Eine riesengroße Familie (I)
05.07.24
Die persönlichen Highlights des Internationalen Filmfestivals in Klausenburg (TIFF23)
Der 1. Juli ist in diesem Jahr ungewöhnlich heiß und etwas melancholisch. Die Straßen von Klausenburg und Hermannstadt sind leerer, die Alltagsroutine kehrt langsam zurück. Es ist der erste Tag nach den beiden größten Kulturveranstaltungen, die Rumänien zu bieten hat: TIFF (das Internationale Filmfestival „Transilvania) und FITS (das Internationale Theaterfestival in Hermannstadt). Die Festivaltage in den beiden siebenbürgischen Städten sind für Kulturliebhaber wie Weihnachten mitten im Sommer. Beide Festivals werben mit den Farben rot und weiß, und es sind auch Feste der Liebe und der Zusammengehörigkeit. Filme im Kinosaal und Theateraufführungen sind Erfahrungen, die man zusammen mit Anderen macht. Dabei fühlt man sich wie ein Teil einer riesige Familie. Auch die Werbekampagnen der beiden Festivals waren ähnlich und thematisierten zwischenmenschliche Beziehungen: während FITS, das seine 31. Auflage erreicht hat, mit dem Begriff der Freundschaft (Friendship) geworben hat, war das Thema der TIFF-Werbung in diesem Jahr ein Wortspiel, das auch auf Beziehungen hinweist: Reel-Ationship („Reel“ und „Relationship). Reels sind kurze Videos, die eine maximale Länge von 90 Sekunden haben und auf Social Media gepostet werden. Sie können verschiedene Elemente wie Musik, Text, Effekte und Filter enthalten, um den Inhalt ansprechender zu gestalten. Man kann sagen, es sind sehr kurze Geschichten in Film-Form. An denen man auch andere Leute teilhaben lässt. Denn was wäre eine Geschichte, die man niemandem erzählen kann?
Seit 18 Jahren begleite ich TIFF als begeisterter Zuschauer-das waren tausende im Dunkel des Kinosaals verbrachte Stunden, hunderte von bewegenden Leinwandgeschichten aber auch unvergessliche Momente außerhalb des Kinos. Wie zum Beispiel die lange Warteschlange vor dem Florin Piersic-Kino um ein Ticket für den Film „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ von Cristian Mungiu zu sehen, der gerade in Cannes gewonnen hatte. Oder die Partynächte, als das Festival noch ganz am Anfang war. Oder der sonnige Tag im Juni 2017 als ich nach einem Tag im Park die Erleuchtung hatte, dass es auch ohne 6 Filme pro Tag geht. Oder der Corona-Sommer 2020, an dem das Festival keine Pause machte und man Filme unter freiem Himmel und mit TIFF-Schutzmaske sehen konnte. Am schönsten waren aber immer die Gespräche mit Freunden und Bekannten nach den Filmen. Und die Erfahrung, einen Film in einem vollen Saal mit Tausend anderen Leuten zu sehen, ist nach wie vor unvergleichlich. Und bietet viel mehr als ein Abend alleine vor dem Laptop. Was bedeutet aber das Thema „Familie“ und „zusammen“ heute? Es ist für das Kino unerschöpflich- denn alles, was in der Familie passiert widerspiegelt sich auch in der Gesellschaft. Dieses Thema war es, das die meisten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe, miteinander verbunden hat.
Über die Filme, die mir nach acht TIFF-Tagen in Erinnerung geblieben sind (und die hoffentlich bald in die rumänischen Kinos kommen) aber auch über andere Erlebnisse der 23. Auflage in den nächsten Zeilen.
Girls will be girls – der große Gewinner
In diesem Jahr gewann (für mich sehr erstaunlich) der indische Film „Girls will be girls“ der Regisseurin Shuchi Talatis die große TIFF-Trophäe. Erstaunlich, weil es sich um eine sehr einfache Geschichte handelt: eine coming-of-age Story, in der sowohl Mutter als auch Tochter erwachsen werden.
Zu Beginn der 12. Klasse wird die 16-jährige Mira (Preeti Panigrahi) als erstes Mädchen an ihrer Schule zur Schulsprecherin ernannt, ein Titel, den sie sich aufgrund ihrer tadellosen schulischen Leistungen verdient hat. Die prestigeträchtige Ernennung bringt es mit sich, dass sie ihre Freundinnen und Mitschülerinnen zurechtweisen muss, sei es, weil ihre Uniformen nicht den Vorschriften entsprechen, oder weil die Mädchen zu viel Zeit mit den Jungen verbracht haben.
Elise Wilk
Fortsetzung folgt
Die Eröffnungsgala von TIFF 23 auf dem Hauptplatz. Foto: Nicu Cherciu
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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