Ja, es war schön in Wien, in Wien ist es immer schön!
07.07.23
Humoriges am Rande einer Reise der Kronstädter Drei Grazien (I)
Prolog oder die Fahrt im Dacia-Express
Covid, Krieg und andere mehr oder weniger ernst zu nehmende Katastrophen haben der Reiselust der meisten Menschen zeitweiligen Abbruch geleistet. So liegt die letzte große Reise des kompletten Trios der Kronstädter Drei Grazien sage und schreibe sieben Jahre zurück – man erinnert sich vielleicht, es handelte sich um eine einwöchige Romreise, über die man damals zu schildern beliebte – während zwei Drittel des Trios sich vor vier Jahren eine Woche in und um Neapel aufhielt – auch darüber wurde berichtet. Da mittlerweile alle drei Grazien zum Status fröhlicher Rentnerinnen avanciert sind, Covid angeblich weniger wild agiere und man nie wisse, wie lange man in Sicherheit reisen könne, machen sich die Kronstädter Drei Grazien, A., M. und meine Wenigkeit am 4.06.2023 auf den Weg nach Wien, wo man bis zum 9.06. 2023 zu verweilen gedachte. Aus nostalgischen Gründen hat man sich für eine Zugfahrt mit dem von CFR betriebenen Dacia-Express entschieden, der um 17:21 Uhr pünktlich aus Kronstadt/Brasov losfährt und in fast mehr als drei-und-einhalb Stunden in Schäßburg/Sighisoara erst Halt macht. Es werde an den Schienen gearbeitet, wird uns gesagt, der Zug fährt halt wie er kann, im Schneckentempo. Auch gut, denn überall blüht hübscher roter Mohn an den Feldrändern und an den Schienen entlang, man kann ohne Weiteres einen Strauß pflücken, sich ein poetisches Kränzchen aufs Haar setzen, oder wenigstens die eine oder andere Blüte zum Mitnehmen pressen und später ins Stammbuch der Freundin kleben... Zu der Zugfahrt habe ich mich nur überreden lassen, weil man mit dem Schlafwagen fahren will. Allerdings erweist sich das Sitzen auf dem unteren Bett der gemeinsamen Kabine als recht unbequem, denn das mittlere Bett darüber lässt sich zwar hochklappen, aber nur so weit, dass man mit leicht gesenktem Haupt und gekrümmter Wirbelsäule nebeneinander sitzen kann. Vor allem für mich erweist sich dann später auch das Liegen auf dem obersten Bett als nicht besonders angenehm und das nicht nur wegen der Hitze. Beim nicht nur sehr lauten sondern auch heftigen Hin-und-Her-Gerucke des immerhin ab Simeria mit Höchstgeschwindigkeit rasenden Zuges, muss ich befürchten möglicherweise bei einer stärkeren Ruckbewegung vom Bett zu fallen. Früher gab es Sicherheitsgurte für das obere Bett, meine ich mich zu erinnern und tatsächlich finde ich ein Halfter, das anzubringen höhere Kunst und Wissenschaft erfordert, wie sich bald herausstellt. Es gelingt uns mit vereinten Kräften das Ding irgendwie anzubringen, dass ich zumindest die Illusion habe, gesichert zu sein. Immerhin hat das Geschirr eine Tasche, in die ich meine Brille, den Pass und mein Buch hineinlegen kann, um alles griffbereit zu haben im Falle eines Falles, sozusagen...
Ankunft im Deja-vu
Die Nacht verläuft, wie eine Nacht im Schlafwagen des Dacia-Express eben verlaufen muss: kurz nach 1:30 Uhr klopfen die rumänischen, danach die ungarischen Grenzpolizisten an unsere Tür, überprüfen unsere Papiere, unsere Visagen, zum Schluss kommt noch einer mit einem spiegelähnlichen Gegenstand, der in die Kabine gehalten wird. Alles in Ordnung, wir schmuggeln nichts, sind unbescholtene Bürgerinnen eines respektablen EU-Landes. Meinen siebenbürgischen Schnaps entdecken sie nicht...Es geht dann zügig weiter und unser braver Dacia-Express kommt 8:20 Uhr am Montag, dem 5.06., pünktlich am Wiener Hauptbahnhof an. Wir besorgen uns je eine Wochenkarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel der Wiener Linien und begeben uns zur U1, die uns bis zum Stephansplatz bringt, wo wir in die U3 umsteigen und zur Neubaugasse fahren, wo wir den Ausgang zur Mariahilfstraße nehmen, denn unser Hotel - es heißt Continental Hotel-Pension - liegt an der selbigen, Ecke Kirchengasse. Das klingt nicht nur gut, das ist sogar gut, sehr gut!
Das Hotel liegt auf der ersten Etage über dem Zwischenstock eines imposanten Hochhauses und wird von einer ungarischen Familie geführt. Der ältere Herr an der Rezeption begrüßt uns ebenso freundlich wie distinguiert, spricht höflich und zurückhaltend, er fordert uns auf, uns an dem Frühstücksbüfett zu bedienen und unser Gepäck zunächst abzustellen und einen ersten Erkundungsspaziergang in die Innenstadt zu machen, denn unser Zimmer sei erst ab 13 Uhr beziehbar. Gerne folgen wir seiner Aufforderung und begeben uns in den adretten Frühstücksraum, zumal wir noch etwas wacklig auf den Beinen stehen, nach der nächtlichen Zugfahrt, es rauscht in unsern Ohren und die Köpfe brummen.
Vom Hotel ist das Museumsquartier in wenigen Minuten zu erreichen und von dort ist es im Grunde ein Katzensprung bis zur Hofburg, in den Graben und zum Stephansdom. Wir bummeln ziellos immer der Nase und den Erinnerungen nach. Denn keine von uns ist zum ersten Mal in Wien und jede von uns erlebt das eine oder andere Deja-vu. Es zieht einen in den großen Städten im Grunde immer zu den gleichen Plätzen, von denen man meint, man kenne sie lange bevor man sie mit eigenen Augen gesehen und auf eigenen Füßen begangen habe. So ist es uns vor Jahren in Paris gegangen, danach in Prag und in Rom und nun in Wien.
Carmen Elisabeth Puchianu
Fortsetzung folgt
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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