Eine europäische Premiere
24.03.11
Die Röhrenbogenbrücke über die Cerna in Herkulesbad
Immer wieder kommen negative Schlagzeilen aus und über Herkulesbad/Baile Herculane, über die unverantwortliche Art und Weise wie dieser Kurort, der nun seit über 2.000 Jahren als solcher besteht, in der Zeit nach 1989 zu Grunde gerichtet wurde. Dabei wird von den Bauten vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts berichtet; dass es hier aber auch ein technisches Denkmal von Weltbedeutung gibt (oder gab) wird nie erwähnt.
Als Techniker bedaure ich es immer wieder, dass es in fast allen unsern Veröffentlichungen, auch in der „Karpatenrundschau“, eine Vorliebe für Dichtung und Folklore gibt, dadurch kommen viele interessante Gegenstände, vor allem aus dem Bereich der Technik, zu kurz.
Ich stieß zufällig in einem Buch über Brückenbau auf eine Konstruktion die in den 30-er Jahren des 19. Jahrhundert ausgeführt wurde und damals weltweit Aufsehen erregte, denn bis dahin gab es keine „Röhrenbogenbrücke“ mit einer so großer Spannweite.
Diese Brücke führt über die Cerna bei Herkulesbad. Leider konnte ich auch im Internet nicht herausfinden, ob sie noch steht und wenn ja, in welchem Zustande sie sich befindet.
Von einem Artikel der in den Nummern 45 und 46 der „Allgemeine Bauzeitung“ aus dem Jahre 1838 erschienen ist, war ich von dieser großen technischen Leistung fasziniert. Dazu kam, dass auch die Sprache einiges Interesse bot. Es sei hier eine Kostprobe geboten: „Österreich, dessen weise Staatsverwaltung stets darauf bedacht ist, alles Neue, sobald es sich auch als Gutes herausstellt, für die unter dem milden kaiserlichen Szepter stehenden Staaten so anwendbar als möglich zu machen, und welches mit Eifer jeden Weg verfolgt, der die Industrie und Gewerbsamkeit des Landes befördern könnte: Österreich ist bereits seit vielen Jahren (...) fortbauend auf die Erfahrung anderer Länder, geräuschlos, aber sichern Schrittes vorwärts gegangen und steht auf der Höhe der Intelligenz, von welcher sich der besuchende Fremde mit Erstaunen überzeugt.“ (Die Lobhudelei die wir hier hören, schrillt uns noch in den Ohren, genau wie wir es vor 21 Jahren hören mussten.) „So hat auch in der neuesten Zeit das Röhrensystem, in seiner Anwendung im Brückenbau in den österreichischen Staaten eine Verbesserung erfahren, welche wir als eine rein vaterländische Erfindung, dem Publikum mitzuteilen nicht verabsäumen wollen. Es ist dies die Verbindung des Röhrenbogensystems mit dem Kettensystem.“
Nun zum Aufbau der Brücke:
Die Brücke stützt sich auf zwei im Flussbett gegründete Pfeiler die eine Höhe von 24´ (7,58 m; 1 Wiener Fuß = 316,1 mm) über dem normalen Wasserspiegel haben und 127´8” (40,34 m; ein Zoll -“- = 26,34 mm) weit auseinander stehen.
Die Pfeiler sind aus Stein aufgemauert und, da es oft Hochwasser gibt das viel Holz mitbringt, sind diese Pfeiler auf einer Höhe von 12´ (3,79 m) mit gusseisernen Platten verkleidet, die mit schmiedeeisernen Schließen an den Pfeilern befestigt sind. Auf diesen Pfeilern sind je vier Widerlager aufgesetzt, in denen einerseits die vier Bögen, die aus je 66 gusseisernen Rohrstücken von 2´(632 mm) Länge zusammengeschraubt sind, lagern und auch die Spannketten, die die Bogensehne bilden und die Schubkräfte aufnehmen, so dass auf die Pfeiler nur das Gewicht der Brücke und die Verkehrslast und keine Querkräfte wirken. Die Widerlager sind paarweise, mit einem Abstand von 4´3“ (1.342,99 mm) angeordnet. Zwischen den Bögen liegen die Gehsteige, die Fahrbahn misst 17´3“ (5.450,99 mm). (Hier sei bemerkt, dass diese Breite der Fahrbahn auch den Ansprüchen des heutigen Verkehrs für eine zweispurige Straße gerecht wird). Die Widerlager und die Endzylinder der Bögen sind durchbohrt und mit einem Bolzen von 3“ (78,99 mm) Durchmesser mit Passsitz verbunden. Diese Bolzen bilden auch die Verbindung zu den Spannketten die unter jedem Bogen angebracht sind. Diese Spannketten sind mit je 19 Hängestäben von 1¼“ (32,91 mm) Durchmesser mit den Röhrenbogen verbunden, dadurch wird verhindert, dass sie durchhängen könnten. Auch die Spannketten sind unter sich durch ¾“ (19,74 mm) starke Stäbe verbunden. Die Festigkeit der Ketten wurde auf Prüfmaschinen geprüft, der Querschnitt jeder Kette beträgt 12 Quadratzoll (693,27 qmm). Außerdem sind die Ketten noch mit den zugehörigen Bögen durch 18 sich kreuzende Stäbe von ¾“ (19,74 mm) Durchmesser aus Schmiedeeisen verbunden. Die Kreuzungspunkte fallen immer auf einen Hängestab. Alle Verbindungen sind Schraubverbindungen, die Muttern sind durch Gegenmuttern gesichert. Die Bögen sind ebenfalls durch gekreuzte ¾“ (19,74 mm) Rundeisen verbunden. Über den Gehsteigen beginnen diese Verkreuzungen in 7´ (2.212,00 mm) Höhe, über der Fahrbahn in 12´ (3.792,00 mm), diese Höhe entspricht auch dem heutigen Verkehr.
Die Fahrbahn der Brücke ruht auf Holzbohlen, ebenso die Trottoirs, die gegen die Wasserseite durch gusseiserne Geländer geschützt sind.
Die gesamte Metallkonstruktion ist mit schwarzem, glänzendem Firnis gestrichen.
Um die Tragfähigkeit der Brücke zu ermitteln, wurden die möglichen Belastungen berechnet:
1. Gewicht der Brücke mit allen Komponenten 80.775 Pfd. (45.234 kg)
2. Als Verkehrslast wird der ungünstigste Fall von 59,48 Pfund pro Quadratfuß angenommen.
3. Die Windkräfte werden zu 2,5 Pfund pro Quadratfuß (14 kg/qm) angenommen. (Hier sei bemerkt, dass aus heutigem Wissen diese Annahme nicht mehr akzeptabel ist, heute wird für diesen Fall eine Windbelastung von 128 kg/qm angenommen!, also rund das neunfache.)
4. Die Belastung durch Schnee wird zu 4,66 Pfund pro Quadratfuß (26,1 kg/qm) angenommen. (Heute gelten für diesen Wert 75 kg/qm.)
Dann ergibt sich die Belastung im ungünstigsten Fall:
a. Gewicht der Brücke 80775 Pfd. (45.234 kg)
b. Belastung durch den Verkehr 219.828 Pfd. (123.103,68 kg)
c. Windlast 9.240 Pfd. (5.174,4 kg)
d. Belastung durch Schnee 17.223 Pfd. (9.644,88 kg)
Gesamtbelastung 327.066 Pfd. (183.156,96 kg)
Da die Elemente der Röhrenbogen nur auf Druck beansprucht werden, deren Fläche zusammen 4 x 28,86 = 115,45 Quadratzoll (80.038 qmm) ausmachen, so erfolgt eine Druckbelastung von 327.066:115,45 = 2.832 Pfd/Quadratzoll (198,3 kg/qmm) Heute gilt für Gusseisen eine Druckfestigkeit von 1.200 kg/qcm, d. h. es liegt hier ein Sicherheitskoeffizient von 1.200:198,3 = 6 vor, dadurch wird auch die nicht richtige Bemessung der Belastung durch Wind und Schnee ausgeglichen.
Nach Fertigstellung der Brücke wurde diese einer Belastungsprobe durch aufgebrachte Erde unterzogen, die effektive Belastung war sogar höher als angenommen, denn während der Prüfung regnete es, wodurch das Gewicht der Erde beträchtlich anwuchs.
Die Brücke wurde von den Brüdern Hoffmann und C. Maderspach in deren Hüttenwerk in Rußkberg (laut Straßenatlas Rusca Montana, hier habe ich aber nur Marmorbrüche gefunden, keinen Hinweis auf ein Hüttenwerk, kann da ein Leser aus dem Banat Nachricht geben?).
Von diesem Hüttenwerk und den vorgenannten Herrn wurde 1833 eine ähnliche Brücke mit 60` (19 m) Spannweite in Lugosch/Lugoj gebaut, hier wurden für die Bögen aber nicht Zylinder sondern Kästen mit quadratischem Querschnitt verwendet. Eine dritte Brücke dieser Art ist die Gichtbrücke (Brücke zu der Beschickung der Hochöfen) für die Hochöfen in Rußkitza mit einer Spannweite von 114` (36 m).
Man muss dabei berücksichtigen, dass der Bau eiserner Brücken in der Zeit vor allem durch das Fehlen von entsprechendem Material gehindert war denn nur Gusseisen stand in größeren Mengen zur Verfügung, das sich aber nur bedingt für den Bau von Brücken eignet. Schmiedeeisen wurde mühevoll im Rennofen erzeugt, war teuer und in seiner Zusammensetzung und Festigkeitseigenschaften sehr ungleichmäßig.
So gesehen, kann man dem oben zitierten Ausspruch über die Fortschrittlichkeit der österreichischen Industrie seinen Wahrheitsgehalt nicht absprechen.
Erwin Hellmann
Der Übersichtsplan der Cerna-Brücke, so wie sie in der Allgemeinen Bauzeitung von 1838 mit Oben-, Seiten- Schnittansicht und Details abgedruckt wurde.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek – Online (ÖNB-ANNO) Archiv der Allgemeinen Bauzeitung/1838.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]