Hühnersuppe für Prinz Charles (I)
22.07.10
Die Jessica Douglas-Home ist eine typische Engländerin. Sie wird sechzig sein. Ihr Mann war ein berühmter Journalist und ist an Krebs gestorben mit achtundvierzig Jahren. Sie hat zwei Söhne. Aus hohen Kreisen ist die Jessica. Sie war ein Grübler nach der Gerechtigkeit, schon zu kommunistischer Zeit hat sie ein Buch über Rumänien geschrieben. Im 88er ist sie das erste Mal nach Rumänien gekommen. Sie wollte einem Professor helfen, den der Ceausescu von der Hochschule geworfen hatte.
Damals hat sie sich in unsere sächsischen Dörfer verliebt. Sie hat ein Büchlein darüber gemacht mit Bildern. Die Jessica kennt Prinz Charles persönlich. Sie wusste, dass er sich für alte Bauarchitektur interessiert. Dem hat sie dieses Büchlein geschickt, und dem gefiel das auch. Dann hat sie eine Stiftung gegründet, den Mihai Emineseu Trust. Von dem ist der Prinz der Patron. Sie helfen uns, unsere Dörfer zu erhalten. Sie machen überall was in dieser Gegend, bis rüber nach Birthälm. Jessica wählt das aus. In Hermannstadt haben sie noch was Altes. In Deutschkreuz machen sie viel. In Malmkrog sind noch viele Sachsen. Da haben sie eine große Apfelplantage gekauft und ein kleines Schloss.
Im 98er kam Prinz Charles zum ersten Mal nach Rumänien. Es war ein offizieller Besuch. Damals kam er nicht hierher, er war in Bukarest, Mediasch und in Meschen. Da ist auch eine schöne alte Kirchenburg. Die Jessica hat gesagt, wir sollen unsere Tracht anziehen und nach Meschen kommen. Davon gibt es ein Foto: Walter, Caroline, Ursula und ich in Weißkircher Tracht. Gerhild war noch in Deutschland, und mein Gerdi ließ so was nicht mit sich machen. Jemand musste auch zu Hause bleiben. Gerdi sagte, als wir so gebockelt waren: „Na fahrt nur, euch hält keiner auf, wenn man euch im Auto sieht."
In Meschen war das ganze Dorf in Aufruhr. Da durfte keine Mücke rein. Aber die Jessica war jemand, das ist uns gleich aufgefallen. Prinz Charles hat sie umarmt und mit ihr gesprochen. Danach hat sie uns ihm vorgestellt. Ich konnte ja nichts sagen. Damals hat er Englisch gesprochen, und das versteh ich nicht. Jessica hat der Caroline vorher gesagt: „Lade ihn höflich nach Weißkirch ein."
Wir hatten ihm jeder ein Geschenk mitgebracht, ich ein schön gewebtes Handtuch, Ursel hatte einen Birkenstock bemalt, und Caroline gab ihm ein Foto von Weißkirch, vom Flugzeug aus geknipst.
„Das sieht schön aus", hat er gesagt. „Wo liegt dieses Weißkirch?"
„Hundert Kilometer von hier, und wir laden Eure Königliche Hoheit herzlich ein, uns zu besuchen." Die Caroline hat ein wenig geflunkert. Es sind mehr als hundert Kilometer von Meschen bis her.
Er hat gelächelt und genickt. „Vielleicht kommt's mal dazu."
Die Jessica hat es nicht dabei belassen. Die ist uns zugetan und hat die Caroline per Flugzeug mitgenommen nach Norden - zu einer Tagung in England. Jessica hat gesagt: „Caroline, du kannst gut reden. Steh du vor Prinz Charles."
Caroline hat ihm unser Problem vorgelegt. Dass viele uralte Häuser, weil die Sachsen weg sind, einzustürzen drohen. Wir brauchten Hilfe. Das hat er bejaht, und ich denke, er hat auch Jessicas Stiftung Geld gespendet.
Wir Sachsen sind so, wir legen Evidenz. Im 2002er hat Caroline den Prinzen eingeladen über die Jessica. Er sollte mal kommen und sehen, was wir mit seinen Geldern machen.
Im selben Jahr kam er tatsächlich in unser Dorf. Es war ein privater Besuch, aber er musste trotzdem ziemlich geheim gehalten werden. Bei Klausenburg hat er eine Ururahne. Deren Grab hat er vorher besucht.
Charles hatte sich für den 4. Mai angemeldet. Er kam mit dem Jeep, weil die Straße nach Weißkirch so schlecht ist.
Eine Dreiviertelstunde sollte er hier bleiben und unsere Burg besichtigen. Es hat uns niemand kommandiert, aber wir wollten unser Bestes geben. Wir lassen niemand ohne Essen. Deshalb hab ich ihm eine Hühnersuppe gekocht, wie wir das machen mit einem guten Gast.
Er ist zu Fuß durchs Dorf gegangen, mit seinem Gefolge, Bodyguards, Arzt und so. Er hat jeden gegrüßt. Es wussten doch nicht alle, dass das der Prinz Charles war, der Nachfolger der Königin Elisabeth. Er war so bescheiden gekleidet, dass man dachte: „Wie unsereiner."
Mein Bruder war auf der Gasse. „Met wie schon hat er gegrüßt, mal auf diese, mal auf jene Seite."
Dann ist der Prinz raufgekommen zur Burg. Wir haben ihn alle begrüßt. Wir gaben ihm eine gute Vorspeise und unser Hausbrot. Er hat von allem anstandshalber gekostet und ein wenig Suppe gegessen. Die Jessica saß neben ihm und hat übersetzt.
Er wollte zu Fuß übern Berg nach Meschendorf gehen. Das ist ein wunderschöner Spaziergang durch Haselnusssträucher, Wald, Wiesen und Weiden.
Mein Mann hatte ein schönes schwarzes Pferd. Das zog nicht gern. Zum Reiten ging es. Gerdi, der damals noch lebte, ließ es bürsten. Danach sah das Fell aus wie ein Spiegel. Wir haben es gesattelt und zum Prinzen hingeführt, damit Charles nach Meschendorf reiten konnte.
Der Prinz hat ihm den Hals geklopft und hat es gestreichelt.
Statt einer Dreiviertelstunde blieb er bis zum späten Nachmittag hier, vier Stunden ungefähr.
Die rumänischen Bodyguards hatten uns gesagt: „Dass ihr ihn nicht auf den Turm schafft!"
Sagte ich: „Warum?"
„Na siehst du nicht, da ist doch Schmutz."
Sagte ich: „Er soll sich doch nicht hinlegen."
Er ist mit der Caroline auf den Turm. Er hat nur kurz runtergeguckt.
„Ich habe Probleme mit Höhensehwindel", hat er ihr gestanden. Wie warm ist ihr da geworden! Sie hat gedacht: „Wenn der mir jetzt hier umkippt...“
Ich hab mit ihm ein wenig Deutsch geredet. Das ging ganz gut. „Mein Deutsch ist schrecklich", hat er gesagt, „aber wir können uns verstehen."
Ich war ganz offen mit ihm. „Ich kann Sie nicht jedes Mal Eure Königliche Hoheit nennen. Aber was ich sag, das kommt von Herzen."
Sagte er: „Nicht Sie, du. In Englisch gibt's kein Sie."
Da waren wir per Du. Übern Tisch haben wir uns beredet, mein Mann hat sich fast geschämt. Aber der Prinz war so nett, dass ich mich ertappt hat, wie ich ihm die Schulter gestreichelt hab.
Unsere rumänische Geheimpolizei lauerte in den Tannen und hinter den Sträuchern. Mein Mann war so witzig. „Wenn ich jetzt ein wenig Karbid hier hätte, dass ich mal knallen könnte, dann würden die alle zusammenlaufen."
Ich sagte den Geheimpolizisten: „Was macht Ihr für ein Wesen? Wir sind friedliche Leute und haben keine Feinde hier. Wenn es nach mir ginge, würde ich ihm eine Decke ausbreiten und sagen: Hier kannst du die ganze Nacht unbehütet schlafen."
Da sagten sie mir: „Du weißt nicht, was du redest."
Sie haben die ganze Kirche vorher wie mit Staubsaugern durchsucht.
Seitdem ist Charles oft in Rumänien gewesen. 2006 war er für drei Tage hier in Weißkirch. Das war ein gemütlicher Besuch, wo man sich mit ihm in Ruhe aussprechen konnte.
Sie kamen gegen Abend zu Fuß von Meschendorf. Es hatte geregnet, und es war voll Morast. Da haben wir uns kurz begrüßt. Am andern Morgen war Nebel. Ich war schon früh auf der Burg und hab auf ihn gewartet.
(Schluss folgt)
(Aus: Werner Schmitz, Sara Dootz: „Mit der Sonne steh' ich auf“, Landwirtschaftsverlag Münster, 2010)
Foto:
Sara Dootz: „Meine Familie mit Prinz Charles. Ich schenke ihm ein selbst gewebtes Handtuch. 1998“
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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