„Ein unpolitischer Freundeskreis zur Pflege der Kameradschaft und Freizeitgestaltung“ (I)
14.04.23
Der Gut-Heil-Bund des Kronstädter Sächsischen Turn- und Sportvereins (KSTSV)
„Gut Heil!“ war der deutsche Turnergruß schon im 19. Jh. Als der Bukarester Turnverein 1867 dem Kronstädter Sächsischen Turnverein (KSTV) seine Gründung mitteilte und ihm für seine Unterstützung zu diesem Akt dankte, rief er ihm ein herzliches „Gut Heil“ zu. Und Ludwig Servatius, erster Vereinsvorsteher seit 1910 des KSTSV schließt seinen Rückblick anlässlich des 50-jährigen Jubiläum des Vereins im Jahre 1911 ebenfalls mit dem Gruß „Gut Heil“.
Der Kronstädter Sächsische Turnverein (KSTV), gegründet 1861, entfaltete schon gleich nach seiner Gründung eine rege Tätigkeit: Jährlich wurden in Kronstadt und im Burzenland etliche Schauturnen (u.a. auch bei den Honterusfesten) und Wettkämpfe veranstaltet. Der gesellige Teil kam auch nicht zu kurz: Sylvesterabende, Bälle, Juxabende deren Spenden zu einem guten Zweck, für die Reisekasse oder später für den Baufond genutzt wurden, Turnfahrten, ab 1887 sonntägliche Wintervorlesungen aus Wissenschaft und Literatur (bis 1913) und andere mehr standen regelmäßig im Programm. Rasch wuchs auch die Mitgliederzahl: von anfangs 15 aktiven und 12 unterstützenden Mitgliedern waren es im dritten Jahr schon 104 Mitglieder, bald wurde die Zahl 150 überschritten, um die Jahrhundertwende wurden es schon 300 und nach dem ersten Weltkrieg waren es über 600. In den 30-er Jahren nahm die Mitgliederzahl ab, so dass es 1936 noch 350 Mitglieder waren.
Vom KSTV gingen folgende Initiativen aus: einen Siebenbürger-Sächsischen Turnverein zu gründen (der dann bis zu seinem Verbot durch die Hofkanzlei zwischen 1862 und 1865 auch existierte); 1890 wurde der Verband Siebenbürger-Sächsischer Turnvereine gegründet; 1863 - Antrag an das Landeskonsistoriums der ev. Landeskirche AB an allen Schulen das Turnen für die Jungen zum Pflichtfach zu machen (mit positivem Bescheid); 1893 - ein Verbandsliederbuch herauszugeben, welches dann erst 1922 als Liederbuch für die deutsche Jugend in Rumänien erschien; 1923 wird auf Initiative des KSTV der Burzenländer Turngau gegründet; an mehr als der Hälfte der 12 Deutschen Turnfeste zwischen 1863 und 1933 nehmen Delegationen seitens des KSTV teil. Ab 1924 ändert sich der Name des Vereins in Kronstädter Sächsischer Turn- und Sportverein (KSTSV) da die Sportabteilung Olympia voll integriert wurde.
Aus obiger Aufzählung ist zu erkennen, dass der KSTV von Beginn an sehr aktiv war. Dies war sowohl Initiativen einzelner Personen als auch einiger beherzter Förderer des Turnens zu verdanken. 1877 schlossen sich 19 Mitglieder des Vereins zum Gut-Heil-Klub (GHK) zusammen. Es war dies eine engere Vereinigung solcher Mitglieder die sich auf Grund von strenger Satzung gegenseitig zu regelmäßigem Turnbesuch und zu monatlichen Besprechungen verpflichteten. Deklariertes Ziel war „das Turnwesen zu fördern und den Gemeingeist der Turner zu heben“. Gemäß den angenommenen Statuten musste bis 1884 für Turnversäumnisse Strafe gezahlt werden. Ab diesem Jahr waren über 30-Jährige von der Strafe enthoben.
Die Mitglieder des GHK entfalteten eine rege Tätigkeit und in den Festschriften zum 50-ten und 75-jährigen Bestehen des KSTSV wird der GHB (ab 1901 nennt sich die Vereinigung Gut-Heil-Bund, GHB) als „zuverlässige Stütze und als anregende treibende Kraft“ bzw. als „treuer Diener des Vereins“, als „Kern des Vereins“ gerühmt. Und die Tätigkeiten des GHB waren wirklich sehr vielseitig:
Bei allen Turnfesten, Turnreisen, Schauturnen war der GHB sehr zahlreich vertreten. Viele dieser Veranstaltungen fanden auf Grund seiner Anregungen statt. 1885 erstand der GHK käuflich von der Gemeinde Brenndorf die Turnereiche zu der dann regelmäßig Vereinsausflüge stattfanden. Ab 1888 wurden jährlich die Maisitzungen, später Mai-Feiern abgehalten, bei denen das Lied „Der Mai ist gekommen“ ritualmäßig gesungen wurde. Anlässlich des Todes von Theodor Kühlbrandt d.J. im Jahre 1888 - langjähriger 1. und 2. Turnwart des Vereins und Vorsitzende des GHK - gründete der GHK 1890 die „Theodor Kühlbrandt - Stiftung des Gut-Heil-Klubs“ zur Förderung der Turnjugend und Vergabe von Zöglingspreisen. 1894 wird mit gleichem Zweck die „Albert-Rheindt-Stiftung“ ins Leben gerufen. Beide Stiftungen werden dem Verein übergeben.
Ab 1900 werden die deutschen Monatsnamen in den Sitzungsberichten benutzt (Hornung für Februar, Ostaring für April, Gilbert für Oktober u.s.w.). Ab 1901 werden jährlich Bundesausflüge unternommen, zuerst in den Burggrund, dann auf den Untertömösch. Bei einem Bundesausflug 1912 zur Flintsch-Höhle wurde eine neue Höhle entdeckt die den Namen Gut-Heil-Höhle erhielt (eigentlich der Ausfluss der Flintsch-Höhle, schon 1885 anlässlich eines Ausfluges von 19 Vereinsmitgliedern zum Götzentempel und der Flintschhöhle unter der Anführung von Turnwart Theodor Kühlbrandt d.J. entdeckt und von E.A. Bielz als neue Rosenauer Höhle beschrieben, Höhle die aber in Vergessenheit geraten war). Für diese Bundesausflüge wurde auch an eine eigene Hütte gedacht, deren erster Bauabschnitt auch zwischen 1939 und 1941 im Gartschin-Tal, auf einem dafür erworbenem 10.000 qm großem Grundstück errichtet wurde. 1905 regt der GHB das erste Winzerfest des Vereins an, Fest welches dann alljährlich begangen wurde. Auch die Turnerweihnacht wurde eingeführt und jährlich ein paar Tage vor Heilig Abend mit besinnlicher Ansprache und geselligem Beieinandersitzen gemeinsam begangen.
Es war nun einmal eines der Hauptanliegen des GHB „den Gemeingeist“ zu fördern. Es wurde fast zum Hauptanliegen. Der GHB kümmerte sich ganz besonders um den Zusammenhalt des Vereins und ermutigte die Vereinsmitglieder immer wieder zum Mitmachen in der Gemeinschaft. So wurden in den Bundessitzungen langjährige Vereinsmitglieder geehrt, durch ehrende Reden, durch Glückwunschschreiben, durch Geschenke (goldene Ringe, Gedenkmünzen). Ab 1925 führte der GHB einen Fond für Ehrenabzeichen ein die ab 1927 vergeben werden.
Doch neben dem Vereinsleben stand auch das innervölkische Leben der Siebenbürger Sachsen in der Aufmerksamkeit des GHB. So regt der GHK bei der Turnerfahrt 1895 nach Marienburg die Errichtung eines Denkmals am Studentenhügel zu Ehren der 1612 unter dem Kronstädter Stadtrichter Michael Weiß im Kampf gegen Gabriel Bathory gefallenen „Studenten“ - Gymnasiasten - des Kronstädter Honterusgymnasiums an und in der Klubsitzung im Juni wird der Grundstock für einen diesbezüglichen Fond gelegt. 1913 wird das Denkmal dann mit einer großen Feier bei Teilnahme von 611 Turnern, Turnerinnen und Gymnasiasten enthüllt. Der GHK spendet dem „Verein zur Erziehung unbemittelter sächsischer Schüler“. Zu der Gestaltung der Honterus-Feierlichkeiten 1898 mit Enthüllung des Honterusdenkmals hat der GHK maßgeblich beigetragen. Mit Unterstützung des GHB wurde 1912 durch den KSTV - wie auch in allen sächsischen Stadt-und Landgemeinden - eine Jugendwehr gegründet. Zuerst wurde diese von den Turnwarten geführt, 1914 kamen ungarische Offiziere des Honvedregimentes Nr.24 als Ausbilder dazu. Die Jugendwehr war bis Mai 1916 aktiv, als ihr letzter Leiter - GHB-Mitglied Michael Wlaat - einberufen wurde.
Auch über die Grenzen Siebenbürgens hinaus engagierte sich der GHB. So ist es interessant zu erfahren, dass der GHB in den Jahren 1901 und 1902 zu Gunsten der gefangenen Burenfamilien in Südwest-Afrika gespendet hat. Auch 1901 spendet der GHB dem niederösterreichischen Turngau für eine eigene Turnhalle. 1909 wurden Wehrschutzmarken mit dem Bild von St. L. Roth herausgegeben, die in das Verzeichnis der deutschen Wehrschutzmarken aufgenommen wurden.
Wenn noch 1927, beim 50-jährigen Jubiläum der GHB sich für die Zukunft als Aufgabe setzte „entsprechende Pflege des Geräteturnens“ und „im neu gestaltetem Verein (mit Sportabteilung, Anm. des Verfassers) den festen Rahmen für die Turnerabteilung abzugeben“ so traten dem Bund schon kurze Zeit darauf auch Sportler der Leichtathletik, Fechter u.a. bei.
Die Mitgliederzahl des GHK / GHB stieg stetig: aus 19 gründenden Mitgliedern 1877 wurden 1910 schon 35, 1920 waren es 32, und 1936 44. In dieser Größenordnung blieb die Mitgliederzahl auch bis nach 1945.
Bis zum 2-ten Weltkrieg hielt der GHB regelmäßig monatlich seine Sitzungen ab (mit einem geschäftlichen und einem gemütlichen Teil). Alljährlich fand der Bundesausflug statt, (bis zum Hüttenbau 1940 im Gartschintal - in das Tömöschtal), die überlieferte Maifeier mit Käspalukesessen und die Turnerweihnacht. Zu diesen jährlichen Veranstaltungen wurde immer auch der Vorstand des KSTSV geladen.
Die Mitglieder des GHB waren nicht nur Kronstädter, sondern auch Turner - und später auch Sportler - aus den Gemeinden des Burzenlandes. Was ihren sozialen Status anbelangt, so ergibt sich für die 30-er und 40-er Jahre folgendes Bild: Akademiker 15%, Angestellte mit handwerklicher Berufsausbildung 16%, Techniker 5%, ohne Ausbildung 5%, Kaufleute 30%, Unternehmer 23%, freie Handwerker 4%, in gehobenem Dienst 5%.
Mitglieder des GHB waren nicht nur treibende Kraft im KSTSV sondern haben selbst sportliche Höchstleistungen erbracht: Bei allen Burzenländer Gau- und den Verbandswettkämpfen belegten auch GHB-Mitglieder Spitzenplätze; Michael Wlaat, Mitglied seit 1895 war etliche Jahre Leiter der Turnabteilung und wurde für seine Verdienste 1933 mit dem Ehrenbrief der Deutschen Turnerschaft ausgezeichnet; 1922 holt Eduard Volkmer als erster bei den Kampfspielen in Berlin einen Preis; Viktor Glätzer belegt mehrere Male Spitzenplätze im turnerischen Zwölfkampf bei den Gau- und Verbandswettkämpfen und 1933 gehört er zusammen mit den Bundesbrüdern Rudolf Bosch und Johann Schmidt zu der Delegation zu dem Deutschen Turnerfest in Stuttgart; Julius Gebauer (Säbelfechten), Arthur Copony, Adolf Kirschner, Alex Kravatzky (alle 4x100m) gehören zu den Landesmeistern in diesen Disziplinen und haben so zu den vielen Landesmeistertiteln die der KSTSV errungen hat, beigetragen. Copony und Kravatzky gehören auch 1928 den Delegationen zum Deutschen Turnerfest in Köln und der Mannschaft Rumäniens bei der Olympiade in Amsterdam an; Oskar Zeidner war Fechtlehrer Rumäniens; Anton Schimon war über viele Jahre erster Vorturner und Turnlehrer im Verein. Als der KSTSV 1929 und 1930 in Leichtathletik Landesmeister wurde, haben GHB-Mitglieder dazu beigetragen. Mitglieder des GHB wurden in die Bezirkssportgremien berufen.
Die Zeit des Nationalsozialismus ging auch am GHB nicht spurlos vorbei. Ab 1924 bis einschließlich 1932 stand Dr. Waldemar Gust dem KSTSV vor. Er war auch GHB- Mitglied. Dr. Waldemar Gust war in der Klingsor-Gruppe tätig, mit der er 1932 zur „Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien“ von Fritz Fabrizius stieß. 1934 wird Gust zum Ehrenmitglied des KSTSV ernannt. Gust war es der 1935, zusammen mit Dr. Alfred Bonfert und Pfarrer Wilhelm Städel (ab 1936 amtsenthoben, stand bis 1940 in außerkirchlichen Diensten) die rechtsradikale, nationalsozialistisch ausgerichtete „Deutsche Volkspartei in Rumänien“ gründete. Er blieb weiterhin GHB-Mitglied. Er hat sicher seine Überzeugungen auch laut Kund getan. Über die politische und geistige Stimmung im KSTSV und implizit im GHB sagt auch die Tatsache etwas aus, dass im Jahre 1933 Austritte aus dem Verein zu verzeichnen waren, teilweise aus Meinungsverschiedenheit in völkischen Fragen und dass ab 1935 Bildungs- und Dietabende eingeführt wurden. (Diet - Aussprache „Diht“ - kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Volk, im übertragenen Sinn „deutsch“.) Es wurden da volkskundliche, geschichtliche und ähnliche Fragen behandelt, Kenntnisse die dann bei den Verbandswettkämpfen bei einer Dietprüfung gefordert wurden. Aber in der Festschrift von 1936 werden Bedenken betreffend diese Abende geäußert: ... „die endgültige Form der gemeinsamen Abende muss noch gefunden werden da der Verein Bekenner aller politischen Richtungen zu seinen Mitgliedern zählt“.
Manfred Kravatzky
Fortsetzung folgt
Mitglieder des Gut-Heil-Bundes bei einem Ausflug im Gartschintal (Herbst 1948). Ganz vorn: Viktor Glätzer. Foto: privat
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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