Herausforderungen durch literarische Forschung
11.04.25
Vorstellung neuester Veröffentlichungen bei der Kronstädter Germanistiktagung
Die 28. Auflage der Internationalen Tagung der Kronstädter Germanistik fand vom 27. bis zum 29. März statt. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens – Zweigstelle Kronstadt - und mit Förderung von der Michael Schmidt Stiftung organisiert. Die Germanistik-Abteilung der Philologischen Fakultät der Transilvania Universität stellte wissenschaftliche Vorträge unter dem Titel "Verwebungen: Wege, Spuren, Strukturen in der deutschen Literatur, Kunst und Sprache" vor. Am 28. März im Rektoratsgebäude wurde die Veranstaltung durch eine Reihe von Buchvorstellungen des Kronstädter Departments für Literatur und Kulturwissenschaft eröffnet
Das kurze Einleitungswort seitens der Organisatoren wurde von Dozent Dr. Delia Cotârlea gesprochen. Sie betonte die Notwendigkeit solcher Buchpräsentationen für weiteren Ansporn und für Anknüpfungen der wissenschaftlichen Forschungen aus dem In- und Ausland. Die Moderation übernahmen sie und Prof. Dr. Carmen Elisabeth Puchianu.
Inhaltliche Herausforderungen
Rumäniendeutsche Autoren in der Zeit vor und nach der Wende entfliehen ihrer Wirklichkeit in die Postmoderne, einem (Schaffens)Zustand, dem literarisch bestimmte Eigenschaften entsprechen und wo Opposition eine wichtige Rolle zugeschrieben wird. Die Gründe, Zwecke und Mittel dieses literarischen Ausbruchs untersucht Dozent Dr. Robert Elekes in seiner Doktorarbeit „Flucht in die Postmoderne: Diskursive Mechanismen der Emanzipation im Kontext der rumäniendeutschen Literatur seit 1972“, die 2024 beim Verlag der Transilvania-Universität veröffentlicht wurde. Der Autor analysiert die rumäniendeutsche Literatur von der Moderne bis in die Gegenwart, bleibt dabei nüchtern und kommentiert die Art, sich der Idee von Freiheit und Selbstbestimmung zu nähern anhand Werken von Autoren „der Aktionsgruppe Banat, von Anemone Latzina und auch von Herta Müller und Carmen E. Puchianu.
Die Arbeit hinterfragt grundlegende Paradigmen der zeitgenössischen rumäniendeutschen Literatur, interpretiert sie neu und kontextualisiert sie. Als Kontext ist dabei die Realität des Zeitalters gemeint, die allerdings sowohl für rumäniendeutsche als auch für rumänische Autoren dieselbe ist. Deshalb ist es nur recht und auch sehr wichtig, dass Elekes die rumäniendeutsche Literatur nicht als eine exotische Insel versteht, sondern sie im Rahmen der rumänischen Postmoderne setzt und stets auf die Wechselwirkungen mit ihrem Umfeld zurückkommt.
Prof. Dr. Carmen Puchianu beschrieb die Arbeit aus einer Doppelperspektive – sowohl als Autorin, die das Zeitalter erlebte und literarisch in ihren Werken verarbeitet hat, als auch aus der Perspektive der Germanistin und Wissenschaftlerin, die sich eben von der Interpretation distanziert und sie beurteilen kann. Sie bezeichnete die Angehensweise des Autors als sehr eigenwillig, betonte dass er tiefgreifende Einsichten formuliert und bewertete die Dissertation als eine originelle und gewagte Studie, die von den Fachleuten auf jeden Fall zur Kenntnis genommen werden muss. Das Buch kann über den Universitätsverlag bestellt werden.
Performative Herausforderungen
Herausgegeben von Dozent Dr. Delia Cotârlea entstand das Hörbuch „Weibliche Haltungen – Erzählungen von Carmen Elisabeth Puchianu“ ebenfalls im Jahr 2024, im Rahmen eines studentischen Projektes des Masterstudiengangs „Interkulturelle Studien zur Deutschen Sprache und Literatur“. Das Hörbuch wurde von Carmen E. Puchianu, Laura Lazarescu Thois, Delia Cotârlea, Katharina Steiger und Sebastian Sifft gelesen. Ziel war es, wie auch aus dem Nachwort des Hörbuchs zu entnehmen ist, „sich mit Literatur auf performativer Art auseinanderzusetzen und mit dem Ergebnis zur Förderung der Hörkultur in Rumänien beizutragen”.
Die Tatsache, dass subtile, verschlüsselte Texte durch das Lesen zum Leben erwachen, insofern sie, um gelesen zu werden, nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht werden müssen, war der besondere Reiz, aber gleichermaßen auch die Herausforderung des Projektes. In der Präsentation der Initiative reflektierte Cotârlea auch über die Tatsache, dass durch dieses Projekt vielleicht zu hohe Ansprüche an die Masteranden gesetzt wurden. Die Schwierigkeiten waren nicht nur technisch, sondern auch didaktisch: „Wie nähert man sich einem Text?”. Zum Schluss verwies sie auf die längere Lesereihe, die Carmen Puchianu bei Radio Neumarkt aufgenommen hat und auf die Tatsache, dass das Hörbuch auf der Website des Verlags der Universität erhältlich ist.
Mathematische und bahnbrechende Herausforderungen
Dozent Dr. Claudia Spiridon-Serbu sprach über das Unterfangen, das Buch „Digitale Kartierung literarischer Räume. Eine Untersuchung von Raum-Repräsentationen in der deutschsprachigen Literatur Südosteuropas“ zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein Projekt, das Literatur und die Beschäftigung mit Raumanalyse, durch eine für Rumänien neuere Disziplin zu erkunden wagt; u.zw. der „Digital Humanities“/ „Digitale Geisteswissenschaften“ - ein Fach, das die Nutzung computergestützter Prozeduren und digitaler Ressourcen in den Geistes- und Kulturwissenschaften einbringt. Die vorgestellte Studie hatte als Zweck das Erstellen einer digitalen Karte mit Orten, die in der postkommunistischen, deutschsprachigen Literatur Südosteuropas vorkommen, ausgehend von einer Datenbank von dreiundsiebzig Romanen, die nach 1990 veröffentlicht wurden. Die Werke gehören Autoren, die nach der Wende in deutschsprachige Länder umgezogen sind und dort die kommunistische Erfahrung als Impuls für ihr literarisches Schaffen gebrauchten.
Die Durchführung des Projektes dauerte zwei Jahre und die Arbeit formuliert eine Lesemöglichkeit, die auf mathematische Formeln baut. Konkret wird ein Computer trainiert, bestimmte Wörter, die zur Darstellung des literarischen Raumes beitragen, zu erkennen. Es werden nicht nur der geographische oder der projizierte Raum analysiert, sondern auch seine Implikationen für Zeit, Thematik, Handlungsverlauf, Figurenkonstellation und Erzählperspektive in den jeweiligen Prosatexten.
Die Herausforderung der Autorin bestand eben darin, sich von der üblichen Art über rumäniendeutsche Literatur zu schreiben, distanzieren zu können und sich in eine grenzüberschreitende Untersuchung zu vertiefen. Das Buch kann online auf der Website des J.B. Metzler -Verlags abgerufen werden.
Diskursive Herausforderungen
In einer Gesellschaft, die offensichtlich leicht zu manipulieren ist, haben einige ihr Spiel auf Profi-Niveau gebracht und schaffen es, Massen heranzuziehen und zu instrumentalisieren. Um ihnen nicht zum Opfer zu fallen, müsste man das Wissen haben, ihre Diskurse zu durchschauen und die Mittel und Muster schnell zu erkennen. Hinsichtlich übersetzte Prof. Dr. Ioana Diaconu das Buch von Walter Ötsch und Nina Horaczek, „Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung“, das in rumänischer Fassung auch 2024 beim Universitätsverlag veröffentlicht wurde.
Das Buch nimmt sich vor, Diskurse, Mechanismen, ganze Orchestrierungen öffentlicher Rechtspopulisten zu analysieren, dabei deren Strategien bloßzustellen und herauszufinden warum Demagogie immer noch funktioniert. In der Vergangenheit reicht die Analyse bis zu den Inspirationsquellen und den Diskursen Hitlers. Für die Gegenwart, vielleicht sehr aktuell, gibt es auch Bemerkungen zu Donald Trump und seinen rechtsextremen Manövern. Synthetisierend und locker werden die Einsichten in Form eines Handbuchs für den Leser zugänglich gemacht. Mit der Bemerkung, dass die Namen sich ändern, die Strategien aber die gleichen bleiben. nennen die Autoren diese Art von Diskurs „Demagogie" und diese Art Politik zu machen, nennen sie „zynische Berechnungen“, denn leider sind die Konsequenzen sehr trist. Prof Dr. Ioana Diaconu sprach über die Herausforderungen der Übersetzung eines solchen Buches.
Nach der kurzen Präsentation des praktisch orientierten Buches von Dozent Dr. Sofiana-Iulia Lindemann, „Morphologie. Ein Übungsbuch", das sich für den Sprachunterricht sehr gut eignet, gab es eine Kaffeepause. Für gleich danach bis am Abend und mit Fortsetzung am Samstag waren die insgesamt dreizehn wissenschaftlichen Vorträge der diesjährigen Veranstaltung geplant, die dann auch in der Fachzeitschrift „Kronstädter Beiträge zur germanistischen Forschung“ veröffentlicht werden und kostenlos unter: germanistik.unitbv.ro/ online abrufbar sein werden.
Mathematische und bahnbrechende Herausforderungen
Dozent Dr. Claudia Spiridon-[erbu sprach über das Unterfangen, das Buch „Digitale Kartierung literarischer Räume. Eine Untersuchung von Raum-Repräsentationen in der deutschsprachigen Literatur Südosteuropas“ zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein Projekt, das Literatur und die Beschäftigung mit Raumanalyse, durch eine für Rumänien neuere Disziplin zu erkunden wagt; u.zw. der „Digital Humanities“/ „Digitale Geisteswissenschaften“ - ein Fach, das die Nutzung computergestützter Prozeduren und digitaler Ressourcen in den Geistes- und Kulturwissenschaften einbringt. Die vorgestellte Studie hatte als Zweck das Erstellen einer digitalen Karte mit Orten, die in der postkommunistischen, deutschsprachigen Literatur Südosteuropas vorkommen, ausgehend von einer Datenbank von dreiundsiebzig Romanen, die nach 1990 veröffentlicht wurden. Die Werke gehören Autoren, die nach der Wende in deutschsprachige Länder umgezogen sind und dort die kommunistische Erfahrung als Impuls für ihr literarisches Schaffen gebrauchten.
Die Durchführung des Projektes dauerte zwei Jahre und die Arbeit formuliert eine Lesemöglichkeit, die auf mathematische Formeln baut. Konkret wird ein Computer trainiert, bestimmte Wörter, die zur Darstellung des literarischen Raumes beitragen, zu erkennen. Es werden nicht nur der geographische oder der projizierte Raum analysiert, sondern auch seine Implikationen für Zeit, Thematik, Handlungsverlauf, Figurenkonstellation und Erzählperspektive in den jeweiligen Prosatexten.
Die Herausforderung der Autorin bestand eben darin, sich von der üblichen Art über rumäniendeutsche Literatur zu schreiben, distanzieren zu können und sich in eine grenzüberschreitende Untersuchung zu vertiefen. Das Buch kann online auf der Website des J.B. Metzler -Verlags abgerufen werden.
Cristina Ciubotaru
Foto: Der Kronstädter Germanistik-Lehrstuhl bei der Tagung. Foto: die Verfasserin.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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