I t a l i e n i s c h e R e i s e b r i e f e
13.08.15
Von Prof. Friedrich Lexen (Auszüge/11)
Sehen sie nun, dass man sich in der Notlage befindet und auf sie angewiesen ist, dann werden sie unverschämt und verlangen hohe Beträge. Wie oft haben wir sie in dieser Eigentümlichkeit kennen gelernt, aber zum Glücke sind sie nie zu ihrem Ziele gekommen, wir haben in den meisten Fällen bloß die Taxe oder
weniger noch bezahlen müssen. Es ist kein Mangel an Droschken, ja in einzelnen Städten geradezu eine unverhältnismäßig große Menge solcher vorhanden. So kommt es, dass man sie namentlich in der toten Saison leicht und billig haben kann, wenn man nicht verrät, dass man sie notwendig braucht. Man stellt sich einfach so, als brauchte man sie nicht, dann bieten sie sich selbst an, fahren einem lange Strecken nach und erst in diesem Falle lässt man sich mit ihnen in Unterhandlungen ein. So kann man oft um eine Bagatelle weite Strecken zurücklegen. Wir sind in Rom, in Neapel mit der Droschke billiger gefahren, als wenn wir mit der elektrischen Bahn gefahren wären.
Am Bahnhofe angekommen, fanden wir durch Vermittlung des Konsulates die Droschken schon vor; eilig setzten wir uns in sie und waren gespannt, ob das Schiff uns wirklich erwarten werde. Auch damit hatten wir befriedigende Resultate, das Schiff war noch da, es hatte fast eine Stunde auf uns gewartet. Was aber, wenn wir es nicht erreicht hätten? Hierfür war ebenfalls vorgesorgt worden. Wir wären dann - auch mit bedeutend ermäßigten Preisen – per Bahn sofort nach Venedig gefahren und hätten dort ein oder zwei Tage zugebracht und wären dann von hier aus nach Fiume. Bei einer Reise, wo von Zufälligkeiten manches abhängig ist, empfiehlt es sich, wie wir gesehen haben, bei Zeiten auch gewisse Eventualitäten mit in Berechnung zu ziehen. Dieser Vorsicht verdanken wir es, dass wir vergnügt in dem uns bekannte Schiffe saßen und ein jeder sich ein Plätzchen suchte, um sich von den Anstrengungen des Tages recht zu erholen. Wir erwiesen uns diesmal alle als seefest, so dass jeder mit gutem Appetite dem einfachen Abendessen zusprach. Alle waren befriedigt, nur einer härmte sich ab, weil ihm die duftende Eierspeise nicht zu Gesichte gekommen war. Die dunkle Nacht hüllte alles in tiefes Schweigen, nur das Rauschen der Wogen und die
disharmonisch schnarchenden Töne der tief schlafenden Reisenden erfüllten die Luft. Am frühen Morgen waren wir in Fiume angelangt.
Rasch kleideten wir uns in unserm Hotel „Hungaria“ an, frühstückten und gingen in die Stadt, um wieder einige Einkäufe zu machen. Noch waren mancherlei Kleinigkeiten für geliebte Angehörige zu besorgen, und Fiume bot hierzu die letzte Gelegenheit. Ursprünglich war die Absicht vorhanden, wieder nach dem uns schon bekannten Badeort Abbazia zu fahren, doch wurde auf den Rat unseres Fiumaner Landsmannes lieber das uns unbekannte, zirka zwei Stunden zu Schiff entfernte Seebad Cirkvenica aufgesucht. In letzter Zeit macht dieses Seebad viel von sich reden und es ist in ihm eine nicht unbedeutende Konkurrentin für Abbazia entstanden, namentlich seit sich die Budapester haute finance hier angekauft hat und es in ihrem Interesse liegt, um eine möglichst hohe Verzinsung des angelegten Kapitals zu erzielen, tüchtige Reklame für den jetzt immer mehr erblühenden Ort zu machen. Dieser Reklame ist es auch zuzuschreiben, dass die Zahl der Badegäste sich von Jahr zu Jahr steigert und dadurch Abbazia etwas geschädigt wird. Die verlockende Gelegenheit, unseren Leib noch einmal in die kühlenden Meeresfluten einzutauchen, ließen wir uns auch diesmal nicht entgehen und bald waren wir alle insgesamt in den grünbläulichen Fluten und erfreuten alle Badenden durch unser lebhaftes Tun und Treiben. Die Meeresküste ist hier nicht so steil wie in Abbazia und der Meeresgrund angenehm sandig. Es war unser letztes Seebad während unserer Reise, und es war kein Wunder, wenn manche unserer Reisegenossen diese Gelegenheit reichlich ausnützten und recht lange badeten. Der Abend dieses Tages war wie geschaffen zum Abschiedsabend, hatten wir doch das Reiseprogramm hinter uns und stand uns nur noch die Heimfahrt nach Kronstadt bevor. In traulichem Beisammensein saßen wir da und erfreuten unsern in Fiume ansässigen Landsmann mit einer recht reichen Zahl schöner Lieder. Der allgemeinen Stimmung entsprechend erhob sich Professor S., um in seinem und im Namen der ganzen Reisegesellschaft dem Rektor unseres Honterusgymnasiums für die bei Ausarbeitung des Reiseprogramms gehabte Mühe, für den Eifer bei Beschaffung und Flüssigmachung der nötigen Geldmittel durch Veranstaltung von Kirchenkonzerten und andern Konzerten unserer Schüler, durch
Veranstaltung der Wallensteinvorstellung, für die Unverdrossenheit bei der Durchführung auch dieser, der 11. Schulreise, den gebührenden Dank auszusprechen.
Noch ertönten einige Abschiedslieder, und auch dieser schöne Abend war vorüber. Am nächsten Morgen saßen wir wieder im Eisenbahnzuge und dampften unserer Heimat zu.
(Fortsetzung folgt)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
20.06.25
Installation Reflections of East-West Perspectives in Kronstadt
[mehr...]
20.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIV): Pianistin und Klavierpädagogin Selma Erler-Honigberger (1888-1958)
[mehr...]