Hermann Mattes und seine Blaskapelle
21.07.11
Musikanten aus Siebenbürgen und dem Banat sind eine Bereicherung für die bundesdeutsche Musikszene
Musiker aus Rumänien haben schon immer die deutsche Musikszene belebt, quer durch alle Genres, begonnen von der großen Orchestermusik mit Sergiu Celibidache (1912 - 1996), über die Rockszene mit Peter Maffay, bis zur Blasmusik mit den Kaszner-Brüdern. Das sind nur wenige Namen, die im Rampenlicht stehen und daher von der breiten Öffentlichkeit mehr oder weniger wahrgenommen werden. Sie bilden aber die Spitze einer auf solidem Fundament ruhenden Musikerpyramide, die von vielen aus Rumänien stammenden Berufs- und Laienmusikern gebildet wird. Die einzelnen Bausteine dieser Pyramide leisten lobenswerte Dienste als Orchestermusiker, Musikpädagogen, Dirigenten von Vereinskapellen und nicht zuletzt als Hobbymusiker in unzähligen Musikkapellen, vorwiegend im süddeutschen Raum. Die Musikanten haben die Bühne geräumt, um anderen Kulturgruppen Platz zu machen, und der Dirigent sitzt mir gegenüber. Viel Zeit hat er nicht. Es ist Bürgerfest in Ingolstadt. Auf einer anderen Bühne wartet schon eine andere Kapelle auf seine Aushilfsdienste. Ich frage ihn, wo er und seine Musikanten denn das Jahr über so spielen und er antwortet spontan in dieser Reihenfolge: Kronenfest, Jubiläen, Bürgerfest, Umzüge, Sommerfest bei der evangelischen Kirche etc.
Wohlgemerkt, wir sitzen an einem Biertisch in der Ingolstädter Fußgängerzone, also im Herzen Bayerns und nicht in Siebenbürgen. Das klingt spätestens dann nicht mehr verwunderlich, wenn man erfährt, dass mein Gegenüber einer jener Männer ist, die zum soliden Fundament der deutschen Musikerpyramide mit südosteuropäischem Ursprung gehören. Hermann Mattes ist sein Name. Er wurde 1966 in Abtsdorf /Apos bei Agnetheln/Agnita geboren, hat schon in der dritten Klasse zum Bariton gegriffen und später auch das Posaunenspielen erlernt. Im Schülerorchester des Mediascher Pionierhauses hat er seine erste Orchestererfahrung gesammelt, die er danach im Bläserensemble der Mediascher Berufsschule und weiter in der Band „Comet” einbringen konnte.
Seit einem Jahr leitet er die in Ingolstadt aktive Siebenbürger-Banater-Blaskapelle. Die Kapelle wurde bereits 1984 von dem Siebenbürger Sachsen Wilhelm Schatz gegründet. Nach dessen frühen Tod wurde die Leitung im Jahre 2001 dem Banater Schwabe Nikolaus Kreidl anvertraut. Von den Musikanten aus der Gründerzeit sah ich heute nur noch einen - er stand neben der Bühne und fotografierte. Geblieben ist die Musik. Dieser weiche Klang der Tenorhörner und Baritone, die sichere Melodieführung der Flügelhörner, die Klarinetten waren heute etwas unterbesetzt, die präzise Rhythmikgruppe und nicht zuletzt das Repertoire; sie zusammen ermöglichen das Klangerlebnis gediegener böhmischer Blasmusik, wie sie Jahrhunderte lang in Banater und Siebenbürger Dörfern gespielt wurde. Natürlich hat die Kapelle auch bayerische Stücke im Repertoire. Wir spielen fast nur von Originalnoten, sagt mir der Kapellmeister.
Das ist hierzulande schon darum wichtig, da bereits Gerüchte kursierten, die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) habe Spähertrupps ausgesandt, um Kapellen, die von kopierten Noten spielen, strafrechtlich zu belangen. Uff! So weit sind wir schon, oder besser gesagt, sind wir schon wieder dort? Na gut, belassen wir es beim Gerüchtestatus. Auf jeden Fall, Hermann Mattes hat im vergangenen Jahr für seine Kapelle Originalnoten im Wert von 2000 Euro gekauft. Da fallen mir fast zwangsläufig unsere alten, Generationen überdauernden, handgeschriebenen Notenbüchlein ein. Die waren mit ihrem Inhalt schon ein Kulturgut an sich. Ab und zu taucht das eine oder andere Stück daraus, neu bearbeitet und frisch aufgelegt, in deutschen Musikverlagen auf – sozusagen als traditionelles Werk, also von einem unbekannten Komponisten.
Da mag es schon mal vorkommen, dass der eine oder andere Siebenbürger Sachse oder Banater Schwabe ein Musikstück kauft, das dem Notenheft einer Dorfkapelle aus der alten Heimat entnommen wurde. Aber nichts für ungut, unsere Vorderen haben ja auch in den Staatsgütern, die vorher eigenes Land waren, gearbeitet. Es hat damals geklappt und klappt heute auch, mit dem Zusatz, dass es jetzt sogar noch etwas besser klingt. Es ist auch sonst kein Kinderspiel, eine solche Blaskapelle am Leben, sprich beim Spielen, zu erhalten. Seriöse Probenarbeit, klare Vorstellungen von den Zielen, aber auch von den Möglichkeiten der einzelnen Musiker, sind Voraussetzungen für eine nachhaltige Präsenz der Kapelle in der Ingolstädter Musikszene. Und die ist wahrlich nicht arm an Ereignissen. Da geben sich, dank Audi, die besten Solisten und Orchester der Welt die Klinke in die Hand. Und trotzdem sind sie gefragt, anerkannt und als Teil der ortseigenen Kultur respektiert, die Musikanten der Siebenbürger-Banater-Blaskapelle Ingolstadt unter der Leitung von Hermann Mattes.
Mark Jahr
Die Siebenbürger-Banater Blaskapelle beim Ingolstädter Bürgerfest.
Foto: der Verfasser
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]