Eine willkommene Einführung
09.07.09
Neuere Darstellungen Rumäniens sind im deutschen Sprachraum recht selten, deshalb ist jedes neue Werk zu dem Thema zu begrüßen, zumal wenn es sich um eine Einführung handelt, die relativ knapp und lesbar sein und dennoch die wichtigen Informationen enthalten muss. Es gibt zwar den umfangreichen Band mit demselben Titel, der 2006 von Thede Kahl, Michael Metzeltin und Mihai-R²zvan Ungureanu herausgegeben wurde (Münster/Wien: Lit-Verlag), aber dazu werden vor allem solche Leser greifen, die über ein Anfangsstadium hinaus sind. Nach meiner Erinnerung ist das letzte vergleichbare Werk das von Klein/Göring (Horst G. Klein/Katja Göring, Rumänische Landeskunde, Tübingen: Narr, 1995, 179 S.). Der vorliegende Band füllt insofern eine Lücke. Er beginnt mit einem geographischen Überblick (15-31), leitet dann über zu einem relativ ausführlichen Kapitel über die Veränderungen der Perspektiven der Geschichtsschreibung in Rumänien (33-47), um in drei aufeinander folgenden Kapiteln die Geschichte Rumäniens seit 1918 zu skizzieren (49-141). Danach verändert er die Perspektive und skizziert die Geschichte und Geographie der großen rumänischen Regionen: Moldau, Walachei, Dobrudscha, Banat und Siebenbürgen (143-184), um schließlich mit einem neuerlichen Perspektivenwechsel in eine Darstellung der wichtigsten historischen Zusammenhänge vor allem seit der Zeit des byzantinischen Reiches einzutreten (185-224). Der Anhang enthält eine weiterführende Bibliographie, eine Überblickschronik, Ausspracheangaben und die Indices.
Das Buch liest sich insgesamt angenehm, die wichtigen Fakten werden referiert, der Wechsel der Perspektiven schafft vielleicht auch Abwechslung für den Leser, allerdings stellt sich auch die Frage, ob Anfänger nicht bisweilen Schwierigkeiten haben werden, die Zusammenhänge herzustellen. Es bleibt allerdings das Kuriosum, dass die Epoche der rumänischen Geschichte zwischen 1866 und 1918, in der die Unabhängigkeit und die moderne Staatlichkeit erreicht wurden, nur am Rande erwähnt wird. Ein eigenes Kapitel bleibt ihr erstaunlicherweise verwehrt. Immerhin war sie für das Land und das Volk eine entscheidende Periode, wenn sie auch für die Heutigen durch die folgende überdeckt wurde. Eines der positiven Charakteristika des Bandes liegt darin, dass die großen Unterschiede zwischen den Teilen Rumäniens deutlich herausgestellt werden.
Natürlich ist es nicht ganz fair, in einen Band, der nur eine beschränkte Seitenzahl haben darf, zusätzliche Themen hineinzureklamieren. Allerdings ist der völlige Verzicht auf eine Darstellung der kulturellen Aspekte zu bedauern, denn das moderne Rumänien ist auch ein Produkt der Leistungen seiner Intellektuellen und diese hatten, mindestens bis 1989, auch eine hohe symbolische Bedeutung. Der Eminescu-Kult im sozialistischen Rumänien war etwa auf der einen Seite ein Versuch, die nationale Geschichte für die Arbeiterpartei in Anspruch zu nehmen, auf der anderen aber auch eine Nische, welche die zahlenmäßig kleine Zivilgesellschaft als einen Ort „der Zeit vor den Kommunisten" zu verteidigen suchte (Eminescu konnte beide Seiten „bedienen"; er war leider nicht frei von antisemitischen Tendenzen). Es ist daher kein Wunder, dass Ceau{escu diesen Nationalismus für seine Zwecke zu instrumentalisieren versuchte. Auch andere Autoren spielten mitunter ähnliche Rollen. Die Umstellung des Rumänischen von der kyrillischen auf die Lateinschrift in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wäre ebenfalls eine Erwähnung wert gewesen, denn sie symbolisiert wie kaum ein anderes Ereignis das Bestreben der kulturell führenden Schichten, sich dem Westen zuzuwenden. Dabei war den Intellektuellen wohl bewusst, dass zwischen diesem Anspruch und der Realität oft Abgründe klafften (ein schönes Beispiel ist Caragiales Komödie „O scrisoare pierdut²“, 1884/ deutsch „Die Kammerwahl“, 1918). Vielleicht wären auch die rumänischen Emigrationen (der Plural hat seine Berechtigung) im Laufe der Zeit eine Erwähnung wert gewesen, denn auch sie bilden die Bruchlinien einer Gesellschaft ab, die sich sucht. Und möglicherweise wäre eine stärker auf die Bevö1kerung hin ausgerichtete und weniger „nur" geographische Darstellung in den entsprechenden Abschnitten eine Gelegenheit gewesen, die kulturelle Geschichte des Landes stärker einzubeziehen.
Der Band ist insgesamt sorgfältig redigiert und geschrieben, nur an einigen Stellen vermisst der Leser den Eingriff eines professionellen Lektorats. Das gilt insbesondere für die Karten, von denen vor allem die beiden im Mehrfarbendruck, zumindest für ältere Augen, kaum zu entziffern sind; auch die Legenden der beiden anderen sind nur für scharfe Augen lesbar. Es ist schade, dass der Verlag nicht eine kleine Anstrengung unternommen hat. Der Leser wünscht dieser Einführung eine weite Verbreitung und eine Ergänzung durch einen kulturhistorischen Band.
Georg Kremnitz
(aus „europa ethnica“ Nr.1/2009)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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