Hühnersuppe für Prinz Charles (II)
29.07.10
Ich wollte ihn auf Englisch begrüßen und hab die Caroline gefragt, was ich sagen muss.
„Wenn du ,Good Morning, Sir' sagst, ist es gut."
So hab ich ihn dann gegrüßt.
Es war ein herrlicher Maimorgen. Er hatte so was Schönes selten gesehen, hat er mir erzählt. Als er von seinem Zimmer auf die Terrasse kam, hat sich der Nebel gehoben. Da war er wirklich angetan. Dann hat er die Burg besichtigt. Ich hab ihm alles gezeigt und erklärt.
Ich hab mit ihm so wie mit einem lieben Gast geredet. Er hat wirklich Charme.
Sein Bett hatten sie schon gemacht. Das war alles neu, auf dem hatte noch niemand geschlafen. Er muss die Caroline gefragt haben, was wir eigentlich als Unterlage haben. Aus Schafwolle genähte Wollmatratzen haben wir alle.
„Wär das möglich, dass ich auf so einer mal schlafen dürfte?", hat er sie gefragt. Sie ist bestimmt rot geworden. Sie hatte nur die, auf der sie schlafen, keine neue. „Das macht doch nichts, wenn ihr sie eine Nacht missen könnt."
Sie hat ihm ihre Matratze gegeben, und er hat auf der geschlafen. Am andern Morgen hat er gesagt, er hätte keinen Unterschied gemerkt. So ehrlich war er.
Mit dem Geld der Engländer wird hier eine Ziegelei gebaut, damit man nicht alle Mauer- und Dachziegel von weit her holen muss. Sie haben den Boden vorher getestet, er gibt gute Ziegel. Wenn jetzt jemand kommt, ist nicht nur die Burg zu besichtigen, sondern auch der große Ziegelofen. Da können ein paar arme Familien gut verdienen.
Charles und sein Gefolge sind durch meinen Hof zum Ziegelofen gegangen. Er ist auch zu unserm großen Hund gegangen, der war nicht mal gegen Tollwut geimpft. Der Hund hat ihn gleich angesprungen. Sie haben sich begrüßt, und gut war es. Dann ist der Prinz in den Schweinestall gekommen und hat meine Schweinchen gesehen. Die waren noch ganz klein. In den Hühnerstall ist er auch, er hat ja auch Hühner in seinem Garten.
Der Prinz hatte seinen eigenen Koch mit und Gemüse aus dem eigenen Garten in England. Das hat der ihm gekocht. Die Gerhild haben sie gefragt, ob sie ein wenig mithelfen könnte in der Küche. Die war überglücklich.
Am Abend hat er uns eingeladen. Da standen wir so rum, und auf einem Teller war allerhand rohes Zeug und eine Tunke. Das ist wohl so Brauch in England. Die haben das serviert, und wir haben miteinander geplaudert. Das eigentliche Abendessen war nachher. Wir waren nur vorher zu Besuch, aber es war eine schöne Atmosphäre.
Charles hat mich angesprochen: „Entschuldige, ich habe vergessen, wie ist dein Name?" So gut redet der Deutsch.
Hab ich gesagt: „Sara Dootz."
Sein Berater, der große Oliver, der immer um ihn war, hat das dicke Buch von Charles' Garten geholt. Da hat mir der Prinz eine Widmung reingeschrieben und es mir geschenkt.
Am andern Morgen wollte er sich um elf Uhr verabschieden. Er hat mir bestellen lassen: „Die Sara soll noch mal hoch kommen."
Wir haben Erinnerungsfotos gemacht, und er hat mir sein Porträt geschenkt, wieder mit Widmung. Wir haben uns wie Mutter und Sohn umarmt, richtig von Herzen.
Wer mir was schenkt, dem möchte ich auch was geben. Das hab ich niemandem vorher gesagt, dass sie es mir nicht verbieten. Ich hab mir ein Fläschchen von dem guten, selbst gebrannten Schnaps, der dich nicht zu Schanden macht, in die Tasche gesteckt und hab ihm das beim Abschied geschenkt. „Tu zwei, drei Tropfen in den Tee, dann hat er einen guten Geschmack", hab ich ihm gesagt. Er hat sich bestimmt gefreut.
Der Prinz hat gesagt, wenn wir ihm ein Geschenk machen wollten, einen sächsischen Kirchenpelz hätte er gern. Das ist ein Mantel aus Schafspelz, mit dem sind unsere Männer im Winter in die Kirche gegangen. Die Caroline hat ihm von Walters Großvater einen geschenkt.
Ich hatte von meinem Mann noch den blauen Kirchenrock für den Sommer. „Schau, den geb ich dir von Herzen gern. Der ist von meinem Mann."
Und Charles hat gesagt: „Gern nehm ich den mit."
Die Caroline hat erzählt, er hätte in seinem Garten alle Bäume, die man sich vorstellen kann, nur keine Mispeln. Wir werden ihm, wenn wir hinfahren, ein Mispelbäumchen aus Weißkirch mitbringen. Wir haben schon Kastanien aus seinem Garten. Die hat die Caroline mitgebracht. Die sollen uns wachsen zur Erinnerung.
Ob seine Mama den Prinzen mal gestreichelt oder gekost hat? Ob sie dafür Zeit hatte? Vielleicht ist er nicht ins richtige Nest gefallen. Er hat nicht gerade eine gebrochene, aber eine sehr tiefe Stimme. Ich hör sie noch, seine sanfte, milde Stimme. Nicht schnell spricht er, nicht energisch. Langsam und getragen. Das ist ganz gefällig.
Ich hab ihm große Nüsse mitgeschickt, als die Caroline in England war. Charles war leider in Schottland, als sie in seinem Garten war. Sein Chefgärtner hat sie rumgeführt.
Caroline hat ihm die Nüsse hinterlassen. Mit einem Gruß von der Mutter. Er hat ihr einen schönen Brief geschrieben. „Sag deiner Mutter, ich sende ihr meine ganze Liebe."
Er hat einen guten Kern, der ist nicht überwachsen.
Seit er zum ersten Mal hier war, hat Prinz Charles uns jedes zweite Jahr besucht. Beim vorletzten Mal hat er sich ein Haus in unserm Dorf gekauft und es schön herrichten lassen. In dem Haus hat er übernachtet, als er Anfang Mai hier war. Acht Leute waren um ihn herum: zwei Bodyguards, sein Sekretär, sein Arzt, einer, der ihm die Kleidung richtet, sein Koch und zwei enge Freunde.
Am Tag ist er mit seinem langen Stock spazieren gegangen. Das macht er jedes Mal, wenn er herkommt. Ich hab ihn gesehen, auch bei der Burg. Er benimmt sich so einfach, dass man denkt, er ist einer von uns. Man hat gar keine Komplexe, wenn man ihn trifft.
Der Prinz ist begeistert von der Natur. Beim Spaziergang beugt er sich über die Blumen und riecht daran.
Als Charles das letzte Mal hier war, probten wir grade für die Einweihungsfeier unserer Orgel. Wir haben nämlich unsere Kirchenorgel restaurieren lassen.
So wenig Sachsen wir noch sind, wir haben doch einen vierstimmigen Chor. Es war auch ein sehr musikalisches Ehepaar aus Norwegen da, das hat mitgesungen. Wir probten zwei Kirchenlieder, das Mailied und, weil bald Muttertag war, „Wenn Du noch eine Mutter hast“ .
Es war Freitagabend. Der Prinz wohnte vis-a-vis von der Caroline, wo wir probten. Da hab ich gesagt: „Wisst ihr was, wir bringen ihm ein Ständchen. Wir freuen uns über seinen Besuch, und es macht ihm bestimmt auch Freude."
Alle waren einverstanden.
Es war gegen halb elf. Vor dem Haus des Prinzen führt eine Brücke über den Graben. Als wir uns der Brücke näherten, kamen unsere Securisten und sagten: „Was wollt ihr hier?"
Da hab ich mir die Jacke aufgemacht und hab gesagt: „Seht, wir sind nicht bewaffnet, wir haben keine Krankheit, wir sind alle kerngesund. Der Prinz ist ein Gast, den wir lieb haben. Wir möchten ihm ein Ständchen bringen.“ Dann gingen die Securisten zurück.
Es war schon dunkel in seinem Zimmer, aber nach dem ersten Lied wurde Licht, und der Prinz kam raus. In einem dunklen Anzug mit großen gelben Knöpfen und seinen Auszeichnungen auf der Brust. Ich hab ihn noch nie so fürstlich angezogen gesehen.
Seine Leute machten Licht um ihn, und ich hab gesehen, wie ihm die Tränen in den Augen funkelten. So gerührt war er.
Wir waren fünfzehn Sänger, die zwei Orgelbauer aus der Schweiz, das Ehepaar aus Norwegen und wir Weißkircher Sachsen. Es klang wirklich schön. Mein Schwiegersohn, der Walter, singt Tenor, meine zwei Tochter Sopran und ich Alt.
Alle vier Lieder haben wir ihm gesungen. Er hat sich auf Englisch bedankt. Jedem hat der Prinz die Hand gegeben. Wir haben keinen Knicks gemacht, aber er hat sich trotzdem vor jedem verbeugt. Und als an mich die Reihe kam, hat er mich fest umarmt und geküsst.
(Schluss)
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