Kronstädter Legenden
12.08.10
Über Zeitungsartikel die nicht alle unter diesen Titel passen
In der Kronstädter Zeitung „Brasovul tau“ erschien vor einigen Monaten unter dem Sammeltitel „Legendele Brasovului“ („Kronstadts Legenden“) eine Beitragsreihe, die dem Leser einige mehr oder weniger gut bekannte Ereignisse aus der Geschichte Kronstadts vorstellt. Dieselben Beiträge können auf der Webseite der kostenlos verteilten Publikation gefunden werden (www.brasovultau.ro). Diese Rückschau nennt einige der als Legenden bezeichneten Beiträge.
Manche von ihnen sind den Kronstädtern, vor allem den Sachsen, gut bekannt. Dazu gehört die Sage um den am Dachrand der Schwarzen Kirche knienden Baugesellen, der von seinem Meister aus Neid in den Tod gestürzt gewesen sein soll. Ebenfalls gut bekannt ist die Sage um die scheintote Tochter der Apollonia Hirscher. Wenn es um Kronstadts Katakomben und unterirdischen Kanälen und Tunnels geht, wird es immer geheimnisvoll und spannend, wobei darüber konkret wohl wenig vorgewiesen werden kann. Dass gerade der von den Sachsen gefürchtete und auch verhasste Vlad Tepes eine sächsische Geliebte gehabt haben soll, klingt romantisch. Und dass vor dem Purzengässer Tor in einem Teich vermeintliche Hexen ihr Leben lassen mussten, bringt uns ins tiefe Mittelalter und könnte wohl auch so gewesen sein. Um die Zinne selbst gibt es Sagen, die mit einer Ausnahme (der Geschichte der Steinbank auf dem Promenadenweg) ins Märchenhafte ausschweifen: Drachen und ein Meer unter der Zinne kommen da vor.
Bei anderen Beiträgen stört die Bezeichnung „Legende“ weil es sich um historische Tatsachen handelt. Wer dabei „Legende“ hinzufügt, stellt sie (wahrscheinlich unbeabsichtigt) in Frage. Die Gründung und die Existenz der „Kronstädter Allgemeine Sparkasse“ kann nicht als Legende gelten, denn es handelt sich um historische Fakten. Als Entschuldigung könnte gelten, dass man dieser Leistung bei „Brasovul tau“ einen sagenumwobenen Kontext umschreibt, also dass der Begriff in erhöhender Weise verwendet wurde. Das trifft dann in anderen Fällen nicht mehr zu. Dass „Stalin“ jahrelang auf der Zinne zu lesen war und dass Kronstadt „Orasul Stalin“ hieß, ist zeitgenössische Geschichte und keine Legende. Ebenso der verheerende Stadtbrand von 1689 – die wohl größte Katastrophe in der Geschichte Kronstadts. Dass über die Ursachen und Auslöser des Brandes auch heute noch Fragen offen geblieben sind, wäre eine mögliche Erklärung, um Gerüchte und in diesem Sinn auch „Legenden“ ins Spiel zu bringen. Dass aber das Drama einer 90jährigen Kronstädter Auschwitz-Überlebenden zur Kategorie Legende gezählt wird, ist schwer nachzuvollziehen.
Wer die Webseite anklickt findet unter „Legendele Brasovului“ auch Beiträge die unter der Rubrik „Heimatkunde“ oder „Aus der Geschichte unserer Stadt“ oder „Wusstet ihr, dass...?“ besser gepasst hätten. Es geht nämlich um Kronstädter Gedenkhäuser, um das Museum der ersten rumänischen Schule in der Oberen Vorstadt (spitze Zungen könnten meinen, dass der damit verbundene SOS-Appell die eigentliche „Legende“ ist), um Ecaterina Varga, um alte Kronstädter Gasthäuser und so weiter.
„Legenda“ wird abgeleitet aus dem mittelalterlichen Latein und bedeutete „das, was zu lesen ist“. Die als „Kronstädter Legenden“ vorgestellte Beiträge sind auch lesenswert für eine Publikation die sich ans breite Publikum wendet, nur sollte nicht alles als Legende verkauft werden.
PS: Inzwischen erscheinen weitere Beiträge in dieser Reihe mit einem Stempel-Logo versehen, mit dem stilisierten Kronstädter Wappen und der Aufschrift „Brasovul de altadata“/ „Kronstadt von einst“.
Ralf Sudrigian
Diese Statuette am Dach der Schwarzen Kirche erinnert an die Sage um den ums Leben gekommenen Baugesellen.
Foto: Hans Butmaloiu
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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