I t a l i e n i s c h e R e i s e b r i e f e
30.07.15
Von Prof. Friedrich Lexen (Auszüge/9)
Wir waren geradezu überrascht von dem edlen, feinen Kunstsinn der alten Römer, die selbst kleine und alltägliche Dinge in schöner und geschmackvoller Form darzustellen trachteten. Die kleinsten und einfachsten Stücke der Sammlung zeugten davon, dass es dem Hersteller nicht daran gelegen war, seine Arbeit möglich schnell fertig zu bringen und in möglichst kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, sie sprachen viel mehr davon, dass der Verfertiger mit viel Liebe und mit Dransetzen all seiner Fähigkeit wahrhafte Kunstwerke schaffen wollte. Und wie mannigfaltig war die ornamentale Verzierung an ihnen, ein Beweis dafür, dass sie die sie umgebende Natur mit tiefem Verständnis betrachteten und aus dieser
Betrachtung eine nie versiegende Fülle neuer Ideen bekamen. Die kurzen Stunden des Vormittags reichten für mich kaum hin, um diese kostbaren Sammlungen so genau zu betrachten, als ich es gerne gewünscht hätte, aber ich musste froh sein, dass ich auch diesen nur flüchtigen Blick in diese großartige Welt antiker Kunst tun konnte. Der Nachmittag und der Abend war dem beschaulichen und erholsamen Bummel in den Straßen Neapels gewidmet.
Die einen machten allerlei Einkäufe für ihre zahlreichen Verwandten in der Heimat, bald waren ihre Taschen gefüllt, ihre Hände voll bepackt, dafür aber ihre Geldtaschen umso leerer, die andern sahen sich das bekannte, echt orientalische Treiben auf der Straße an, das ihnen von Schritt zu Schritt immer mehr des
Interessanten bot. Ich selbst hatte schon während der Reise in Erinnerung an Tells Worte:
„Sonst, wenn der Vater auszog, liebe Kinder,
Da war ein Freuen, wenn er wieder kam;
Denn niemals kehrt er heim, er bracht euch etwas,
War´s eine schöne Alpenblume, war´s
ein seltener Vogel oder Ammonshorn,
Wie es der Wandrer findet auf den Bergen“,
zahlreiche Schnecken, Muscheln, auch Seeigel und Flusspferdchen, mancherlei Pflanzenfrüchte, einzelne Mineralien, so Lavaasche, verschieden gefärbte Lava gesammelt und sah schon im Geiste während des Sammelns die gesteigerte Freude meiner lebhaften Jungen. Welch sonderbares Bild bietet die belebte
Straße! Dicht gedrängt, wie bei uns auf der Promenade, durchwandern die Menschen in langsamem Gange vom Morgen bis zum Abend die Straßen, es ist als hätten sie nichts zu arbeiten. An den Straßenecken sitzen vor den Tischen, genau so wie in Konstantinopel, die Schreiber, um die schriftlichen Angelegenheiten der zahllosen Schreibunkundigen zu besorgen.
(Fortsetzung folgt)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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