„Ein unpolitischer Freundeskreis zur Pflege der Kameradschaft und Freizeitgestaltung“ (II)
21.04.23
Der Gut-Heil-Bund des Kronstädter Sächsischen Turn- und Sportvereins (KSTSV)
In einer Bundessitzung im März 1942, bei der 16 Mitglieder anwesend waren, wurde unter Anderem der satzungsgemäße Beschluss gefasst, dass „der Gut-Heil-Bund ein unpolitischer Freundeskreis von Turn- und Sportkameraden ist, zur Pflege der Kameradschaft und Freizeitgestaltung“. Ein in den 30-er Jahren aktives Mitglied erinnert sich noch 1993, dass „Vereinsmitglieder in der Volksgruppe führende Stellungen inne hatten“. In der Urkunde die im September in die Treppe der oben angegebenen Bundeshütte im Gartschintal einbetoniert wurde, auf der die Namen von 42 Mitgliedern genannt werden (davon 11 anwesend, 6 an der Front im Rahmen der SS) die auch von Waldemar Gust unterzeichnet ist, steht: … „diese Stätte soll den Mitgliedern unseres Gut-Heil-Bundes zur Erholung und Entspannung, zum fröhlichen Beisammensein dienen. Sie soll ein Bindeglied zwischen den Mitgliedern unseres Bundes sein, das uns Alle umschließt und niemals gelöst werden kann...“ Es wird in der Urkunde auch „der Kameraden gedacht, die unter Waffen stehen, teils in der Armee unseres Führers Adolf Hitler, teils im Heere unseres rumänischen Vaterlandes.“ Kein weiteres Wort über Deutschland und den „Führer“.
Im Juli 1942 wurde anlässlich eines Bundesausfluges ins Gartschintal (welches von den GHB-Brüdern oft auch Gartental genannt wurde), bei welchem 17 Bundesbrüder anwesend waren, „der 65-te Geburtstag des GHB“ gefeiert. Noch im April 1944 wurden Spenden seitens der Bundesbrüder für den Weiterbau des Häuschens im „Gartental“ gesammelt, für welches ausführungsreife Planung vorlag. Über die Zeit nach 1936 bis 1945 sind die Informationen jedoch spärlich da das Archiv des KSTSV in der Vereinskanzlei, welche sich ab Juni 1934 in der Klostergasse Nr.9 befand - des inzwischen aufgelösten KSTSV - beim Umsturz am 23. August 1944 vernichtet wurde.
Nach 1945 ging das Vereinsleben der Bundesbrüder weiter wobei nur noch Gemeinschaft gepflegt wurde, gab es doch den KSTSV nicht mehr. Vorerst war man äußerst vorsichtig, um keinen Anstoß zu erregen. Außer einer Fläche von etlichen „zich“ qm wurde das Grundstück im Gartschintal der Landwirtschaftlichen Genossenschaft aus Hosszufalu/ Siebendörfer/S²cele geschenkt, die restliche Fläche auf den Namen des damals jüngsten Mitglied im Grundbuch eingetragen. Schon 1948 wurde hier wieder ein Winzerfest gefeiert. Es wurden Bundesausflüge zur Hütte im Gartschintal unternommen. Anfangs nur die Männer/Vereinsmitglieder doch ab 1950 ausschließlich mit Familie und Kindern um nicht den Anschein einer politischen Vereinigung zu erwecken. Auch zu Beginn der 50-er Jahre wurden Söhne von Altmitgliedern in den Verein aufgenommen. Es wurde auf der oberen Terrasse des Bettes des Gartschinbaches ein „Totenhain“ eingerichtet: für jeden verstorbenen Bundesbruder wurde ein Findling aufgestellt und bei Bundesausflügen hier der Toten feierlich gedacht. Dem Totenhain setzte wiederholt Hochwasser im Bach zu bis er dann Anfang der 60-er Jahre ganz weggespült wurde. Es wurden wieder die Maifeiern mit Käspalukes, die Winzerfeste (auch Ernte-Dank-Feste) und die Turnerweihnacht aufgenommen. Monatlich am Montag traf man sich reihum bei einem der „Brüder“ (von Turnbruder). Ab 1976 waren diese Treffen „Packerlabende“, da die Beschaffungsmöglichkeiten bei Lebensmitteln immer prekärer wurden. Bei allen Treffen wurde auch gesungen. Jeder Turnbruder hatte sein Lieblingslied. Es wurde wieder eine Vereinskasse mit verantwortlichem Kassier ins Leben gerufen, da Jahresbeiträge geleistet werden mussten und Spenden eingingen. An den Sonntagen wurden Pflichtausflüge zum Häuschen zugeteilt um da Leben zu zeigen. Alljährlich im Frühjahr wurde ein Arbeitswochenende abgehalten, mit Groß-Reinemachen und Ausbesserungen an der Hütte. 1967 wurde dem 90-jährigen Bestehen des GHB gedacht. Es waren damals noch 30 männliche Mitglieder. Ab diesem Zeitpunkt sollte sich der GHB auch nicht mehr so, sondern „Freundeskreis“ nennen. Auch ab da wurde anlässlich des 60-jährigen Geburtstages allen Brüdern der Turnerring (mit den eingravierten 4 F) überreicht. Alle runden und mit 5 endenden Geburtstage - auch der Ehefrauen und Witwen - wurden ausgeschenkt und gemeinsam gefeiert und zu Ehren der Gefeierten Ansprachen gehalten und Geschenke überreicht. Die fortschreitende Zeit forderte weiter ihren Tribut: 1971 waren es nur noch acht Mitglieder in Rumänien und 14 im Ausland. Da die Zahl der Mitglieder wegen Todesfällen immer weiter zurückging, wurden weitere Söhne von einst aktiven Mitgliedern aufgenommen. So kamen bis 1972 vier junge Mitglieder hinzu und im Laufe der Jahre bis 1978 nochmals vier. Anlässlich der traditionellen Maifeier im Jahr 1977 wurde auch dem 100 jährigen Bestehen des GHB gedacht.
In den Sommermonaten wurde die Hütte wochenweise den Mitgliedern zugeteilt und es wurde dort in malerischer Umgebung Urlaub mit der Familie gemacht. Die Turnbrüder aus dem Ausland hielten die Verbindung mit der alten Heimat. Einige kamen jährlich und feierten oft die anstehenden Feste mit. Andere kamen immer wieder. Alle genossen die gemeinsamen Veranstaltungen und es gab manches feuchte Auge wenn das Lieblingslied angestimmt wurde. Der Kameradschaftssinn war eben sehr stark geprägt, viel stärker als bei den „Jungen“.
Praktisch bis Ende der 80-er Jahre wurde dies so geschilderte Vereinsleben weiter geführt. Man traf sich reihum, besonders gerne aber bei den Brüdern Heinrich in Wolkendorf, Ossi in Neustadt oder in Honigberg, konnte doch dort auch die Burzenländer Umgebung im Grünen genossen werden. Ende der 80-er Jahre waren es im Land noch zwei seinerzeit aktive Mitglieder und vier „Junge“. Alle Übrigen waren ausgewandert oder verstorben. 1990 wanderten auch die letzten Jungen aus. Daheim blieben noch zwei „Alte“ : Rudolf Bosch und Anton Horvath. 1992 fiel das Häuschen im Gartschintal einem Brandanschlag zum Opfer: es brannte zu einem Haufen Asche und verformter Stahlteile ab. Tatsache ist, dass das Häuschen - so wie in der in die Stufe einbetonierten Urkunde prophezeit - das Bindeglied gewesen ist. Mit dem Verschwinden des Häuschens brach auch der Zusammenhalt - auch der „Jungen“ - auseinander. Es trafen sich noch einmal 1991 in Deutschland vier der „Jungen“ auf Veranlassung von Adolf Kirschner eines der ältesten und treusten Mitglieder - 1922 war er schon Fahnenjunker des KSTV - und aus war‘s! Nach 114 Jahren ununterbrochener Tätigkeit und Kameradschaft hörte der Gut-Heil-Bund auf zu existieren. 1997 starb auch das letzte aktive GHB-Mitglied in Rumänien. Geblieben sind ein paar Abzeichen, Pokale, jede Menge Fotografien, Liedertexte, Gedichte, Festschriften. All diese legen Zeugnis ab von einst Geleistetem, von einem einmaligen Kameradschaftssinn, von dem was war dank des Willens und Einsatzes Einiger die es verstanden haben viele Andere mitzureißen.
Gefangen in der Vergangenheit kann man nicht nach vorne blicken. Aber es ist gut, dies Geleistete auch der heutigen Generation zu vermitteln. Darauf könnte aufgebaut werden.
Manfred Kravatzky
Gut-Heil-Bund: Gemütliches Treffen bei der Hütte des Bundes im Sommer 1950. Foto: privat
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