kreativen Schüler-Journalismus weiterführen. Foto: privat
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