Gerettete Erinnerungen an eine verschwundene Welt
07.04.11
„Jüdische Zeugen eines rumänischen Jahrhunderts“ - Ausstellung bei Casa Muresenilor
„Das Foto, 1946 oder 1947 aufgenommen, zeigt Gordonia, unsere zionistische Organisation. Ich stehe ganz rechts. Es ist schon so lang her, dass ich mich an keine der anderen Leute erinnern kann. Unmittelbar nach dem Krieg, als ich die Oberschule besuchte, ging ich jeden Tag nach der Schule dorthin, um mit den anderen Tischtennis zu spielen oder traditionelle jüdische Tänze einzustudieren. Ein Junge tanzte in der Kreismitte und wählte ein Mädchen, mit dem er tanzte, anschließend tanzte das Mädchen allein und suchte sich einen Jungen aus, usw. Es war sehr nett – wir wurden Freunde, verliebten uns. Wir waren jung.“
Ruth Greif erinnert sich an ihre in Kronstadt verbrachte Jugend. Viele ähnliche kurze persönliche Aussagen zu alten Fotos werden in der Ausstellung „Jüdische Zeugen eines rumänischen Jahrhunderts“ auf Schautafeln vorgestellt. Sie sind auf folgende Themen gruppiert: Arbeit, Gemeindeleben, Zu Hause, Schule, Ferien, In der Armee, Freizeit, Porträts, Holocaust und umreißen eine Welt, jene der Juden in Rumänien, die wegen dem Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen (die massive Auswanderung nach Israel) praktisch verschwunden ist.
Die von der in Wien und Budapest eingetragene Stiftung „Centropa“ wollte damit „Oral history“ in Form von Zeugenaussagen und Interviews zu persönlichen Fotos sammeln und vorstellen. Die Wanderausstellung, die Teil des größeren Projektes „Jüdische Zeugen eines europäischen Jahrhunderts“ ist, wurde erstmals 2007 in Hermannstadt und anschließend in mehreren rumänischen Städten gezeigt.
In diesen Wochen kann sie als Sonderausstellung in der „Casa Muresenilor“ besichtigt werden. Die Ausstellung ermöglicht, vor allem für die jüngeren Generationen, einen Einblick in das Alltagsleben von einst der jüdischen Bevölkerung. Es sind Details die jeder von uns kennt – Familienfotos, Kinder in Ferienlager, Gruppenbilder von Schulabsolventen, Szenen vom Arbeitsplatz und aus der Freizeit, Erinnerungen aus dem Urlaub am Lande, in den Bergen oder am Meer, Aufnahmen die ein vielfältiges und gut organisiertes Gemeindeleben dokumentieren. Vieles hat der Holocaust endgültig auch in Rumänien ausgelöscht. Geblieben ist eine kleine Restgemeinde. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Kronstadt, Tiberiu Roth, sprach bei der Vernissage von einer Brücke zur Vergangenheit für die Zukunft. Brauchtum und Geschichte könnten nicht mit Geld geschaffen werden. Sie werden geerbt und eventuell fortgeführt. Die jüdische Gemeinde Kronstadts, ihre Geschichte und ihre Werte seien eine Bereicherung für eine Stadt, die nun versucht, auf Tourismus als Alternative zu einer gescheiterten Industrialisierungspolitik zu setzen.
Ralf Sudrigian
Foto: Ausstellungskatalog
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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