In London spielte sie oft vor der Königin Victoria
31.01.25
Kronstädter Musikerinnen (II): Irene von Brennerberg (1873-1922)
Das Typoskript der zweiten Folge unserer Artikelreihe „Kronstädter Musikerinnen“ trägt einen schlichten Titel, nämlich nur den Namen der Künstlerin, der der Beitrag gewidmet ist. Dieser ist nicht unterzeichnet. Wir wissen also nicht, wer dessen Verfasser oder Verfasserin ist. Als Anlagen enthält er ein geheftetes doppeltes Faltblatt, betitelt „Recensionen der Saison 1899-1900 über Irene von Brennerberg“ sowie zwei weitere nichtdatierte Blätter, die Fotos der Künstlerin mit Violine reproduzieren. Eines dieser Blätter, ein Ausschnitt aus der Publikation „Der Konzertsaal“, nennt in alphabetischer Reihenfolge 47 Städte mehrerer Länder – Deutschland, Österreich-Ungarn (darunter Hermannstadt und Kronstadt), England, Norwegen und Rumänien (Bukarest), in denen Irene von Brennerberg bereits Engagements absolviert hatte. Es enthält desgleichen die Information, dass Engagements der Geigenvirtuosin über die Konzert-Direktion Hermann Wolff, Berlin W., vermittelt werden.
Irene v. Brennerberg wurde als Tochter des Bürgermeisters Franz von Brennerberg (1) und seiner Frau Josefine geb. Dück am 14. März 1873 in Kronstadt geboren. In ihrer frühesten Kindheit zeigte sich schon ihre große musikalische Begabung, die ihr Pate, Musikdirektor Brandner (2), als 2-jähriges Kind bei ihr entdeckte. Sie sang schon in diesen Zeiten allen alles glockenrein nach und am liebsten das Liedchen „Eine kleine Geige möcht' ich haben“.
Ihr Wunsch sollte sich erfüllen. Mit 6 Jahren erhielt sie den ersten Geigenunterricht von ihrem Paten. Mit 8 Jahren trat sie dem Kronstädter Dilettanten-Orchester bei. Im 9. Jahr spielte sie öffentlich mit Orchesterbegleitung das 7. Konzert von Bériot (3). So war ihre früheste Jugend von Musik erfüllt. In ihrem Elternhause wurde Musik mit Begeisterung gepflegt, besonders Kammermusik; so spielte die kleine Irene mit ihrem Lehrer und ihren beiden Schwestern (Cello und Bratsche) Streichquartette, mit ihrer Mutter und ihren Schwestern Klavierquartette, Trios usw.
Der kunstsinnigen Königin von Rumänien, Carmen Sylva (4), spielte sie mit 11 Jahren vor, die ihre außergewöhnliche Begabung erkannte und warmen Anteil an dem Talent des Kindes nahm. Carmen Sylva bat Irenes Vater: „Ich bitte Sie, Herr Bürgermeister, lassen Sie die Kleine nicht als Wunderkind reisen, das geht auf Kosten des Körpers und Geistes! Lassen Sie diesem großen Talent eine ruhige Entwicklung zu reifer, vollendeter Ausbildung angedeihen!?
Diesem Wunsch wurde von Irenes Eltern Folge geleistet. Nach Absolvierung der Schule kam sie mit 13 Jahren nach Wien auf das Konservatorium zu Prof. Grün (5). Nach Beendigung der Konservatoriumszeit errang Irene v. Brennerberg mit 16 Jahren bei einem Preis-Konkurs im Großen Musikvereinssaal in Wien, vor dem gefüllten Saal und einer Preisjury von 11 Preisrichtern, über alle konkurrierenden Kollegen hinweg, allein den ersten Preis einstimmig. 1889 erhielt sie ihr Diplom mit der großen goldenen Medaille „für am Konservatorium ausgezeichnet vollendete Studien?.
Von Wien zog Irene nach Paris, um bei dem berühmten Meister Marsick (6) zu studieren. Ihr zweites Diplom errang sie 1898. Beide Diplome sind in der Handschriftensammlung des Brukenthalmuseums aufbewahrt.
Den Lehrjahren folgten die Wanderjahre.
Überall errang Irene von Brennerberg den größten Beifall und hervorragende Kritiken, die alle Zeugnis geben von den glänzenden Erfolgen ihrer Künstlerlaufbahn. Sie konzertierte, um einen Teil der Städte anzuführen, in: Wien, Berlin, Paris, London, Bukarest, Budapest, Bayreuth, München, Stuttgart, Darmstadt, Köln, Aachen, Leipzig, Dresden, Halle, Bremen, Posen, Thorn, Prag, Meran, Baden-Baden, Oxford u.v.a.
Von der Philharmonischen Gesellschaft in Kronstadt wie mehreren Instrumentalvereinen in Deutschland wurde Irene von Brennerberg Ehrenmitglied und erhielt prachtvoll ausgestattete Ehrendiplome. Irene von Brennerberg wurde überall mit den größten Vertretern der Kunst bekannt, deren ungeteilte Anerkennung sie fand. Aber auch die Anerkennung der höchsten Herrschaften wurde ihr zuteil. An den verschiedenen Fürstenhöfen war sie ständiger Gast. In London spielte sie oft vor der Königin Viktoria (7), die ihr große Ordensauszeichnungen verlieh.
Schließlich fand sie ihre zweite Heimat in Berlin. Mit Kaiserin Friedrich (8) verband sie innige Freundschaft. Von Kaiserin Augusta-Viktoria (9), der Großherzogin von Hessen, erhielt sie wundervolle Broschen mit den Initialen.
Bei Ausbruch des Weltkrieges war sie als Professorin an der Luisenstiftung (10) in Berlin tätig. Ihr nimmermüder Opfersinn ließ sie von Ort zu Ort eilen, um durch ihre Kunst Gaben aufzubringen, die das Kriegselend mildern sollten.
Während eines solchen Konzertes war es, dass das edle Herz ihr, während des Spieles einer Beethovensonate, den Dienst versagte.
Schwer leidend zog sie sich in ihr Familienhaus in Kronstadt zurück, wo sie, kaum fünfzig Jahre alt, von dieser Welt Abschied nehmen musste. Sie starb am 1. Oktober 1922.
Für immer war die Geige verstummt, die unter den Händen der hochgewachsenen Frau so wundervoll süß geklungen, deren unnachahmliche Cantilene Weltruf hatte.
Auch Irene von Brennerberg hat es zu keiner Zeit unterlassen, sich zu uns zu bekennen, als echtes Kind unserer siebenbürgischen Heimat. Auch in ihr lebte das ständige Heimweh, das sie alljährlich nach Kronstadt, zu den geliebten Bergen, führte.
Schicksal von uns deutsch-siebenbürgischen Menschen. (11)
(Redigiert und mit Endnoten versehen
von Wolfgang Wittstock)
1 – Franz Brenner von Brennerberg (1833-1900), Bürgermeister von Kronstadt (1879-1896)
2 – Anton Brandner (1840-1900), Dirigent und Musikpädagoge, Musikdirektor und Stadtkapellmeister in Kronstadt, begründete 1878 die Kronstädter Philharmonische Gesellschaft
3 – Charles-Auguste de Bériot (1802-1870), belgischer Violinist, Violinpädagoge und Komponist
4 – Carmen Sylva, schriftstellerisches Pseudonym der rumänischen Königin Elisabeth (1843-1916), Gemahlin des rumänischen Königs Karl I. (Carol I.)
5 – Jakob Grün (1837-1916), österreichischer Violinist, Lehrer am Wiener Konservatorium (1877-1908)
6 – Martin Marsick (1847-1924), belgischer Violinist und Komponist, Professor am „Conservatoire de Paris“ (1892-1900)
7 – Victoria (1819-1901) war 1837-1901 Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland
8 – Kaiserin Friedrich (1840-1901), ursprünglich Prinzessin Victoria, Tochter der Königin Victoria von Großbritannien, war als Gemahlin Friedrichs III. Königin von Preußen und deutsche Kaiserin sowie Mutter Kaiser Wilhelms II.
9 – Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein- Sonderburg-Augustenburg (1858-1921) war die Gemahlin Kaiser Wilhelms II. und als solche 1888-1918 deutsche Kaiserin und Königin von Preußen (die Bezeichnung als Großherzogin von Hessen ist offenbar falsch)
10 – Luisen-Stiftung, gegründet 1811 und benannt nach Königin Luise, Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. von Preußen
11 – Bei der Beurteilung dieses Schlusssatzes ist die Zeit zu berücksichtigen, in der er geschrieben wurde (1943)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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