Erinnerungen an ein unliebsames Jahrzehnt in der Stadtgeschichte
25.11.10
Ausstellung bot Rückblick auf die Zeit als Kronstadt zu Stalinstadt umbenannt worden war
Von 1950 bis 1960 wurde Kronstadt umbenannt und musste ein Jahrzehnt den Namen des damaligen sowjetischen Diktators Stalin tragen. Dieses als Anerkennung für die dem Land gebotene Freiheit seitens des „großen Befreiers“, wie damals die Sowjetunion betrachtet wurde. Nicht nur die Stadt sondern auch Straßen, Institutionen, der gesamten Region wurde dieser Name auferzwungen. Darüber gibt es Daten doch wenige Fotos. Das Kronstädter Geschichtsmuseum eröffnete im Alten Rathausgebäude eine Dokumentaraustellung um diese Fakten in Erinnerung zu rufen. Organisiert und dokumentiert wurde die Ausstellung von der Museologin Cristina Tanase die uns durch die Schau führte und ergänzende Erklärungen gab.
Im ersten Teil der Ausstellung wurde die Abdankung Königs Mihai I vom 30. Dezember 1947 illustriert. Hier sind auch die Porträts der führenden Spitzen der an die Macht gekommenen Kommunisten, Gheorghe Gheorghiu-Dej und Petru Groza, die Texte der späteren neuen Landeshymnen und die Landesflaggen zu sehen. Im nächsten Ausstellungsbereich wurde auf das am 8. September 1950 angenommene Gesetz zur verwaltungs-wirtschaftlichen Rayonierung des Landes nach sowjetischem Modell eingegangen. Somit wurde auf die Verwaltungseinheiten aus der Zwischenkriegszeit verzichtet und das Land in 28 Regionen und 177 Rayons als Unterteilungen gegliedert. Eine dieser Regionen erhielt den Namen Stalin; Kronstadt/Brasov als Vorort der Region wurde in Stalinstadt umbenannt. Die Region Stalin wurde in sechs Rayons eingeteilt, von denen der eine auch den Namen Stalin trug. Außer diesem gehörten zu der Region die Rayons Sf. Gheorghe, Târgu Secuiesc, Ciuc, Odorhei und Racos, praktisch ein Teil der Gebiete mit ungarischer Bevölkerung. Zwei Jahre später wurde die Verfassung der Rumänischen Volksrepublik angenommen und Rumänien zum Land der Werktätigen aus Stadt und Land erklärt. Kurz darauf wurde durch das Dekret vom 27. September 1952 eine Änderung des Gesetzes bezüglich der Verwaltungseinheiten des Landes vorgenommen. Die Anzahl der Regionen wurde von 28 auf 18 herabgesetzt. Durch dieses wurde die damalige Autonome ungarische Region gegründet, anderseits die Region Hermannstadt/Sibiu aufgelöst und der Region Stalin einverleibt. Nach acht Jahren wurde durch ein weiteres Dekret die Anzahl der Regionen von 18 auf 16 reduziert.
Auf einem Plenum des Zentralkomitees der rumänischen Arbeiterpartei das vom 30. November bis 5. Dezember 1960 stattfand, verurteilte Gh. Gheorghiu Dej den Stalinismus; die Region Kronstadt erhielt somit wieder die alte Benennung Brasov. Die nächste Verwaltungsreform des Landes sollte 1968 durch das im Februar angenommene Gesetz stattfinden, als die Regionen und Rayons aufgelöst, das Land in 40 Kreise („judete“) eingeteilt wurde und die Hauptstadt Bukarest einen Sonderstatus einnahm.
Die Ausstellung dokumentierte diese Daten, doch erst durch die Fotodokumentationen wurde der Besucher von den Ausmaßen des Personenkultes in Kenntnis gesetzt. Die Stadtviertel der damaligen Stalinstadt erhielten auch die Namen von politischen Ereignissen oder Führern der Zeit. Das Blumenau-Viertel wurde Ilie Pintilie, der Marktplatz zum 23. August-Platz, die Klostergasse in 7. November-Straße umbenannt. Straßenbenennungen wurden geändert. Der Rudolfsring, heute Eroilor-Boulevard, wurde zum J.W.Stalin-Boulevard, die Langgase nannte sich Woroschilow-Straße, die Burggasse trug in jenen Jahren den Namen Pawlow, die Spitalsgasse wurde zur Molotow-Straße, die Waisenhausgasse trug den Namen von Maxim Gorki. Auch den älteren Kronstädtern ist vielleicht nicht mehr bekannt, dass in Kronstadt zwei Stalin-Denkmäler errichtet wurden. Das erste stand vor der heutigen Präfektur und Kreisrat, war blendend weiß durch das Material aus dem es angefertigt worden war und wurde am 7. November 1951 enthüllt. Voraussichtlich war dieses der Witterung nicht gewachsen. Es wurde ein anderes Denkmal aus Bronze gegossen und auf einen höheren Sockel, vor den kleinen Park neben der Hauptpost gestellt. Das alte Stalin-Denkmal wurde entfernt.
Interessant ist auch das Projekt zum Bau eines Gebäudes für das Kronstädter Mechanik-Institut im Stil der bekannten Lomonossow-Universität oder des Scânteia-Hauses in Bukarest. Doch dazu kam es nicht mehr. Auch die Stalin-Inschrift auf der Zinne die durch eine Baumplantage erzielt wurde, ist in der Ausstellung dokumentiert so wie sie Jahre hindurch teilweise sogar von einem Teil des Burzenlandes zu sehen war. Die an den Arbeitsplätzen in den Betrieben, auf Baustellen oder in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gemachten Fotos zeigen natürlich nur lachende Gesichter. Die Ausstellung war nur kurze Zeit geöffnet, doch so wie Cristina Tanase betonte, besteht die Absicht, diese durch weitere Dokumente zu ergänzen und eventuell unter einer anderen Form gelegentlich wieder zu eröffnen. Die Organisatoren haben durch diese Schau eine der dunkelsten Perioden der Landes- und besonderes der Stadtgeschichte vergegenwärtigt, auf die willkürlichen Maßnahmen in Jahren von Diktaturen aufmerksam gemacht.
Dieter Drotleff
Foto 1:
Das stilisierte Porträt des sowjetischen Diktators mit Gefängnisgitter im Hintergrund zog die Blicke in der Ausstellung an.
Foto 2:
Im Zuge der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft wurden auf dem Lande ansehnliche sächsische Häuser enteignet in denen, wie im Bild in Heldsdorf, der Sitz der Staatswirtschaft „Octomvrie rosu“ untergebracht wurde.
Foto 3:
Zwei Denkmäler die Stalin darstellten, wurden in Kronstadt aufeinander folgend errichtet. Das erste (links) stand vor dem Gebäude der heutigen Präfektur, musste aber nach zwei Jahren einem größeren weichen, das aus Bronze gegossen war und vor der Hauptpost errichtet wurde.
Fotos: der Verfasser
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
18.04.25
Lehrer, Wissenschaftler und Honterusforscher
[mehr...]
11.04.25
Vortrag über den Nachlass von Luise Treiber-Netoliczka
[mehr...]
11.04.25
Vorstellung neuester Veröffentlichungen bei der Kronstädter Germanistiktagung
[mehr...]