Kultureller Sommer in Kronstadt – Events überlappen sich
17.08.23
Deutscher Botschafter in Rosenau
„In Kronstadt ist nichts los!“. Das hat man jahrelang von Leuten gehört, die sich mehrere und vielfältige Kulturereignisse in der Stadt unter der Zinne wünschten. Events hat es in Kronstadt immer gegeben, allerdings ist deren Zahl und Variation nach der Coronavirus-Pandemie stark gestiegen und jeder findet etwas für seinen Geschmack. Das Hauptangebot ist im Bereich Musik, wo es von Klassik über Jazz, Rock, Blues bis zu Folklore geht. Buchmessen, Theateraufführungen, Straßenkunst, Debatten, Film, Tanz, Ausstellungen animieren die Stadt. Erst vor wenigen Wochen gab es am Marktplatz auch ein Event, bei dem künstliche Intelligenz eingesetzt wurde.
Schauplatz sind sowohl der Marktplatz, wie auch weitere Standorte im Zentrum (Brassai-Platz, Johannnisplatz, Künstlerbastei, Nicolae Titulescu-Zentralpark, Multikulturelles Zentrum der Transilvania Universität usw.). Neu hinzugekommen ist die „Apollonia Hirscher“-Kulturbank auf der Purzengasse. Auch im Kreis tut sich vieles, mehrere Städte und Dörfer sind im Sommer animiert.
Viele Vereine, NGOs und Institutionen aus Kronstadt, Bukarest und anderen Städten hat die nicht rückzahlbare finanzielle Unterstützung seitens der Behörden ermutigt, Veranstaltungen zu organisieren. Die 5,5 Millionen Lei vom Bürgermeisteramt und weitere 1,8 Millionen Lei seitens des Kreisrates reichen nun für mehr als 60 Veranstaltungen in der Zinnenstadt. Weil die öffentlichen Gelder erst im späten Frühling freigeschaltet werden und die Abrechnung im Spätherbst stattfindet, häufen sich die Veranstaltungen im Sommer. So kommt es oft dazu, dass sie sich überlappen, was eigentlich schade ist, wenn man bedenkt, dass in den kalten Monaten nicht sehr viel los ist. Wie dem auch sei, ist jetzt die richtige Zeit, um Musiker, Schauspieler, Regisseure, Buchautoren, Politiker und Kritiker hautnah zu sehen und sich ihrer Präsenz in Kronstadt und der Umgebung zu erfreuen.
Ein musikalischer Sommer
In den kommenden Tagen und Wochen stehen die gewohnten Konzerte im Programm, die bereits seit Jahren Musikliebhaber erfreuen. Die Samstage sind den „Organ Nights“ in der Schwarzen Kirche gewidmet, die bis Ende Oktober anhalten. Die Sommersonntage laden in Kirchenburgen aus verschiedenen Ortschaften im Kreis ein, wo die Reihe „Musica Barcensis“ stattfindet. In der Künstlerbastei (so wie die Weberbastei im Sommer genannt wird) kommen besonders Jazzliebhaber auf ihre Kosten. Jazz förderte auch das „Jazz&Blues“-Festival, dessen 11. Auflage bis zum 15. August in Kronstadt und Umgebung stattgefunden hat, es folgen auch Jazz-Veranstaltungen beim Schloss Törzburg.
Botschafter sprechen zum Thema „Radikalisierung“
Für die nächsten Tage sind zwei Festivals angesagt, das Rosenauer Film- und Geschichtenfestival (ffir.ro) und „Afect”, die einzige Veranstaltung für emotionale Gesundheit, die das Publikum mit Fachleuten zusammebringt. Das FFIR hat, wie in jedem Jahr, ein sehr volles Programm. Bis zum 27. August sind 50 Filme zu sehen und man kann an 20 Gesprächsrunden und Vorträgen teilnehmen. Die Organisatoren empfehlen auch Sommerkurse, Konzerte und Theatervorführungen in fünf Städten. Bekannte Namen aus der Künstlerbranche wie Ada Milea, Nicu Alifantis, Maia Morgenstern oder Alexandru Solomon, Politiker wie Ex-Außenminister Adrian Cioroianu und Schriftsteller Radu Paraschivescu sind nur einige der Gäste der 15. Auflage des FFIR. Besondere Gäste sind der deutsche Botschafter in Bukarest, S.E. Dr. Peer Gebauer, S.E.Therese Hyden, die schwedische Botschafterin in Bukarest und der israelische Botschafter, S.E. Reuven Azar. Sie werden zum Thema „Extremen und Extremismus im politischen Kontext“ sprechen. Die Moderation des Gesprächs übernimmt Raimar Wagner, Büroleiter für Rumänien und die Republik Moldau bei der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Weitere Debatten sind „Radikale Persönlichkeiten“, „Die Radikalisierung des rumänischen Raums vor dem II. Weltkrieg“, „Die Auswirkung der künstlichen Intelligenz auf die Menschheit“ oder „Echte Justiz und symbolische Justiz“.
Rumänische Regisseure sprechen über ihre neuesten Werke
Ein Weg nach Rosenau lohnt sich auch, um Filme zu sehen. Zu den neuen rumänischen Produktionen, die zu sehen sind, zählt auch Vlad Petris bei der Berlinale ausgezeichnete „Zwischen den Revolutionen“ (2023, Originaltitel: Între Revolutii). Die Dokumentation, die ausschließlich aus Archivmaterial besteht, zeigt die Freundschaft zweier Frauen ab den 1970-er Jahren. Die Iranerin Zahra studierte Medizin in Bukarest und freundete sich mit Maria an. 1979 stürzt die iranische Revolution den Schah. Zahra hofft auf politischen Wandel in ihrem Land und fährt nach Hause. Obwohl dieser nicht eintritt, kehrt sie nie wieder nach Osteuropa. Sie und Maria schreiben sich jahrzehntelang Briefe. Sie berichten von Protesten und allgemeinen Unruhen in beiden Ländern, von der Unterdrückung der Frau und wie diese sie betrifft. Der junge Regisseur wird am Treffen mit dem Publikum teilnehmen. Ebenso auch Alexandru Solomon, der sein neuestes Werk, „Arsenie. Viata de apoi” präsentiert. Es ist ein Roadmovie über das Leben nach dem Tod des Mönchs Arsenie Boca. Der Filmemacher inszeniert eine Wallfahrt, bei der die Pilger die angeblichen Wunder, die dem Mönch zugeschrieben werden, hinterfragt werden. „Durch die Augen der Gläubigen, die von einem skeptischen Regisseur beobachtet werden, zeigt der Film, wie sich die rumänische Gesellschaft im Bild dieses Menschen, der heiliggesprochen werden soll, widerspiegelt", steht in der Präsentation des Streifens.
Wie auch andere Festivals, ist auch dieses familien- und kinderfreundlich und schließt Filme, Workshops und Kurse für Kinder ins Programm ein. Heuer sind die Kleinsten eingeladen, Mosaik in der Natur zu gestalten, Eltern wird gezeigt wie man mit der Sense mäht.
Gefühle, Therapie und Gesundheit
Große Festivals, wie das FFIR, haben neben der staatlichen Finanzierung auch zahlreiche Sponsoren. Es gibt aber auch Organisatoren, die sich nur auf private geldliche Unterstützung verlassen. Eine davon ist die Stiftung „Hera“, welche seit drei Jahren „Afect“ (afect.ro) durchführt. Es beginnt diesen Freitag, am 18. August und bietet bis einschließlich Sonntag, dem 20. August Treffen und Besprechungen mit Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzten und Buchautoren im Bereich seelische und emotionale Gesundheit. Diese Auflage fokussiert sich auf die Entwicklung des Kindes. Das Festival hat als Ziel, Psychologie zugänglich zu machen und die Leute dazu einzuladen, den Wert der emotionalen Erziehung zu erkennen und an ihrer emotionalen Gesundheit zu arbeiten.
Deswegen werden ausgehend von Filmen ganz konkrete Beispiele aus dem Alltag mit Fachleuten besprochen, wobei das Publikum eingeladen ist, Fragen zu stellen und Meinungen zu äußern. Die Gäste, die die Leinwandgeschichten („Adult under Construction“ von Walter Jense, Richard Linklaters „Boyhood“ und “Der weise Schmerz der Seele” mit Dr. Gabor Mate) dieser Edition besprechen sind unter anderen, Hausärztin Andrea Neculau, Psychologin, Psychotherapeutin und Parenting-Fachfrau Otilia Mantelers, Therapeutin Cristina Fluera{ oder Psychotherapeut Adrian Beu. Sie gehen auf die Probleme, die die Jugend auslöst, ein und auf die unsichtbare Kraft der Traumata, die unser Leben prägen.
Bei Workshops bekommen zukünftige oder frische Eltern Tipps, wie sie ihre Säuglinge zum Schlaf bringen, wie man mit den Wutanfällen der Kinder umgehen soll und wie man Bewegung einsetzt, um gesund zu leben. Paare erfahren auch, wie sich die Beziehung zwischen Mann und Frau verändert, sobald sie Eltern werden. Sie können aber auch versuchen, ihre Verbindung, unter Anleitung und nach der in den 1980er Jahren in Kanada entwickelten Methode “Halte mich fest” zu verbessern. Im Umgang mit ihren Emotionen erfahren die Teilnehmer Methoden und Möglichkeiten auf die eigenen Nöte und auf die des Partners zu sorgen und das Verhältnis harmonisch zu erhalten.
Wer sich nicht zu Workshops traut oder keinen Platz mehr findet, aufgrund der begrenzten Platzanzahl, wird beim „PsihoLoc“ erwartet, wo Mitglieder des Kronstädter Verbands der Psychologen sie beraten und ihre Fragen beantworten. Dieser wird für die ganze Dauer der Veranstaltung zwischen 10 und 20 Uhr im Titulescu-Zentralpark geöffnet sein. Der Eintritt zu den meisten Veranstaltungen dieses Festivals ist kostenlos, Reservierungen sind aber nötig.
Laura Capatana-Juller
Die Konzerte im Rahmen des „Brasov Jazz&Blues Festivals“ im Zentralpark haben vergangene Woche Hunderte begeistert. Foto: Brasov Jazz&Blues Festival
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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