Forscher und Gymnasiallehrer für Erdkunde und Naturkunde
20.01.23
Heinrich Wachner (1877-1960)
Den Kronstädtern ist Heinrich Wachner bekannt durch sein “Kronstädter Heimat und Wanderbuch“, käuflich in der Buchhandlung Wilhelm Hiemesch von der Kornzeile Nr. 5. Das war im Jahr 1934. Heute kann man einen Nachdruck bei Aldus am Kirchhof erwerben. Er hat aber noch sehr viele wissenschaftliche Arbeiten über geomorphologische und geologische Untersuchungen veröffentlicht. Als Geografie- und Naturkundelehrer hat er noch 13 Lehrbücher verfasst.
Heinrich Wachner ist 1877 in Târgu Mures geboren. Er studierte in Berlin, Marburg und Klausenburg Naturwissenschaften.
50 Jahre nach Wachners Tod, hat Dr. Heinz Heltmann (1932-2021) in der „Neuen Kronstädter Zeitung“ vom 18. Dezember 2010 einen Nachruf, zu seinem 50. Todestag, verfasst. Dort finden wir seinen Werdegang als Forscherpersönlichkeit und Gymnasiallehrer in Hermannstadt, Bistritz und Schäßburg. Dr. Heinz Heltmann war selbst Naturforscher und hat daher besonders die wissenschaftliche Tätigkeit Wachners behandelt. Im vorliegenden Beitrag wollen wir uns auf seine Zeit in Kronstadt, in den Jahren von 1919 bis 1952, beschränken und auch mehr menschliche Seiten behandeln.
Als Lehrer am Honterusgymnasium war er ein Original, was folgender Auszug aus der Festschrift der Absolventen des Jahrgangs 1952-2002 belegen soll. „Unter unseren Professoren gab es ja manch ein Original. Da war zum Beispiel in der Unterstufe unser Erdkundeprofessor Heinrich Wachner, Verfasser des „Kronstädter Heimat und Wanderbuches“ genannt der Käs (da er immer wieder sagte „Wenn du auf einen Ausflug gehst, nimmst du dir Käs und ein Stück Brot mit!“). Er war ein hervorragender Kenner des Burzenlandes und seiner Umgebung, der Berge, Täler, Pflanzen- und Tierwelt dieses Gebiets und er liebte die Natur über alles. Er ging schon morgens um 4 Uhr bis in die Schulerau und kam dann zum Unterrichtsbeginn mit einer Reihe von schönen geraden Haselnußstöcken zurück, welche zum Zeigen auf der Karte, aber auch zum Disziplinieren der Schüler dienten. Prof. Wachner war damals schon sehr alt, etwas schwerhörig und hatte eine unklare Aussprache, ungefähr wie jemand, der sehr stark verschnupft ist. So gab es dann in der Klasse ständig ein Geraune, wenn etwas nicht verstanden wurde und nicht nachgeschrieben werden konnte. Bemerkte er die Unruhe so hieß es immer wieder „Seid ruhig, Seid ruhig, ihr Kerle, ihr kriegt Strafarbeit. Ich sage es nicht noch einmal, Seid ruhig!“ Das Ganze im auf und ab einer leicht singenden Stimme. Eines Tags nun wollte einer unserer Kollegen, der nicht gerade zu den aufmerksamsten Schülern zählte, beweisen, dass er sehr aufmerksam zuhöre und daher bekräftigte er mit Kopfnicken und Ja - sagen oder Kopfschütteln und Nein – sagen, die jeweiligen Aussagen des Professors. Dieser sah sich die Sache eine Zeitlang an, doch dann langte er mit seiner 2 m langen Haselrute über mehrere Schüler hinweg zu und begleitete jedes seiner Worte mit einem Hieb „Was ja, ja? Nichts ja, ja! Was nein, nein? Nichts nein, nein! Ja! Ja! Nein! Nein!„– ja und am Ende der Exekution hielt unser Professor nur noch ein kurzes Stäbchen in den Händen, während unser Kollege seine Hände, die er zum Schutz vorgehalten hatte, mit Striemen übersät sah. Da es in fast jeder Stunde zu Verwendungen beider Art für Haselruten kam, war es nicht zu verwundern, dass täglich neue benötigt wurden.“
Es folgt nun, leicht gekürzt, der Teil aus Heltmanns Nachruf betreffend Wachners Zeit in Kronstadt.
“Im Sommer 1919 wurde Wachner als Gymnasiallehrer für Geographie und Naturkunde an die Honterusschule berufen. Auch hier galt sein außerschulisches Interesse der Erforschung der vielfältigen Umgebung seines neuen Wohnortes und der herrlichen Gebirgswelt des Burzenlandes. Als ausgeprägte Forschernatur standen bei ihm Wandern und Forschen im Vordergrund seiner Tätigkeit. Zu seinen ersten Forschungsvorhaben gehörte die Fortsetzung seiner geographisch-geologischen Untersuchungen im nördlichen Teil des Geisterwaldes und im Bucegigebirge. Auf unzähligen Unterrichts Wanderungen mit Schülern und wöchentlichen Studiengängen hatte er sich im Laufe der Jahre die Umgebung von Kronstadt und das Burzenland mit seiner Gebirgswelt erwandert, reichlich Datenmaterial und Forschungsbelege gesammelt und die Ergebnisse in sein Notizheften schriftlich und zeichnerisch festgehalten. Ein Blick in das Verzeichnis seiner Veröffentlichungen bestätigt uns, dass Wachner im Zeitraum von 1920-1930 nicht nur im Burzenland forschend tätig war, sondern auch eine Reihe von Forschungsreisen in andere Gebiete Rumäniens unternahm und seine Forschungsergebnisse veröffentlichte.
…
Im November 1932 fand ein Kongress der Geographielehrer Rumäniens in Bukarest statt, an dem auch Prof. Wachner teilnahm und auf dem die Hochschulprofessoren G. Vâlsan und S. Mehedinti den Teilnehmern mitteilte, dass laut neuem Lehrplan im Geographieunterricht auf Heimatkunde ein besonderes Gewicht zu legen sei. Gleichzeitig riefen sie die Anwesenden auf für diese Fach-Wanderführer zu verfassen. Daraufhin entschloss sich Wachner, sein seit 1919 im Burzenland gesammeltes Datenmaterial für die Erstellung eines Wanderführers als Lehrbuch für die Kronstädter und Burzenländer deutschen Schulen zu verwenden. Dieser Entschluss war die Geburtsstunde seines „Kronstädter Heimat-und Wanderbuches“, das er nach zweijähriger konsequenter Arbeit 1934 in Kronstadt veröffentlichte. Auf dem 1936 nachfolgenden Landeskongress der Geographielehrer Rumäniens wurde sein Lehrbuch von berufener Stelle als beste Gebietsmonographie Rumäniens bewertet. Bereits 1938 veröffentlichte er erste Ergänzungen und Berichtigungen zu seinem Wanderbuch als Beiträge zur Heimatkunde des Burzenlandes in den Mitteilungen des Burzenländer Sächsischen Museums in Kronstadt. 1994 erschien in Kronstadt im Aldus-Verlag der unveränderte Nachdruck von Wachners Wanderbuch. Hinzugefügt wurde hier die, 1938 vom Autor veröffentlichten ersten Ergänzungen und Berichtigungen zu seinem Buch und wichtige Hinweise zu diesem vom Gernot Nussbächer. Wünschenswert wäre auch die Hinzufügung von Wachners Ergänzungen und Berichtigungen aus seinem Handexemplar (1938-1953) in einem Anhang des Nachdruckes gewesen, um auch das zu veröffentlichen was Wachner nicht mehr möglich war. Denn dieses Buch ist nicht nur sein größtes, sondern es war ihm auch sein liebstes Werk.
1946 trat Prof. Wachner im Alter von 69 Jahren in den Ruhestand. Auch danach setzte er seine wissenschaftliche Tätigkeit unvermindert fort. Von 1902-1956 hat er über 80 wissenschaftliche Arbeiten und populärwissenschaftliche Beiträge in Lexika und in verschiedenen Fachzeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Am 3. Mai 1952 wurde Heinrich Wachner im Alter von 75 Jahren mit seiner Familie aus dem eigenen Hause in Kronstadt (Obere Sandgasse) nach Unter-Rakosch zwangsevakuiert. Hier mussten sie unter unmenschlichen Wohn- und Existenzbedingungen jahrelang ihr Leben fristen. Eine längere Zeit wurde Prof. Wachner seine Pension gestrichen. Um die Familie wenigstens halbwegs über Wasser zu halten musste Frau Charlotte Wachner als Steinbrucharbeiterin im Basaltsteinbruch in Unter-Rakosch Schwerstarbeit leisten. Auch unter diesen sehr schlechten Lebensbedingungen setzte Wachner seine Geländeforschungen in der Umgebung seines neuen Wohnortes fort. 1955 erfolgte für die Familie Wachner endlich die Freistellung von ihrem Zwangsaufenthalt in Unter-Rakosch. Nachdem jedoch ihr Haus in Kronstadt immer noch von einem Securitate-Mann besetzt war, und sie auch keine andere Wohnung in Kronstadt finden konnten, musste Familie Wachner weiterhin in Unter-Rakosch bleiben.“
Seine Arbeit über die von ihm in der Umgebung von Unter-Rakosch durchgeführten Geländeforschungen blieb unvollendet. 1958 ist Familie Wachner in das Sonnenheim in Wolkendorf umgezogen, wo am 16 März 1960 Heinrich Wachner gestorben ist. Er wurde in Kronstadt im Innerstädtischen Friedhof, Grab 54, Reihe 2 beigesetzt, in demselben Grab, wo auch seine erste Frau, Herta geb. Schuller, 1952 begraben wurde. Mit seiner ersten Frau hatte er fünf Kinder und mit seiner zweiten Frau Charlotte geb. Klöckner noch weitere drei.
Neben den vielen wissenschaftlichen Arbeiten ist von Bedeutung für die Kronstädter auch die „Geschichte des Burzenlandes“. Dieses Manuskript ist vielleicht vor 1948 entstanden und hat zum Glück alle Umzüge und Umbrüche überlebt und konnte so durch seine Tochter Gertrud Wachner verh. Blücher 2007 beim Aldus-Verlag gedruckt werden. Es zeugt von großem Mut, diese Geschichte durch all die Jahre zu erhalten und zu retten, denn in den falschen Händen hätte es mit Sicherheit zu seiner Verhaftung geführt. Generationen von Honterusschülern haben ihn als beliebten Lehrer in einer guten Erinnerung behalten.
Peter Simon
Im Foto: Prof. Heinrich Wachner
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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