Hüte aus der Zwischenkriegszeit ausgestellt
28.10.21
Noch bis Ende November im Museum für Städtische Zivilisation
Die Namen Heinrich Tischler, Paul Ziske oder Wilhelm Blucher, aber auch Eva Schwartz und Constantin Cristoloveanu sind in Kronstadt bekannt. Die Genannten waren Hutfabrikanten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und sorgten durch ihre handgefertigten Produkte dafür, dass das Kronstädter wohlhabende Bürgertum die neuesten Modetrends aus europäischen Großstädten wie Wien oder Paris mithalten konnte. In 24 Werkstätten von Hutmacherin und Modistinnen wurden bis 1948 Zylinder, Hüte, Mützen angefertigt und verziert. Männer trugen u.a. Modelle wie Melone – der steife, abgerundete Hut, der ursprünglich in England getragen wurde - Borsalino, Fedora, Zylinder oder Clack. Die Kopfbedeckungen für Damen waren mit Blumenmotiven bestickt, mit Perlen verziert, ja sogar mit ausgestopften Vögeln. All diese Modelle sind im Rahmen der Ausstellung „Der Hut – Accessoire, Eleganz und Botschaft in der Zwischenkriegszeit in Kronstadt”, im Museum für Städtische Zivilisation (Marktplatz/Piata Sfatului Nr. 15) bis Ende November zu bewundern.
Hut mit ausgestopftem Vogel
“Die Sammlung des Museums ist recht arm, weil die Leute nach der Machtübernahme des Kommunismus Hüte, Pelze und alle anderen Zeichen der Bourgeoisie verbrannt haben, um nicht verhaftet zu werden” erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Oana Tiganus. Nichtsdestotrotz stehen ganz unterschiedliche Modelle aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Schau, die teils aus der Museumssammlung - zu der Familie Depner und Philippi beigetragen haben - und teils aus der Privatsammlung der rumänischen Hutdesignerin Kristina Dragomir stammen. Sie ist die Hutmacherin des rumänischen Königshauses. Auch Königin Elisabeth hat eine ihrer Kreationen getragen, sowie auch Sängerinnen wie Lady Gaga oder Katy Perry. Die Künstlerin hat einige Hüte für die Ausstellung aus der Zinnenstadt angefertigt, mit welchen sich die Besucher fotografieren können.
Zu den Seltenheiten der Ausstellung zählt ein Hut dessen Dekoration - ein ausgestopfter Vogel - bis Mitte des 20. Jahrhunderts sehr beliebt war, aber auch ein Schiparaelli-Hut, der mit Goldfaden verziert wurde. Ein Zylinder, der von 1900 stammt und niemals benutzt wurde, ist auch ausgestellt. Als Erinnerung an die Mode von einst kann man sich mit einem Klappzylinder von 1920, einem klassischen Zylinder, der zusammengeklappt werden kann, fotografieren.
Video über Herstellung von Strohhüten
Die Kopfbedeckung, die bis 1948 als Zeichen von Familienstand, Nationalität, Alter, Charakter, aber auch von ethnischer Zugehörigkeit galt und unabhängig vom sozialen Stand zu jedermanns Garderobe gehörten, hat seither kein richtiges Comeback erlebt. Die eleganten Hüte wurden mit Tüchern oder Hauben ersetzt, Männer bedeckten ihre Häupter mit Mützen oder Kappen, danach mit Arbeitermützen. Heutzutage regiert wohl die Sportmütze im Alltag, elegante Kopfbedeckung wird eher zu besonderen Anlässen getragen. In Geschäften sind elegante Hüte nur noch selten zu finden, man kann sie jedoch online bestellen. Es gibt einige junge rumänische Designer, die dieses Handwerk wiederbeleben, darunter auch Dragomir.
Nicht aus der Mode gekommen scheint der Strohhut zu sein, zumindest nicht im Dorf Criseni aus Harghita, wo es ein Museum der Strohhüte gibt, wo hunderte unterschiedliche Exemplare ausgestellt sind. In einem kurzen Video wird die Kunst der Hutmacher aus dem Dorf deutlich.
Sächsische Hauben auch ausgestellt
Ein Teil der Kronstädter Ausstellung ist den sächsische Hauben gewidmet, die im Burzenland getragen wurden. Zu sehen sind Hauben aus schwarzem Samt, die mit bestickten Blumensträußen verziert sind. Nach der Hochzeit wurden die Hauben mit roten und rosafarbenen Blumen bestickt. Mit der Zeit, wurden die Blumen gelb und violett bestickt. Seniorinnen trugen Hauben mit monochromer floralen Dekoration. Die ausgestellten Hauben haben zwei Schleifen aus schwarzem Samt, die eine große Schlaufe am Nacken bildete und die unter dem Kinn mit Bändern zu einer Schleife gebunden wurde.
Auch Schülermützen sind zu sehen. Die Schülerinnen der oberen Klassen der Evangelischen Schule trugen burgunderrote Samtmütze, wobei die Schülerinnen des Mädchenlyzeums “Regina Maria” (heute “Unirea”-Nationalkolleg) Kopfbedeckung aus dunkelblauem Filz, mit kleinen Krempen und mit einem blauen Band trugen. Die verpflichtende Hauptbedekcung für die Eleven des heutigen “Andrei Saguna”-Nationalkollegs, damals Orthodoxes Gymnasium, bestand aus blauer bzw. Schwarzer Stoffmütze, je nach Studienjahr. Man kann auch eine Reihe von Junii-Kappen bewundern. Die Ausstellung wird durch Werkzeug wie Nähmaschinen und Utensilien vervollständigt, auch sind die Schachteln der Hüte, die die teuren Accessoires schützen sollten in den Vitrinen zu sehen. Werbung und weitere Dokumente der Zeit in Großformat laden Besucher in die Vergangenheit ein. “Vor 1948 gab es in Kronstadt rund 1.200 Handwerkswerkstätte, die sehr spezialisiert waren, wo beispielsweise Regenschirme. Heutzutage gibt es nur noch Schuhmacher, Uhrmacher und Schneider und auch die verschwinden, finden keine Lehrlinge“ erklärt die Kuratorin. Die Ausstellung steht bis Ende November offen, mit Ausnahme der Montage und Dienstage. Der Eintritt kostete 9 Lei für Erwachsene, 2 Lei für Kinder und 4 Lei für Rentner. Ein gültiger Covid-Pass ist nötig.
Laura Capatana Juller
Foto: Heinrich Tischler war bis Mitte der 50er Jahre einer der berühmtesten Hutdesigner Kronstadts
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]