I t a l i e n i s c h e R e i s e b r i e f e
25.06.15
Von Prof. Friedrich Lexen (Auszüge/4)
Von einem Maulbeerbaum zum andern gehen Seile und Stäbe und ein dichtes Gewinde von Ästen zieht sich zum benachbarten Baume hin, wie eine dichte, grüne Mauer. Auf demselben Felde stehen noch Getreidefrüchte, Obstbäume, ja sogar Zitronen- und Orangenbäume.
Wir sind jetzt angelangt in dem glücklichsten Teil Italiens, wo die Zitronen blühn und im dunklen Laub die Goldorangen glühn. Doch sind die meisten Zitronen und Orangen noch klein und grün und reifen erst später. Als wir in Caserta einfuhren, bot sich uns ein recht überraschendes Bild. Am Bahnhof standen Männer mit ihren in einem grünen Sack eingehüllten Mandolinen, bald war einer von diesen in unserem Abteil und erfreute uns durch seine heiteren Mandolinenweisen und dazu gesungenen Lieder. Sie spielen die Mandoline recht gut und singen mit Feuer und Begeisterung. Kein Wunder, dass wir auch bald trotz der Strapazen der nächtlichen Fahrt in heiterster Stimmung waren und uns recht freuten, diese Gefilde betreten zu haben. „Auch ich war in Arkadien geboren, auch mir hat die Natur an meiner Wiege Freude zugeschworen“, so dachte ich mir und pries mein Schicksal, das mich in solch prächtige Gefilde brachte. Bald sahen wir in weiter Ferne den sich majestätisch erhebenden Vesuv, der eben seine Morgenzigarette rauchte. Von dem kegelförmigen Gipfel senkte sich am Bergesabhang weißer Rauch hinab, wir standen alle am Fenster und verfolgten mit aufmerksamen Blicken diesen Berg, von dem wir schon so viel gehört und gelesen hatten. Ganz unschuldig senken sich die weißen Rauchmengen am Berge hinab, man sieht es ihm nicht an, dass er so gefährlich werden kann, wie wir es aus seiner Vergangenheit wissen. Nun sahen wir auch den sich weithin sich ausdehnenden Meeresstrand, an dem eine Unzahl an Masten und Segeln bemerkbar wurden.
Ein Pfiff der Lokomotive deutete uns an, dass wir in Neapel, dieser größten und schönsten Stadt Italiens sind, eine der schönsten Städte ganz Europas. Der Hoteldiener erwartete uns am Bahnhof, unser Gepäck ward in einen bereitstehenden „Landauer“ aufgeladen, wir selbst fuhren in einem elektrischen Wagen der am Meeresstrande in Santa Lucia gelegenen „Pension Freimann“ zu.
Nach dem Frühstück gingen wir in den mit herrlichen Palmen, Yukkas, mächtigen Koniferen, immergrünen Eichen in reicher Entfaltung gezierten Park und erfreuten uns an dem eigenartigen terrassierten Aufbau der Stadt. Sie steht in bezaubernder Pracht da, mit ihren sonderbar gebauten Häusern, mit fast horizontalen Dächern, großen Fenstern und unzähligen Balkonen. Und vor uns erstreckt sich weit hinaus das prächtige Meer, im Hintergrunde der Vesuv, und rechts davon die vielfach gerühmte Insel Capri. Bei unserem weiteren Gange in dem Park kamen wir an das Aquarium der zoologischen Station, dem wir natürlich sofort einen Besuch abstatteten. In reicher Fülle sahen wir da die geheimnisvollsten Tiere des Meeres, von den einfachsten Tieren hinauf bis zu den Fischen und Schildkröten. Eine reiche Farbenpracht entwickelten die
Seeanemonen, die Korallen und die Quallen. Raubgierig bewegten sich kleine Haifische, Rochen, mächtige Seeaale und Muränen hin und her. Seesterne, Seeschlangen, Seeigel, Seegurken von verschiedenster Gestalt und Farbe lagen da vor uns und entzückten unser Auge. Einsiedlerkrebsen mit Aftermietern, den Seeanemonen, gingen der Stillung ihres Hungers nach und kleine Zitternchen teilten den sie Berührenden elektrische Schläge aus. Wie auf einer schönen Wiese bereitete sich die Farbenpracht dieser Tiere aus, die auf dem Meeresboden leben, und diesen zu einer schönen, bunt gefärbten Wiese gleichsam umwandeln. Hätte Schiller eine Ahnung von den Herrlichkeiten des Meeresbodens gehabt, er hätte ihn sicher nicht so schrecklich abschreckend geschildert. Diese zoologische Station hat in den letzten Jahrzehnten recht viel für die Erforschung des Tierlebens im Meer getan und immer eifriger arbeiten Fachmänner aus den verschiedensten Ländern, um diese rätselhafte Welt zu erforschen und ihr Leben und Treiben immer klarer zu erkennen. Es ist erfreulich, dass das Streben nach Erkenntnis der Natur immer bewusster und fester ins Auge gefasst wird und gerade in neuester Zeit auch auf diesem Gebiete eine ganze Schar hervorragender Fachmänner mit Erfolg tätig ist, das geheimnisvolle Dunkel, das noch in dem Aufbau und der Entwicklung so vieler Meerestiere liegt, zu lüften.
(Fortsetzung folgt)
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