„Ein unglaublicher Reichtum an landschaftlicher Vielfalt“
23.06.22
Interview mit Kai Pönitz, Mitglied im Vorstand des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege
Das Bergdorf Magura, Gemeinde Moeciu, Kreis Kronstadt/Brasov war am 8. Juni eine der vier Etappen einer Fachexkursion die der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) in diesem Jahr in Siebenbürgen organisiert hat. Das bot die willkommene Gelegenheit im Gasthaus Villa Hermani, wo die Reisegruppe untergebracht war, ein Gespräch mit dem Leiter dieser Studienreise, Kai Pönitz, zu führen in dem es um Siebenbürgens einmalige Landschaften und um den ihnen eigenen Landbau geht.
Wie kam es dazu, dass Sie schon seit Jahrzehnten immer wieder Siebenbürgen besuchen?
Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich 1988 das erste Mal nach Siebenbürgen gekommen bin, im Winter, mit einem Freund der mir sagte: „Diese Landschaft, diese Menschen musst du unbedingt kennenlernen!“ Von dem Moment an war klar, hier komm ich immer wieder her, jetzt sogar mehrfach im Jahr.
Nun sind Sie Leiter einer Fachexkursion. Was verfolgt diese?
Ich bin Fachschuldozent für Landwirtschaft und Umwelt am Fachschulzentrum Freiberg-Zug (Sachsen). Siebenbürgen, Rumänien allgemein, mit all seinen Regionen, beherbergt einen unglaublichen Reichtum an landschaftlicher Vielfalt und an Biodiversität die in anderen Ländern schon längst verloren gegangen ist. Diesen Reichtum zeigen wir unseren jungen Agronomen und Technikern für Landbau um sie für eine nachhaltige Landbewirtschaftung zu sensibilisieren. Die artenreichen Grünländer, die wunderbaren Wälder, die Strukturvielfalt der Landschaft, die Vielfalt der Kulturen im Ackerbau und gerade auch in der kleinbäuerlichen Bewirtschaftung, die Boden schonende Bewirtschaftungsweise sind faszinierende Details eines Systems was eine noch immer sehr intakten Landschaft geschaffen hat und erhält.
Ist dieser Reichtum nicht gefährdet durch moderne Landwirtschaft und Umweltverschmutzung?
Das was wir hier in Rumänien beurteilen können, bezieht sich auf ein System, das ich gemeinsam mit meinem Kollegen Andreas Golde, seit 2008 hier entwickelt haben. Wir schauen uns in jedem Jahr verschiedene Flächen, vor allem Grünländereien aber auch Ackerstandorte an, bonitieren, nehmen den Artenbestand an Pflanzen auf. Da müssen wir leider tatsächlich auch eine Bedrohung dieses Reichtums konstatieren in der Form, dass agrarstrukturelle Entwicklungen die wir in Europa, in Deutschland insbesondere ,erlebt haben, auch hier Einzug gehalten haben: moderne Anbauverfahren die insbesondere sehr stark auf chemischen Pflanzenschutz also auf Pestizide gestützt sind und Landschaftsveränderungen wie Flächenzusammenlegungen, Schaffung von großen Struktureinheiten, also von großen Feldern die die Artenvielfalt erheblich bedrohen. Das ist in der Tat so. Unsere langjährigen immer wiederkehrende Besuche von den Flächen die wir hier visitieren, zeigen uns durchaus sehr starke Veränderungen.
Wir hatten diese Woche ein Treffen mit László Rákosy dem emeritierten Professor für Biologie der Universität Klausenburg/Cluj, mit dem wir seit vielen Jahren auch zusammenarbeiten. Er berichtete uns aus seinen Forschungsprojekten, dass, ähnlich wie in Deutschland, in Rumänien die Insektenbiomasse und die Insektenabundanz, also die Individuenzahl einzelner Insekten, sehr stark abnimmt. Das ist ein Trend der mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft zusammenhängt.
Wie kann man diesen Trend beeinflussen?
Oh, das ist eine sehr gute Frage. Das Ziel unserer Exkursionen insbesondere mit unseren jungen Studierenden, aber auch mit unserer Delegation heute, ist vor allem, den Blick zurückzuwerfen, in eine landwirtschaftliche und landschaftliche Vergangenheit die wir hier in Rumänien sehen, die also auch an die Vergangenheit die wir hatten, anknüpft. Gleichzeitig wollen wir den Blick vorauswerfen, wie eben bewahrenswerte Schätze, gerade in Bezug auf Strukturen und Biodiversität, auf Multifunktionalität der Landschaften wieder in unsere Landwirtschaft implementiert werden können. Wie man hier diese Prozesse aufhalten kann, ist eine Frage auf die ich keine Antwort geben kann. Aber was sicher ist, ist ein ganz ganz großer Druck hin zur Weiterbildung der landwirtschaftlich Beschäftigten, der Betriebsinhaber überhaupt, erst einmal den Schatz den sie in ihrer Wirtschaftsweise behüten, auch tatsächlich zu erkennen. Oftmals sieht man das was vor Augen ist, ja nicht. Man kann gar nicht abschätzen, was diese blütenbunten Wiesen mit dieser ungeheuren Vielzahl an bei uns mittlerweile seltenen oder ausgestorbenen Pflanzen eigentlich bedeutet.
Deshalb sind wir heute in Magura um uns mit dem touristischen Potenzialen von intakten, gesunden Landschaften auseinanderzusetzen, hier mit den Hoteliers zu sprechen, wie zum Beispiel über Tourismus, insbesondere ornithologisch interessierter Gäste aus England, aus der Schweiz, aus Deutschland. Die Bestände an vielen Singvögeln die an diese Landschaften und die Landbewirtschaftung gebunden sind, haben wir nicht mehr bei uns, die sind ja verschwunden. Die sehr große Zahl an Storchennestern mit Jungen die man in den Dörfern sieht, allein das ist nicht nur ein Fotomotiv, sondern ist für jeden Besucher eine zutiefst emotionale Angelegenheit.
Der Tourismus selber könnte vieles gefährden…
Ja, ich sehe bestimmte Dinge die, wenn sich der Tourismus falsch entwickelt, ins Auge fallen. Wenn ich hier, beim Nationalpark den Quad-Verleih sehe oder wenn auf den Wanderwegen dann plötzlich Mountainbiker in ihrer Papagei-Uniform auftauchen oder wenn Motocross-Fahrer an dem berühmten Burgberg bei Coltesti bei Rimetea auftauchen, wo sich einige der artenreichsten Wiesen ganz Rumäniens befinden, dann sehe ich, dass man hier massiv steuern muss, um nicht, wie in anderen Ländern, durch den Tourismus dem Tourismus die eigene Grundlage zu entziehen. Das ist eine wichtige Frage. Wie man das schafft, das ist natürlich eine große Herausforderung.
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Die Fragen stellte
Ralf Sudrigian
Fachschuldozent Dipl.-Ing. Kai Pönitz. Foto: Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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