Ja, es war schön in Wien, in Wien ist es immer schön!
14.07.23
Humoriges am Rande einer Reise der Kronstädter Drei Grazien (II)
A. möchte unbedingt die Schatzkammer der Hofburg sehen und die Kapuzinergruft und natürlich das Schloss in Schönbrunn und vielleicht auch die Spanische Reitschule. M. plädiert für das Belvedere und die Secession, wo das Beethoven-Fries von Klimt zu sehen ist und meine Wenigkeit möchte den Zentralfriedhof sehen und die Sammlungen in der Albertina. Auch möchte ich unbedingt Germknödel essen. Auf jeden Fall muss das eine oder andere Beisl und das eine oder andere Café aufgesucht werden, in diesem Punkt sind sich die Drei Grazien einig. Und da es inzwischen Mittag geworden ist, wird beschlossen zum Naschmarkt zu gehen und dort etwas zu essen. Es gibt zwar jede Menge Wienerisches wie etwa Kaiserschmarrn oder Marillenpalatschinken aber keine Germknödel. Ein Wiener Schnitzel fungiert als Lückenbüßer, dazu nehmen wir einen gespritzten Weißen. Germknödel, dies in Klammern, werde ich die ganzen fünf Tage nicht essen... Den ersten Tag lassen wir nach kurzer Nachmittagsruhe im inzwischen hergerichteten Zimmer des kleinen Hotels Continental mit einem weiteren Bummel die Mariahilfstraße aufwärts auf der Suche nach einem Beisl oder einem ähnlichen Lokal in plötzlich einsetzendem Regen ausklingen.
Von Kunst- und anderen Genüssen
Den zweiten Tag beginnen die Drei Grazien mit einer Straßenbahnfahrt. Immerhin will die erstandene Wochenkarte zum Einsatz kommen. Man fährt den Burgring entlang bis zum Schwedenplatz, dort steigt man aus und geht ein Stück am Donaukanal entlang, man erkundet einige Nebenstraßen und kehrt zu der Straßenbahn und mit dieser zum Burggarten zurück. Das Palmenhaus will besichtigt werden und die wundersamen Schmetterlinge, die dort zu sehen sind. Sie hängen wie die Trauben an den Zweigen der tropischen Pflanzen, zieren die prächtigen Blüten der Orchideen oder flattern in Paaren um die Köpfe der Besucher. Es sind Pfauenaugen, deren eine Flügelseite dunkel ist und die andere metallisch blau schillert, auch sind die Schmetterlinge unglaublich flink. Nur mit Mühe gelingt es mir, ihre Flatterspiele zu filmen. Danach ist Kaffeepause angesagt. Man setzt sich auf die Terrasse des Café Mozart, trinkt eine Melange und isst Apfelstrudel mit und ohne Vanille Soße, meine Wenigkeit nimmt ein Stück Sachertorte. So gestärkt machen sich die Grazien in die Albertina auf, wo es Interessantes aus der Batliner Sammlung zu sehen gibt. Drei Ausstellungen locken uns im besonderen: Die eine verspricht Einblick in Dekadenz und Moderne unter dem Titel Von Monet bis Chagall, die zweite zeigt Graphiken von Georg Baselitz mit Blick in die Postmoderne und die dritte zeigt Zeichnungen, Gemälde und Unikat-Keramiken von Pablo Picasso. Besonders beeindruckend finde ich die beinahe fahlen Farben in den Bildern von Monet sowie die Repräsentationen von weiblicher Körperlichkeit, die in der Vision der Expressionisten zwischen Karikatur und Leidenschaftlichkeit angesiedelt scheint und die auf den Kopf gestellten Körper und Porträts von Georg Baselitz.
Kunst strengt an, ganz gleich ob man sie selber betreibt oder, ob man sie betrachtet. Sie strengt an, weil sie einen herausfordert, sich mit ihr auseinanderzusetzen und indem man das tut, setzt man sich mit der Welt und sich selbst auseinander...und dabei wird man hungrig! An diesem zweiten Tag finden wir beinahe auf Anhieb ein angesagtes Beisl, das Reinthaler Beisl in unmittelbarer Nachbarschaft des Café Hawelka in der Dorotheengasse gegenüber von Trze?niewski mit den „unglaublich guten Brötchen". Während meine Freundinnen Kalbsgulasch und ich Frankfurter Würstchen, die eigentlich Wiener Würstchen heißen müssten, verzehren, beobachten wir die Menschen, die gegenüber die unglaublich guten Brötchen genußvoll an hohen Stehtischen
verzehren.
Schönbrunn, Belvedere und Zentralfriedhof
Der Tag mitten in der Woche ist Schönbrunn gewidmet. Ich wundere mich immer wieder über die doch sehr eng bemessenen und von weitläufigen Musik- oder Speisesalons umgebenen Schlafgemächer der gekrönten Häupter. Hohe Doppeltüren von Bediensteten bewacht und auf Geheiß geöffnet und geschlossen, imposante Keramiköfen machen die Atmosphäre herrschaftlich aber nicht freundlicher. Man wird den Eindruck nicht los, dass das Leben im Schloss nicht anders als unter Beobachtung verlief. Vielleicht bot einem der Labyrinth-Garten etwas Freiheit und der kleine Wald in der Nähe der Gloriette, wer weiß. An diesem Tag essen wir bei einem Italiener. Das hätte ich besser nicht tun sollen. Die Spaghetti alla puttanesca schmecken zwar sehr gut, bekommen mir aber nicht, vielleicht vertragen sie sich einfach nicht mit dem österreichischen Bier...
Am Donnerstag ist Fronleichnam und Feiertag für die Katholischen. Das bedeutet, dass außer Museen und Restaurants nichts geöffnet hat. Das stört uns weiter nicht, wir wollen an diesem Tag ins Belvedere und uns weiterhin in die moderne Kunst von Klimt und Schiele vertiefen. In der Oberen Belvedere gibt es außerdem bemerkenswert viele Künstlerinnen, deren Werke ausgestellt und zu sehen sind wie etwa ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1937 von Lilly Steiner (1887-1961) oder Selbstporträt in Gelb aus dem Jahr 1948 von Margarete Hamerschlag (1902-1958).
Am Nachmittag soll A. nun endlich die Schatzkammer besichtigen und M. will irgendwo guten Wiener Kaffee trinken, während ich mit der U3 nach Simmering und von dort mit der Straßenbahn 11 oder 71 zum Zentralfriedhof fahre. Bereits in Paris hatte es uns auf einen der großen Friedhöfe, dem Montmartre, gezogen und in Instanbul ließen wir es uns auch nicht nehmen, den Friedhof in unmittelbarer Nähe des Großen Bazars zu besichtigen. Den Höhepunkt bildete Pompeji, das für mich der Friedhof par excellence ist und wo der Tod sich überall verkörpert unter dem unbeugsamen Kegel des Vesuvs. Am Wiener Zentralfriedhof begehe ich zuerst den alten jüdischen Friedhof und stoße gleich auf das Grab von Arthur Schnitzler. Und auf einen jungen Rehbock, der ungestört das hohe Gras zwischen den Grabsteinen und Stelen weidet. Wer könnte ihn auch schon an diesem wundersamen Ort der Ruhe stören! Zumal überall die Aufschrift angebracht worden ist: Wildtiere nicht füttern! Ich begebe mich zum Tor 1 des Friedhofes zurück und fahre mit der Straßenbahn eine weitere Station, um das Haupttor zu erreichen und dort die Prominentengräber zu sehen. Allen voran das Grabmal Mozarts und Beethovens, die zusammen mit jenem von Schubert eine schöne Rotunde bildet, umgeben von weiterer musikalischer Prominenz: Brahms, die Strauß Familie, Hugo Wolf... Neuere Grabstätten in amerikanischem Stil fallen mir auf, sie beherbergen, wenn man das so sagen kann, Politikerinnen und Politiker der Gegenwart. Ich sehe überraschend viele Besucher, Touristen jeden Alters, ganze Familien. Am meisten beeindruckt mich eine junge Mutter, die mit ihrem Baby auf dem Arm vor Mozarts Grabmal ein Selfie macht. Natürlich mache auch ich ein Selfie, ohne Baby auf dem Arm, aber mit Mozart und Beethoven im Hintergrund.
Am Abend dieses Feiertages, an dem Wien wesentlich ruhiger, wesentlich menschenleerer wirkt als an den Tagen davor und danach, würden wir gerne im Volksgarten etwas essen und trinken, doch ist der Biergarten dort wegen des immer wieder einsetzenden Regens geschlossen. Wir kehren schließlich im Bieradies ein, einem Lokal mit ebenso überraschendem wie viel versprechendem Namen und mit eher bayerischem Flair. Auch gut.
Hundertwasser und Billa Plus
Der letzte Tag, der Freitag (9.06.) gestaltet sich als etwas planloser und zäher Bummeltag. Im Grunde haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten...außer dem Hundertwasser-Haus und dem Beethoven-Fries von Klimt in der Secession. Während uns die Anlage des Hundertwasser-Haus Komplexes anspricht und regelrecht begeistert, reißt uns das Klimt-Fries nicht unbedingt vom Hocker. Ein Essen im Café Zentral schwebt uns sozusagen als krönender Abschluss Wiener Gastronomie vor. Leider ist auch an diesem Tag die Schlange davor viel zu lang, da wollen wir unsere Zeit doch lieber anderswie totschlagen und setzen uns auf die Terrasse des Café Museum. Danach lockt der Volksgarten mit einigem Sonnenschein und lauter aufgeblüten Rosensträuchern und sehr vielen Besuchern. Sehr viel Volk hier, kommentiert A. Irgendwoher muss der Garten ja seinen Namen bekommen haben, nicht wahr?
Schließlich gehen wir die Mariahilfstraße hoch und kehren in einem Billa Plus ein, um uns etwas Wegzehrung einzukaufen, immerhin erwartet uns nochmal eine lange Bahnfahrt mit dem Dacia-Express in umgekehrter Richtung. An der Kasse kommt alles ins Stocken just nachdem M. mit ihrem Einkauf fertig geworden ist. Ein junger Mann kommt zur Kassiererin, reicht ihr seine angebrochene Limoflasche und sagt, er möchte sie zurückgeben, denn sie schmecke ihm nicht, die Limo. Es stehe zwar Limo drauf, aber es sei nicht die Limo, die er mag, das habe er festgestellt, als er einen Schluck daraus getrunken habe. Man möge ihm bitte eine andere, die richtige geben. Die Kassiererin, eine etwas schüchterne Frau in mittleren Jahren mit Migrationshintergrund weiß sich nicht anders zu helfen, als ihre Kasse zu verlassen, nach einer höher gestellten Kollegin zu suchen und diese um Hilfe zu bitten. Der junge Mann wiederholt sein Anliegen und wird letztendlich samt Limoflasche von der Angestellten des Ladens irgendwohin mitgenommen. Man weiß nicht, wie die Geschichte ausgegangen ist, aber zumindest konnte die Kassiererin ihre Arbeit fortsetzen und die Kronstädter Drei Grazien ihre Wegzehrung mitnehmen. Vielleicht hätten auch sie vorher die Wurst- und Käsepackungen aufmachen und kosten sollen, um festzustellen, ob das alles wie erwartet schmecken würde...
Epilog
Ja, es war schön in Wien, in Wien ist es immer schön, sagt M. und A. nickt dazu mit strahlendem Gesicht. Meine Wenigkeit beeilt sich beizupflichten: Ja, auch weil wir überall Seniorentarife zahlen konnten von wegen 65+...Etwas Gutes hat das Rentneralter doch...nur die Bahnfahrt, Mädels, die war nicht gut. Das nächste Mal wird geflogen und zwar aus Weidenbach! Zuhause klebt M. eine Ansichtskarte mit dem Hundertwasserhaus auf die Innenseite eines ihrer Bücherregale dorthin, wo sie schon Ansichtskarten der früheren gemeinsamen Reisen aufgeklebt hat. Auf ihren Regalen gibt es noch einige freie Stellen...
Carmen-Elisabeth Puchianu
Bei Mozart und Beethoven. Foto: Die Verfasserin
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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