I t a l i e n i s c h e R e i s e b r i e f e
16.07.15
Von Prof. Friedrich Lexen (Auszüge/7)
Es ist eben die Insel der deutschen Dichter und deutschen Maler, die seit Jahrzehnten gerne hierher kommen und zum Teil die nötig gewordene Muße oder neue Anregung suchen. Ganz sonderbar mutete es uns an, als wir sahen, wie diese Insulaner, selbst Kinder, in humoristischer Weise das von den Deutsche oft und oft gesungene Lied: „Muss i denn, muss i denn usw. usw.“ sich wenigstens teilweise angeeignet hatten und uns vorsangen. Nach dem Baden stiegen wir zu dem hoch oben gelegenen Städtchen Capri hinauf, wo die Bürger dieser Stadt eben eifrig versammelt waren, um die wichtige Angelegenheit der Neuwahl des Gemeinderates zu besprechen. In großer Zahl standen sie da, wie einst die alten Römer da gestanden sein mögen und berieten über das Wohl ihrer Gemeinde.
Wir gingen an ihnen vorüber, nach dem bekannten Hotel, in dem die deutschen Künstler, unter ihnen auch Begas, die kahlen weißen Wände und die kahlen Türen mit ihren künstlerischen Werken im Verlaufe von mehreren Jahrzehnten geschmückt hatten. Dann kehrten wir in dem Restaurant „Zum Hiddigeigei“ ein, und bald erklangen in Erinnerung an Scheffels sonnige Gedichte melodienreiche Akkorde in immer schnellerer Folge. Neugierig umstanden uns die Caprianer und hörten den schönen Chören unserer trefflich geschulten Schülern zu. Bald war auch eine Gitarre beschafft und es erklangen in schneller Aufeinanderfolge
eine Anzahl kraftvoller deutscher Klänge. Rings um uns waren die edlen Caprianer versammelt und hörten mit inniger Andacht den harmonischen Melodien zu. Doch bald war die Zeit gekommen, die uns von dieser Anhöhe hinabführte in unser Hotel und als wir links vor uns die steilen Felsen erblickten, da erinnerten wir uns lebhaft an unsern einzigartigen Butschetsch mit seinem schön gelegenen Malaieschter Tale. Dieser Vergleich war nahe liegend, soweit man Großes mit Kleinem vergleichen kann und in diesem Falle ist der Butschetsch der Große und Unübertroffene. Mit Lied und Sang marschierten wir ab, begleitet von einer ganzen Schar von Menschen, namentlich Kindern, die an unseren schönen Liedern besonderes Wohlgefallen gefunden hatten. Recht belustigend war es, als ein Soldo unter die Kinder geworfen wurde und diese nun in lebhaftem Streite ihn aufzunehmen suchten. Bald waren 10 bis 20 Kinder in einem dichten Haufen neben und untereinander liegend, denn jeder suchte den wertvollen Soldo in Besitz zu nehmen. So war auch dieser einzigartig schöne Tag vorüber.
XXIV.
Neapel, 21. Juli 1905
Gestern wurden wir mit einer der schönsten Gegenden Italiens, der „italienischen Schweiz“ bekannt. Sie erinnerte uns lebhaft an die schluchtenreichen Gebiete zwischen Königstein und Butschetsch und zwar am meisten an die von Törzburg aus nach Rucar sich hinziehende, rechts vom Königstein und links vom Butschetsch eingefasste Talenge. Die Straße, die wir teils per Bahn, teils zu Wagen machten, führte uns an den mächtigen, schroffen, mannigfach zerklüfteten Kalkmassen der Berge vorüber und immer wieder boten sich uns neue reizende Landschafts- und prachtvolle Vegetationsbilder.
Lebhaft wurden wir an einer Stelle an das uns so wohl bekannte Ialomi]atal mit seinem Höhenkloster erinnert. Ringsum erstreckten sich weit und breit weit ausgedehnte Zitronenhaine, deren Äste jetzt mit zahllosen Früchten bedeckt waren. Diese Haine machten einen eigentümlichen Eindruck auf uns. Da die zarten Äste der Bäume die zahlreichen Früchte ohne Unterstützung und Befestigung nicht hätten tragen können, so war in einer Höhe von zirka zwei Meter aus Holzstöcken oder Bretterstangen ein weit sich hinziehendes Gitterwerk errichtet worden, an dem sie sich nun hinbreiten und befestigt werden konnten. So wurde eine förmliche Laubwand gebildet, an der nach unten die herrlichen sattgelben Früchte hingen, die um geringen Preis an der Straße feilgeboten wurden. Herrlich blühte an den Felswänden die weiße Myrthe, der Kirschlorbeerbaum trug noch nicht gereifte Früchte, in mächtiger Entwicklung waren Feigenkaktusse zum Teil mit Blüten, zum Teil mit halbreifen Früchten, hie und da stand die hoch aufgeschossene Agave mit ihren angehäuften gelben Blüten. Es war hier eine so reiche Vegetation, wie wir sie bisher noch nicht gefunden hatten. Wir waren nun im richtigen Zitronenlande und auch im Makkaronilande, denn oft und oft fanden wir ein Bild, das sich bisher nirgend aufgedrängt hatte. Große Massen von Makkaroni waren auf Tüchern ausgebreitet, um sie durch der Sonne Glut trocknen zu lassen. Da lagen in großer Menge die hellgelben dicken und dünnen Schläuche überreichlich besetzt von den hier schon in unerträglicher Menge vorkommenden Fliegen.
(Fortsetzung folgt)
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