Franz Ferch und Kronstadt
20.05.10
Fahndung nach einem abhanden gekommenen Gemälde/ Von Wolfgang Wittstock
Auf Anregung des Malers Eduard Morres wurde im Jahr 1937 die „Gemeinschaft deutscher Künstler in Großrumänien“ gegründet, und schon im gleichen Jahr konnte in Kronstadt, in der neuen Verkaufsniederlassung der Tuchfabrik „Wilhelm Scherg & Cie. A.G.“, Ecke Purzengasse - Kühmarkt, die erste Gemeinschaftsausstellung deutscher Künstler in Rumänien eröffnet werden. Einen ausführlichen Artikel über diese Ausstellung veröffentlichte Otmar Richter in der Zeitschrift „Klingsor“ (14. Jg., Heft 6/Juni 1937).
In der Gemeinschaftsausstellung von 1937 wurden auch mehrere Arbeiten des banatschwäbischen Malers Franz Ferch (1900-1981) gezeigt. Otmar Richter schrieb dazu in der erwähnten Ausstellungsbesprechung: „Zu den auffälligsten Erscheinungen der Ausstellung gehört Franz Ferch aus Periamos /sic!/. Wenn er den Beifall, der ihm zuteil wird und der vielleicht auch etwas durch das reine Äußere, Gegenständliche seiner Kunst hervorgerufen wird, richtig deutet und es sich nicht zu leicht macht, dann darf man von ihm viel erwarten. Sein bestes Gemälde ist das anspruchsloseste: Die Banater Jungschwäbin, ausdrucksvoller und farbig viel reicher als seine übrigen Bilder.“ Franz Ferchs Bilder fanden Anklang, und sie wurden alle verkauft. Mit dem Erlös erwarb der Maler ein Häuschen im Banater Dorf Perjamosch (rum. Periam), an der Marosch gelegen, wohin die Familie – der Vater war Notär –bereits vor dem Ersten Weltkrieg übersiedelt war.
Eines der in Kronstadt gezeigten Ölbilder kaufte die Kronstädter Künstlerkollegin Margarete Depner (1885-1970). Es zeigt einen jungen Bauern in Lebensgröße. Der Maler hatte dieses Bild mit „Michael Bartolf, Semlak“ beschriftet. In der Ortschaft Semlak, 38 km westlich von Arad am nördlichen Maroschufer gelegen – gegenüber von Perjamosch am südlichen Ufer des gleichen Flusses – hatte Franz Ferch zeitweilig, noch vor dem Kauf des Häuschens in Perjamosch, gewohnt und gearbeitet. Hier lebten und leben auch heute noch Deutsche evangelisch-lutherischen und reformierten Glaubens, Nachfahren von Kolonisten, die ab 1819 angesiedelt worden waren. Nach dem Tod von Margarete Depner kam das Bild „Der Jungbauer“ an den Ort seiner Entstehung, nach Semlak, zurück, und zwar in den Besitz dessen, den es darstellte, nämlich Michael Bartolfs, der dem Künstler Modell gestanden hatte. Heute befindet sich das Gemälde bei in Deutschland lebenden Nachkommen Bartolfs.
Ein zweites Ferch-Bild aus der Kronstädter Ausstellung wurde vom Bruder Margarete Depners, dem Tuchfabrikanten Wilhelm Scherg d.J. (1888-1961), käuflich erworben. Auch dieses Ölgemälde, etwa 100x90 cm groß, war in Semlak entstanden. Es trägt den Titel „‘s Kleeni“ (Die Kleine) und zeigt ein etwa siebenjähriges Mädchen in Semlaker Tracht. Auch bei diesem Bild ist bekannt, wer dafür Modell gestanden hatte: Das Mädchen hieß Susanna Schulz und gehörte zum Bekanntenkreis Ferchs. Zum Unterschied vom Gemälde „Der Jungbauer“ ist aber heute nichts über den Verbleib des Bildes „‘s Kleeni“ bekannt. Die Villa auf der Postwiese, in der die Familie Scherg wohnte, wurde bereits 1945 requiriert, die Schergs wurden evakuiert. Vermutlich ist das Bild damals abhanden gekommen. Der jüngste Sohn Wilhelm Schergs d.J., Dr. Christian Scherg (Jahrgang 1940), der in Deutschland lebt, kann sich noch an das Bild, das in seinem Elternhaus hing, erinnern.
Den Anstoß, diese Zeilen zu schreiben, gab Herr Martin Nun. Er lebt in Deutschland und ist der Sohn der oben erwähnten Susanna Nun geb. Schulz (1929-1991), die Franz Ferch, als sie ein Kind war, gemalt hatte. Herr Nun würde gerne wissen wollen, ob das seine Mutter darstellende Gemälde noch existiert und, wenn ja, wo es aufbewahrt wird. Sollte es Leser dieses Beitrags geben, die diesbezüglich Bescheid wissen, so werden sie gebeten, davon den Verfasser dieser Zeilen über die Redaktion in Kenntnis zu setzen.
Foto 1
Franz Ferch: ‘s Kleeni (Die Kleine, Ölgemälde, 1936)
Foto 2
Selbstporträt, Öl auf Karton (1960)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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