Kennt ihr das weiße Rößlein?
06.08.09
Das Trausch-Haus am Roßmarkt Nr. 7/ Von Gernot Nussbächer
Dem aufmerksamen Fußgänger auf der Südseite des Roßmarktes wird an dem Gebäude Nr. 7 eine Art Hausmarke auffallen, die kein anderes Haus in der Inneren Stadt aufweist: Auf einem eisernen Untersatz ein zur Straße springendes weißes Rössel, hinter dem auf einer Stange eine mit Gesichtszügen versehene Mondsichel sich zur Straße und zum Himmel öffnet. Unten, am Untersatz, hängt an zwei Ringen eine eiserne Tafel, die wohl einst eine Inschrift oder vielleicht die Hausnummer zeigte, die aber jetzt nicht mehr zu erkennen sind.
Die wenigsten fragen sich, was dies Gebilde bedeuten soll; vielleicht bringen es einige mit dem Straßennamen „Roßmarkt" in Verbindung, was gewiß sinnvoll ist.
Der um die Denkmalpflege in Kronstadt verdienstvolle Architekt Günther Schuller (1904 - 1995) bildete es in seinem Buch „Kronstadt - Kaleidoskop einer Stadt im Südosten 1211 - 1988" (Hermannstadt 1998, S. 62) ab mit dem Text: „Auch diese Wetterfahne am Roßmarkt zeigt spritzige Kunstfertigkeit und ein gesundes Formgefühl unserer Spenglermeister." An seiner jetzigen Stelle ist es allerdings keine Wetterfahne.
Aus einem weiteren Artikel von Architekt Günther Schuller (KR Nr. 28/12. Juli 1990) entnehmen wir aber, daß dies Gebilde als Wetterfahne für das Eckhaus Böttcherzeile - Roßmarkt mit Adresse Roßmarkt Nr. 1 bestimmt war und von Architekt Günther Schuller wohl im Jahre 1988 entworfen wurde, als „Erneuerungsarbeiten" an diesem Haus durchgeführt wurden. Das Projekt wurde aber von der zuständigen Behörde abgelehnt und wahrscheinlich ließ Architekt Schuller - der auch „Baukirchenvater" der Honterusgemeinde war - dies Kunstwerk später an dem Kirchenhaus am Roßmarkt Nr. 7 anbringen, um damit einen sichtbaren Hinweis auf den alten Straßennamen „Roßmarkt" zu geben. Auf älteren Postkarten ist keine Wetterfahne auf dem Gebäude Roßmarkt Nr. 1 zu erkennen.
Was hat es jedoch mit diesem Haus Roßmarkt Nr. 7 auf sich, das mit seiner Nordseite zum Roßmarkt ausgerichtet ist? Das Haus besitzt ein Erdgeschoß mit drei Fenstern und einem gewölbten Torbogen mit Prellsteinen, im Obergeschoß befinden sich vier Fenster, deren Umrahmungen ihrer Form nach wohl aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen.
In der östlichen vorderen größeren Stube des Erdgeschosses befindet sich an der Ostwand ein schöner Türstock aus Sandstein mit Renaissanceprofil aus dem 16. Jahrhundert. Am Türsturz sind die Spuren eines leider unkenntlich gemachten Wappens und vielleicht auch einer Inschrift zu erkennen, die uns mehr Aufklärung über den Auftraggeber und die Entstehungszeit hätten geben können.
Dieser Türstock stammt wohl aus einer Zeit, wo das Nachbarhaus (heute Roßmarkt Nr. 5) in seiner heutigen Gestalt noch nicht stand. (Im anstoßenden Raum dieses Nachbarhauses, der allerdings einen tiefer liegenden Fußboden hat, wurde im Sommer 1997 bei den damaligen Renovierungsarbeiten eine Balkendecke mit der Jahreszahl samt Monogramm 16 DG 14 freigelegt, danach aber wieder verkleidet.)
Gemäß dem alten Stadtgrundbuch aus den Jahren 1764 - 1780 lag das Haus auf der unteren Seite des Roßmarktes und hatte die Hausnummer 70, der Eigentümer war Nathanael Trausch. Dieser war der älteste Sohn von Nathanael Trausch (1679 - 1768), dem letzten evangelischen Prediger an der Johanniskirche und später Pfarrer in Wolkendorf und Zeiden. Dessen Bild hängt jetzt im Kapitelzimmer des Stadtpfarrhauses, weil er auch Burzenländer Kapitels-Dechant war.
Sein gleichnamiger Sohn Nathanael Trausch der Jüngere (1713 - 1772) lernte das Goldschmiedhandwerk und wurde im Jahre 1742 Meister innerhalb der Kronstädter Goldschmiedezunft. Als solcher hatte er keine Lehrjungen, war aber später Wortmann der jungen Schar und starb als Mitglied der Altschaft.
Bei der ersten Häusernummerierung von etwa 1780 erhielt dies Haus die Hausnummer 60. Nach der damaligen Einteilung der Stadt, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gültig war, lag dies Haus im innerstädtischen Katharinenviertel.
Im Jahre 1780 war der Hauseigentümer der damals noch minderjährige Sohn von Nathanael dem Jüngeren, Johann Josef Trausch (1768 – 1831). Dieser widmete sich der städtischen Verwaltungslaufbahn, wurde im Jahre 1809 Senator, Divisorats- oder Teilamts-Präses und Kreisinspektor und starb als solcher im Jahre 1831 an der Cholera in Neustadt, wo er Maßnahmen gegen die Verbreitung der Seuche treffen sollte.
Nach seinem Tod wurde der Wert des Hauses Roßmarkt Nr. 60 auf 10.000 Gulden geschätzt.
Der neue Hauseigentümer wurde sein Sohn Josef Franz Trausch (1795 - 1871), der ebenfalls eine Beamtenlaufbahn hatte. Er war der Reihe nach Sekretär, Archivar, Vizenotär und Stadtnotär, bis er 1831 Senator wurde und als solcher auch Zunftinspektor, ab 1842 dann Polizeidirektor. Nach 1849 wirkte er bei den siebenbürgischen Landesbehörden in Hermannstadt, zuletzt als „wirklicher Finanzrat" bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1860, nach der er mit seiner Familie wieder nach Kronstadt zurückkehrte.
Josef Franz Trausch ist einer der bedeutendsten Lokalhistoriker von Kronstadt. Er legte eine überaus reiche Sammlung von Handschriften, Urkunden und Urkundenabschriften sowie von Drucken zur vaterländischen Geschichte an, er war gründendes Mitglied und von 1858 - 1869 auch Vorstand des Vereins für siebenbürgische Landeskunde.
Seine wichtigste Veröffentlichung ist das „Schriftsteller-Lexikon oder biographisch-literärische Denkblätter der Siebenbürger Deutschen" (1868 - 1871, drei Bände).
Heute befindet sich seine reiche und höchst wertvolle Handschriftensammlung zum größten Teil im Archiv der Kronstädter Honterusgemeinde, ein kleiner Teil auch im hiesigen Staatsarchiv. (Vgl. Dr. Rainer Kramer, Ein Juwel des Archivs der Honterusgemeinde Kronstadt - die Handschriftensammlung Franz Joseph Trausch, in: KR Nr. 32 und 33/2006)
Bei der neuen Häusernummerierung von 1857 erhielt das Trausch-Haus die neue Nummer 64. Josef Franz Trausch starb in diesem Hause am 16. November 1871. Nach seinem Tod wurde seine jüngere Tochter Julie, verheiratete von Theuerkauf, Eigentümerin des Hauses und erscheint als solche bis zum Jahre 1895 in den Kronstädter Adressenbüchern.
Im Jahre 1890 wurde die Häusernummerierung nach Straßen in Kronstadt eingeführt und das Trausch-Haus erhielt die neue Hausnummer Roßmarkt Nr. 7. Damals wurde eine dreisprachige Hausnummerntafel ans Haus angeschlagen: „Lópiac - Roßmarkt - Târgul cailor 7".
Im Jahre 1893 erhielt das Haus seinen Anschluß an die neue städtische Wasserleitung und 1907 - 1908 an die städtische Kanalisation.
Beginnend mit dem Jahre 1896 ist Friedrich Fabritius, damals Waisenamtsvorstand, Eigentümer des Hauses, später wird in den Jahre 1902 - 1910 Josefine Fabritius genannt.
Im Jahre 1910 kaufte die evangelische Stadtpfarrgemeinde Kronstadt das Haus für die Peter-Czeides-Stiftung um den Preis von 40.000 Kronen und ist seither Eigentümerin des Hauses, das im Laufe der Zeit verschiedenen Parteien und Firmen vermietet wurde und noch wird. Nach dem ersten Weltkrieg wurde auch das elektrische Licht eingeführt und nach 1943 die Erdgasheizung.
Es wäre vielleicht sinnvoll, einige Daten zur Geschichte dieses Hauses auf einer Tafel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit seine Bedeutung breiteren Kreisen bekannt gemacht wird. Das Trausch-Haus am Roßmarkt Nr. 7 verdient nicht nur wegen des weißen Rößleins unsere Aufmerksamkeit.
Foto 1
Das weiße Rössel" mit der Mondsichel am Hause Roßmarkt Nr. 7, Foto: Hans Butmaloiu
Foto 2
Gesamtansicht des Hauses Roßmarkt Nr. 7, Foto: Hans Butmaloiu
Foto 3
Der Renaissance-Türstock in der Ostwand des Hauses Roßmarkt Nr. 7, Foto: Peter Simon
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]