Eine Rosenauerin erinnert sich
14.01.10
Vor 65 Jahren nach Russland deportiert
Helene-Martha Kopony (Jahrgang 1925) aus Rosenau wurde zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Vater am 21. Januar 1945 mit dem zweiten Burzenländer Transport nach Russland deportiert. 96 Personen wurden in einem einzigen Viehwaggon transportiert, man bekam fast kein Wasser und keine Nahrung. Am 2. Februar kam der Zug im Donbass in Makiewka an. Der Winter war schrecklich kalt, viel Schnee war gefallen. Das Gebäude, in dem man untergebracht wurde, hatte keine Türen, keine Fenster, in den Räumen waren keine Betten und keine Öfen. „Nach zwei Tagen haben wir Pritschen gemacht, aber die Bretter waren voll Eis. Weil wir auch keine Heizung hatten, mussten wir auf den eingefrorenen Brettern schlafen.“ Nach zwei-drei Tagen mussten Martha Kopony und drei andere Frauen in der schrecklichen Kälte für das Fundament eines Gebäudes graben. „Die Erde war ein Meter tief eingefroren, wir hatten weder das richtige Werkzeug, noch die geeigneten Kleider, es war eine Qual. Zwei unbekannte barmherzige Russinnen luden uns aber ins Warme zu einem heißen Borsch ein.“ Wenn man nicht auf gutherzige Leute traf, waren die Arbeit und die Kälte unaushaltbar. „Am 9. Mai 1945, zum Kriegsende, läuteten die Glocken sehr lange. Wir hofften aus ganzem Herzen, es würde nun besser werden“, erzählt die Rosenauerin. Zusammen mit ihrer Schwester und einer Frau aus Zeiden entschlossen sie sich, nach Hause zu Fuß zu flüchten. Der Vater blieb im Lager, wo er in der Schreinerei eine etwas bessere Arbeit hatte, die drei jungen Frauen machten sich aber auf den langen Weg heimwärts. Nachts gingen sie, stets auf den Feldern und nie in der Nähe der Straßen, tagsüber versteckten sie sich. Wasser und Nahrung fehlten fast immer, nur manchmal trafen sie auf einen großzügigen Bauern oder eine mitleidige Frau, die ihnen mit Verpflegung oder einem Hinweis halfen. Mehrere Male wurden sie jedoch auch festgenommen und zum Parteibüro oder zur Polizei gebracht. Auch dort wurden sie meistens menschlich behandelt, manchmal aber, im Gegenteil, ausgeraubt und geschlagen. Trotz allen Schwierigkeiten, gelang es ihnen, ihren Weg weiter zu gehen.
„Wir hatten uns falsche Namen erfunden, schon am ersten Tag nach der Flucht, denn Akten hatten wir keine. Ich hieß Maria Ducar, die anderen hatten auch rumänische Namen“, erinnert sie sich. Nach einem Monat Arbeit auf einem Kolhos folgte die lange Zeit in dem Hüttenwerk „Sawod Lenina“ in Dnepropetrovsk. Martha Kopony arbeitete dort in der Fabrik, zu erst beim Transport fertiger Eisenrohre und später in der Halle wo die Rohre hergestellt und gekühlt wurden. Da sie Schwerarbeit leistete, erhielt sie etwas bessere Verpflegung und das gleiche Gehalt wie die russischen Angestellten. „Wir wohnten in riesigen Hallen, je drei Betten übereinander. Die Räume waren in der Mitte getrennt, auf der einen Seite wohnten die Frauen, auf der anderen die Männer. Das Schlimmste war aber, dass wir überhaupt nicht für das russische Klima vorbereitet waren. Wir konnten die Kälte kaum aushalten.“
1948 erkrankte Martha Kopony an Malaria. „Sehr viele waren angesteckt. Jeden Tag kam ein Pferdewagen vorbei, auf den manchmal mehr als 30 Tote aufgeladen wurden. Meine Schwester verschaffte mir Chinin, und das war meine Rettung, sonst wäre ich gestorben. Es war ein Wunder, dass ich wieder zu mir kam.“
Nach der schweren Krankheit arbeitete die Rosenauerin auf dem Brotauto, das aus der Fabrik Brot abholte und in verschiedene Lager oder Läden transportierte. „Es war eine gute Arbeit, denn man hatte genug zu essen. Nur eines quälte mich auch hier: im Auto wurde es mir ständig schlecht.“ Im Herbst 1949 versetzte man einige noch kräftige Arbeiter, darunter auch Martha Kopony, aus Dnepropetrovsk nach Saporosche zur Arbeit, von dort wurden sie dann wieder in Viehwaggons nach Rumänien transportiert. „In Sighet konnten wir aus dem Zug aussteigen und entscheiden, ob wir nach Deutschland oder nach Rumänien fahren wollten. Zuerst waren wir begeistert und wollten nach Deutschland fahren, dann hieß es aber, dass der Zug wieder durch Russland fahren würde. Wir entschieden uns gleich für Rosenau, wohin wir am 19. Dezember 1949 ankamen. Zu Hause war schon lange der ganze Besitz der Familie enteignet worden, die Mutter sah viel älter aus, der Vater musste nach vier Jahren auf der Front und vier Jahren im russischen Lager noch zwei Jahre Zwangsaufenthalt in Reps verbringen. Nichts war wie früher.“
Christine Chiriac
Foto
Martha Kopony, heute 84 Jahre alt, überrascht mit ihrer Energie und ihrem Optimismus.
Foto: KR
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