Kein Geld für Bettler
12.01.12
Nein: Notleidenden sollte Hilfe nicht verweigert werden
Man trifft sie dort wo viele Leute vorbei gehen und wo sie nicht übersehen werden können: junge Mütter mit kleinen Kindern (sogar Säuglinge), Alte die mehr oder weniger aufdringlich um Kleingeld bitten, um sich ein Brot zu kaufen, Behinderte die ihre Wunden oder Geschwüre bloß stellen. Die meisten sind Zigeuner - kein Wunder, wenn man weiß, dass die Roma zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen des Landes gehören. Sicher - unter ihnen sind auch Leute, die etwas vortäuschen und die unser Mitleid schamlos missbrauchen. Dann gibt es noch die sogenannte Bettlermafia.
Wer will sich aber anmaßen, gleich alle Bettler, undifferenziert, als faule Elemente, Nichtsnutze, gesellschaftlicher Abschaum oder Schandflecken der Nation abzustempeln? Unter ihnen sind auch Mitbürger von uns, die betteln müssen, weil sie keine Arbeit finden, weil sie krank sind, weil ihre letzte Hoffnung eine ausgestreckte Hand bleibt. Wer will schon mit Zigeunern zu tun haben? In der Stadt erst recht niemand, am Lande, wo sie in der Regel keinen eigenen Grund und Boden erben oder beantragen können, auch nur wenige, die sie persönlich kennen und ihnen vertrauen.
Der rumänische Staat tut sich schwer, effiziente und nachhaltige Sozialhilfe zu leisten. Hilfsvereine, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen helfen vielleicht in Einzelfällen – aber das ist nur der Tropfen auf dem heißen Stein. Der harte Weg, den man ab und zu von Polizeisprechern oder Vertretern des Bürgermeisteramtes zu hören bekommt, und zwar Bettler abzuführen und sie wie Straftäter zu behandeln, ist falsch und hat nichts gebracht. Sicher, wenn einem vorgerechnet wird, wie viele hunderte Lei eine/einer durchs Betteln „verdient“, also geschenkt bekommt, während andere dafür schwer schuften müssten, kann das nur Empörung und Abneigung hervorrufen. Warum sollte aber diese Rechnung nicht auch anders ausfallen: Wie viele Kinder, Kranke, Alte können vielleicht ein bisschen besser essen, sich mal auch eine Seife oder Zahnpaste leisten, weil es in der Großstadt doch noch Einige gibt, die ihnen im Vorbeigehen für ein „Bogdaproste“ oder „Domnu sa te îmbucure!“ einen 1-Leu-Schein in die Hand drücken oder in den Schoß legen!
Wie viele Hilflose und Verzweifelte sind nicht zu Diebstahl oder anderen Straftaten getrieben worden, weil Etwas aus dem Betteln ihrer Kinder oder Großeltern auch für sie abfiel? Etwas Geld einem Bettler zu reichen ist also keine Schande und auch keine Hilfe zum Herumlungern. Es bleibt einfach eine kleine, anonyme Geste des Mitgefühls mit Leuten, die darauf nicht nur warten, sondern hoffen, und somit sich nicht ganz ausgestoßen fühlen.
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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