"eine Welt, in der das Musizieren sehr wichtig war – und ist"
25.04.25
Aus den Erinnerungen eines Kronstädter Hornisten/ von Diethard Knopp
Vorliegende Zeilen verdanken ihre Entstehung einem Besuch von Eckart Schlandt um die Jahrtausendwende in Nürnberg. Als ich ihm meine Arbeit über Michael Haydn zeigte, sagte er mir, dass mein autobiographischer Werdegang als Hornist, der damals noch darin stand, nicht dazu passte. Nach seiner Trennung vom Rest versucht der Aufsatz nun den Stellenwert zu skizzieren, den das Waldhorn Spielen in obigen Erinnerungen einnimmt.
Das Musizieren war dem Verfasser schon immer eine sehr liebe Amateurtätigkeit. Mit Ausnahme des Horn-Studiums am Klausenburger Konservatorium (1961 – 1962) blieb es aber immer eine Liebhaberei, die neben dem Hauptberuf als Schüler, Anglistik – und Jurastudent und schließlich als Lehrer einher lief. Vieles trug dazu bei, dass sich mir die genannte, ungemein bereichernde und, wie die alten Griechen sagten, sogar charakterbildende Tätigkeit des ausübenden Musikers, in dem Fall eines Hornisten, überhaupt erst erschloss.
Einen ersten Kontakt mit dem Orchesterleben gab es unter unserem Musiklehrer Viktor Bickerich, der um 1957 im „Kapitelszimmer“ bei der Schwarzen Kirche ein Schülerorchester gründete. Unser Proberaum hatte seinen Namen daher, dass dort die Sitzungen der Pfarrer aus dem Burzenländer „Kapitel“ abgehalten wurden. Bickerichs Nachfolger war mein Musiklehrer am Honterus-Gymnasium zu Kronstadt, Walter Schlandt, Vater des eingangs genannten Eckart Schlandt. Er drückte mir erstmals ein Wiener F-Horn in die Hand. Es ist der Horn-Typ, dem ich bis heute treu geblieben bin. Inzwischen war es unserer ganzen Schule gelungen aus dem „Saguna“-Gebäude auszuziehen und auf den Honterus-Hof zurückzukehren, wenn es auch nur für vier Jahre sein sollte. Im selben Proberaum mühte sich „Papa“ Schlandt, wie er liebevoll genannt wurde, jeden Montag und Donnerstag Abend im Schulorchester mit uns ab. Dabei blieb es, obwohl wir 1960 vorübergehend wieder ans Saguna-Lyzeum angeschlossen wurden.
Im Herbst 1957 bestanden mein Nachbar und Klassenkamerad Ewald Zoltner und ich die Aufnahmeprüfung an die Kronstädter Volkskunstschule, Abteilung Blechbläser. Ab da lag unsere Ausbildung in den Händen unseres verehrten Hornlehrers Miron Salau. Er brachte uns einen korrekten Ansatz und gute Atemtechnik bei. Im Schülerorchester hatten wir einen gemeinsamen Klassenkameraden, Bernd Zeides, der wie wir beide ebenfalls in Kronstadts Oberer Vorstadt lebte und gleichfalls Horn blies. Er wechselte aber vom Horn zum Fagott, so dass wir mit Ewald beim Horn nur zu zweit blieben.
Meine Eltern kauften mir 1959 von Hrn. Gerster (Vorgänger von Miron Salau als Primhornist der Kronstädter Philharmoniker), mein erstes eigenes (F-)Horn. Ich durfte es 1977 bei unserer Aussiedlung leider nicht mit nach Deutschland nehmen. Gerster gab mir erste Tipps für den angehenden Orchestermusiker. Die Eltern förderten unsere musikalische Ausbildung. Vater durch lebendiges Beispiel (Flügelhorn), Mutter durch ersten Klavierunterricht und als Klavierbegleiterin. So absolvierte mein jüngerer Bruder Wolfgang ebenfalls die Ausbildung zum Hornisten beim selben Horn-Lehrer. Meine Mutter blieb bis zu ihrem Tode 2005 Jahrzehnte hindurch eine einfühlsame, aber auch kritische musikalische Wegbegleiterin.
Beim Einüben von Horn-Konzerten ersetzte Mutter mit ihrem Klavier das fehlende Orchester. So führte ich in der zehnten Klasse das dritte Konzert in Es-Dur, Köchelverzeichnis (KV) 447, von Mozart auf, mit dem ich die Bewerbung um eine Stelle als Orchester-Hornist beim Operettenorchester in Kronstadt gegen schwere Konkurrenz gewann. Die Stelle trat ich zwar nicht an, weil dafür ein Wechsel an das Abend-Gymnasium nötig gewesen wäre. Aber der Erfolg bestätigte meine Eignung als Orchestermusiker. In den Schulferien spielte ich aushilfsweise bei den Kronstädter Philharmonikern mit, was weitere Erfahrung mit sich brachte. Nach dem Abitur bestand ich 1961 mit demselben Mozart-Konzert die Aufnahmeprüfung ans Klausenburger Konservatorium, ein Erfolg, den ich nicht zuletzt meinem tüchtigen Horn-Lehrer zu verdanken hatte.
Mein Klassenkamerad bis zum Abitur, Horia Cristian, Klavierspieler, komponierte in der zehnten Klasse ein „Lied ohne Worte“ für Horn und Klavier, das wir in der Aula des Honterus-Gymnasiums vortrugen. Später studierten wir gemeinsam an der Universität Klausenburg (Fakultät für Gesang und Instrumente) ein paar Semester Musik. Meine dortigen Lehrer waren der Hornbläser Vasile Muresan, die Orchesterdirigenten Antonin Ciolan und Emil Simon sowie der Kammermusiklehrer und Flötist Dumitru Pop.
Leider musste ich meine dortige Ausbildung auf Anordnung des Universitätsrektors vorzeitig abbrechen. Es war nämlich bekannt geworden, dass ich 1962 ein Studium der Anglistik aufgenommen hatte. Der gleichzeitige Besuch zweier Fakultäten war im Kommunismus aber untersagt.
Nach erfolgreichem Studium wurde ich 1967 Englischlehrer an der deutschen Abteilung des Saguna-Lyzeums, wo das Honterus-Gymnasium damals immer noch untergebracht war. Anselm Honigberger, berühmter Oboist der Kronstädter Philharmoniker, gründete zu der Zeit ein Lehrerorchester, an dem ich bis zu dessen plötzlichem Tod als Hornist mitwirkte.
1967 gelang es uns, diesmal endgültig, in die alten Gebäude des Honterus-Gymnasiums am Honterus-Hof zurückzukehren. Wir gründeten dort ein Oberkrainer-Quintett in dem ich das Flügelhorn meines Vaters blies, der 1972 mit Mutter und unserem jüngsten Bruder, Frieder, ausgewandert war.
Nach unserer Aussiedlung blies ich bis 1986, also ungefähr neun Jahre lang vor allem das Tenorhorn in der Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e. V., teilweise unter Hans Welther, ebenfalls ein Salau-Schüler.
Meine geliebte, treue Frau und Weggefährtin, Gerlinde Knopp; geb. Haffer, kaufte mir dann Anfang der neunziger Jahren in Nürnberg, wo wir seit 1977 leben, ein „Lidl“-Horn, auf dem ich bis heute spiele. Sie ermöglichte mir dadurch einen Neuanfang als Hornisten und ermunterte mich immer weiter zum Musizieren. Mein jetziges Horn ähnelt von der Technik her ungefähr demjenigen, welches ich in Kronstadt zurücklassen musste. Es ist wieder ein einfaches „Wiener“ F-Horn und kommt aus Tschechien. Es sieht ungefähr so aus wie dasjenige, welches in der beigefügten Illustration abgebildet ist. Kurt Janetzky und Bernhard Brüchle beschreiben es in ihrem Buch „Das Horn“, Bern und Stuttgart, 1977, Seite 101, als „Wiener Horn mit Aufsteckbogen in F“. Das Instrument, welches sie für ihr Buch fotografierten, befindet sich im Deutschen Museum, München.
Nachdem ich in Nürnberg wieder ein Horn hatte, übten wir mit meiner Mutter das Horn-Konzert in D-Dur, Werkverzeichnis Hob VII/d:4 für Horn und Streichorchester von Joseph Haydn ein. Anneliese Schuller, geb. Danek, ebenfalls aus der Oberen Vorstadt, eine Tante des eingangs erwähnten Johannes Killyen, verhalf mir zu meinem ersten Auftritt als Horn-Solist in Deutschland. Das war in der Kirche von Behringersdorf, einer Nürnberger Vorstadt, wo sie die Orgel spielte. Sie war meine Kollegin sowohl am Honterus-Gymnasium, wo wir gemeinsam im Schülerorchester musizierten, als auch am Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasium (Schwabach), wo wir beide unterrichteten. Wir bildeten dort eine Art Kronstädter „Eck“ zu dem außerdem die Cello-Lehrerin Ingeborg Kühlbrandt gehörte. Sie ist die Schwester des berühmten Cello-Solisten Götz Teutsch. Wir kannten uns alle seit den Jahren, die wir im Kronstädter Schülerorchester zubrachten. Es gab dann noch mehrere Auftritte mit demselben Konzert in verschiedenen Sälen von Nürnberg.
Höhepunkt meiner Karriere als Amateur-Hornbläser waren aber die Aufführungen einer Komposition von Michael Haydn. Es ist sein Concertino für Horn und Orchester, Universal Edition Mainz (UE) Nr. 25009C. Es wurde erst 1969 in der Bayerischen Staatsbibliothek, München, entdeckt. Haydn war 1760 – 1762 Domkapellmeister in Großwardein (später ung. Nagyvárad, jetzt rum. Oradea). Er ist einer der wenigen großen Komponisten, die längere Zeit in Siebenbürgen wirkten. Ich komponierte selbst zwei Kadenzen dazu. Sie waren zwar jeweils am Ende der ersten beiden Sätze in der Partitur vorgesehen, aber nicht ausgeführt. In der zweiten brachte ich etwas Lokalkolorit herein. Wir führten das so bereicherte Concertino bei mehreren Gelegenheiten mit verschiedenen Klavierbegleitern auf. Davon möchte ich die Löwensteiner Musikwoche und eine Ausgabe der Siebenbürgischen Kulturtage Nürnberg erwähnen, die regelmäßig vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e. V. organisiert wurden.
Am beeindruckendsten für mich war aber eine Kirchenaufführung. Sie fand um das Jahr 2000 in der Johannes-Kirche unseres heimischen Eibach (einer anderen Nürnberger Vorstadt) statt. Begleitet wurde ich dabei von Johann Seitz, dem Leiter unseres Posaunenchores. Ich hatte im Eibacher Gemeindeboten auf die Verbindung Haydns mit Siebenbürgen hingewiesen. Sie stieß auf offene Ohren. Hier gab es nämlich eine der wenigen kirchlich betreuten siebenbürgischen Nachbarschaften in Deutschland mit monatlichen Zusammenkünften, die meist Johann Lindert organisierte. Er stammt aus Paßbusch (ung. Paszmos, rum. Posmus). Das ist eine Ortschaft in Nordsiebenbürgen, in der mein Großvater Rudolf Knopp bis 1918 Pfarrer war.
In der Erinnerung tut sich eine Welt auf, in der das Musizieren sehr wichtig war – und ist. Mit viel Liebe, Ausdauer und Freude beim Üben sowie Durchhaltevermögen in den Auftritten war (und ist) man stets um Perfektion bis hart an die Grenze zum Berufsmusiker bemüht, eine Grenze, die jedoch relativ selten überschritten wurde.
Dem Andenken meines langjährigen Hornlehrers in Kronstadt, Miron Salau. - Dank meinem jüngeren Kronstädter Landsmann und Horn-Kollegen, Johannes Killyen, mit dem ich nach unserer Aussiedlung viele Jahre lang im Rahmen der alljährlichen Löwensteiner Musikwoche musizierte. Von ihm erhielt ich manchen nützlichen Hinweis beim Horn spielen.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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